Die GWK hat gesprochen: Zehn Schlussfolgerungen aus der Exini-Entscheidung

Es waren drei spannende Monate, seit die internationale Expertenkommission um den Schweizer Physiker Dieter Imboden Ende Januar ihre Empfehlungen vorgelegt hat. Heute nun hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) die Verwaltungsvereinbarung zur nächsten Runde der Exzellenzinitiative beschlossen. Das letzte Wort haben am 18. Juni die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder. Änderungen sind allerdings nicht mehr zu erwarten. Zeit für eine Bilanz in zehn Punkten.

1. Ein unglaublicher Hype, der mit sachlichen Argumenten nicht zu erklären ist
Erlauben Sie mir zu Beginn eine persönliche Bemerkung. Jede Woche schreibe ich in meinem Blog über aktuelle Ereignisse aus Schulen und Hochschulen, Unternehmen, Ministerien und Forschungseinrichtungen. Schaue ich mir die Statistik der vergangenen Monate an, sehe ich: Wann immer ich das Wort „Exzellenzinitiative“ in der Überschrift hatte, explodieren die Zahlen. Sechs, sieben, ja zehnmal so viele Klicks wie an anderen Tagen. Tage, an denen ich über Studiengebühren schrieb, über die umstrittene Akkreditierungspraxis von Studiengängen oder über Flüchtlinge an deutschen Schulen. Alles auch ganz wichtig, ja, ja, sagen meine Gesprächspartner aus Politik und Wissenschaft. Aber die Klicks sprechen eine andere Sprache. Im Verhältnis zur Exzellenzinitiative verblasst alles. Und womöglich ist das ja der größte Erfolg dieses Bund-Länder-Programms: Die Politik hat damit einen Hype geschaffen, einen symbolisch aufgeladenen Wettbewerb, der seinesgleichen sucht in Gegenwart und Vergangenheit der deutschen Wissenschaftsszene. Ganz offenbar bedient die „Exini“ in unserer manchmal leidenschaftslos daherkommenden, mit Formalitäten und Formularen kämpfenden Hochschulwelt eine Sehnsucht: die Sehnsucht nach Drama, nach Geschichten von Scheitern und vom Siegen und danach, auch „wer zu sein“ angesichts der internationalen Konkurrenz. Man kann den Hype jedoch auch andersherum deuten: Andere Themen, die möglicherweise sogar wichtiger sind, die ein noch größeres wissenschaftspolitisches Drehmoment erzeugen könnten, erhalten nicht die Beachtung, die ihnen zusteht. 

2. Über das Ob wird nicht mehr gestritten, nur noch über das Wie
Womit wir beim zweiten Punkt wären. Wann haben Sie zuletzt ein Pamphlet gegen Exzellenzförderung an Hochschulen gelesen? So richtig Breitseite, meine ich. Kein Hinterfragen bisheriger oder geplanter Förderlinien, kein Plädoyer für oder wider den Exzellenzbonus a la Imboden. Sondern ein echtes „Mir gefällt die ganze Richtung nicht“. Lange her, oder? Selbst der Bielefelder Soziologe Stefan Kühl, der gern mal gegen den Strich denkt (wofür ich ihn übrigens trotz mancher Meinungsverschiedenheit sehr schätze!), verurteilte in der FAZ zwar die Logik der Zukunftskonzepte als „kollektives Backenblasen“ und vergleicht den Exzellenzwettbewerb mit dem Matthäus-Effekt ("Wer hat, denn wird gegeben"), aber ganz weg von der Förderung der Besten (wer immer die sein mögen) will auch er nicht. Meine These: Das hat die Exzellenzinitiative geschafft. Sie hat die Faszination des „Exzellenten“ so sehr ins kollektive Bewusstsein der deutschen Wissenschaftslandschaft geschrieben, dass alle nur noch von der „Gleichheitsfiktion“ früherer Jahre sprechen. Von einer „Exzellenzfiktion“ spricht keiner. Ich würde sagen: eine gute Entwicklung. Aber mich macht schon stutzig, dass kaum noch einer sie in Frage stellt.

3. Die Quadratur des Kreises oder: Das Ideal der breiten Spitze
Voraussetzung für den Siegeszug des Exzellenzbegriffs war, dass er eine sehr deutsche Ausprägung bekommen hat. Zwar lächeln wir über Formulierungen wie „breite Spitze“ und diskutieren über die Sprachlogik solcher Worterfindungen, aber gleichzeitig finden wir uns fast alle darin wieder. Wir wollen ja, dass nicht alle gleich sind. Wir wollen, dass Leistung sich lohnt. Aber auf keinen Fall wollen wir eine kleine Gruppe herausragender Institutionen, die sich einem Heer Abgehängter gegenübersieht. Gern und fälschlicherweise dienen uns die Vereinigten Staaten da als Gegenentwurf (siehe "Zerrbild USA"), wir beobachten die Hochschulen zwischen Washington und Los Angeles mit einer Mischung aus Neid und wohlig schaudernder Selbstvergewisserung, dass wir SO gewiss nicht sein wollen. Insofern war es nur folgerichtig, dass die Politik nach all den Debatten um die richtige Anzahl künftiger Exzellenzuniversitäten oder Exzellenzstandorte nicht bei, drei, vier oder fünf, sondern wieder bei acht, neun, zehn oder elf angekommen ist. Und wer fürchtet, der Bund wolle nun alle sieben Jahre einige Standorte herausmendeln und so die Zahl der Exzellenzuniversitäten doch noch auf eine Handvoll schrumpfen lassen, dem versichere ich: So wird es nicht kommen, selbst wenn der eine oder andere Bundespolitiker das sicher gern so hätte. Die „breite Spitze“ steckt so tief in uns drin, die kommt so schnell nicht raus. Und ensprechend findet sich in der beschlossenen Verwaltungsvereinbarung zur Exzellenzinitiative ein Passus wieder, demzufolge nach dem Ausscheiden von Exzellenzuniversitäten aus der Förderung neue hinzukommen sollen.

4. Verbünde sind das neue C-Wort
In den bisherigen Runden der Exzellenzinitiative waren Cluster das Zauberwort. Sie verbanden Wissenschaftler, die immer schon oder noch nie etwas Gemeinsames auf die Beine gestellt hatten, sie brachten Universitäten mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen. Die Botschaft der Politik: Tut euch zusammen, denn dann seid ihr stärker, und darum fördern wir euch dann. Auch bei den Zukunftskonzepten ging kaum etwas, solange die antragstellende Uni nicht ihre umfassenden Partnerschaften mit anderen Unis und Außeruniversitären in den Vordergrund stellte. Jetzt geht die Politik noch einen Schritt weiter. In der Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ werden Einzeluniversitäten mit Verbundbewerbungen um die Exzellenzkrone konkurrieren, und die Signale von Bund und Ländern sind wiederum eindeutig: Liebe Unis, überlegt euch genau, ob ihr den Solo-Trip wagt. Wer sinnvolle Partner in der Umgebung hat, vielleicht längst mit ihnen über Cluster und gemeinsame Forschungsprojekte verbunden ist und sie dennoch links liegen lässt, dürfte ein Problem bekommen. Man könnte auch sagen, Exzellenzstandorte sind Cluster im Quadrat, und so sinnvoll ein Mehr an Zusammenarbeit ist, so macht die Logik ihrer Förderung doch auf ein wesentliches Defizit der „Exini III“ aufmerksam: Wenn die Politik von Exzellenz in der Forschung spricht, meint sie weiterhin Masse mindestens so sehr wie Klasse. Anders als von den internationalen Experten der Imboden-Kommission vorgeschlagen, werden die Forschungsleistungen nicht in Relation zur Größe der Einrichtung gesetzt. Ganz praktisch formuliert: Berlin kann sich allein aufgrund seiner schieren Größe schon jetzt fast als gesetzt erachten in Sachen Exzellenzstandort, Konstanz dagegen, das unter den bisherigen Exzellenzuniversitäten pro Professor die meisten DFG-Mittel einwirbt, muss zittern.


5. Vorbild Leibniz versus Vorbild ETH
Eine wesentliche Neuerung der neuen Exini-Runde ist „91b“; Politikersprech dafür, dass die Politik die Änderung des Grundgesetzes nutzen möchte, um die Exzellenzuniversitäten anders als bisher dauerhaft fördern zu können. Schnell nehmen Journalisten hier das Wort „Bundesunis“ in den Mund, was Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) regelmäßig auf die Palme bringt. Die ETH Zürich mit der Schweizer Bundesregierung als Träger, das sei eine Bundesuni, nicht aber Landesuniversitäten hierzulande, die am Ende bestenfalls 10 oder 15 Prozent ihres Budgets vom Bund bekämen. In den Verhandlungen mit dem Bund waren allerdings auch die meisten Landesminister ziemlich misstrauisch, sobald es um „91b“ ging. Zum Beispiel wollte der Bund direkte, jährliche Statusgespräche zusammen mit den Ländern und den geförderten Universitäten, das haben die Länder nicht akzeptiert, weil sie befürchteten, der Bund wolle doch direkt auf ihre Uni zugreifen. Und dass der Bund ursprünglich die Exzellenzcluster an den Exzellenzuniversitäten ebenfalls auf Dauer stellen wollte, haben die Länder ebenso wenig schlucken wollen. Am Ende bleibt ein Modell, das stärker an die Förderung von Leibniz-Instituten als an die ETH erinnert. Sprich: Es gibt eine Dauerförderung, doch alle sieben Jahre müssen sich die Exzellenzuniversitäten einer Evaluation stellen und können aus der Förderung fallen. Gegenüber den bisherigen Runden der Exini bedeutet das trotzdem eine grundlegende qualitative Veränderung: Bislang war der Wettbewerb mit jeder neuen Runde auf Null gestellt, jetzt ist die Grundvermutung, dass die Sieger der letzten Runde drin bleiben. Dass sie aus der Förderung kippen, soll die Ausnahme sein. Mit allen positiven wie negativen Folgen, die das haben wird:  Klar ist, dass es in sieben Jahren viel weniger freie Plätze gibt und die Aussichten, die Exzellenzkrone zu erringen, nie wieder so gut sein werden wie diesmal. Was auch der Grund war, weswegen sich Hamburg als einziges Bundesland heute bei der GWK-Entscheidung enthalten hat. In einer Protokollnotiz heißt es, die Hansestadt gebe zu bedenken, dass "die beabsichtigte Förderung nach 91b" in der Linie "Exzellenzuniversitäten" zu einer "dauerhaften Festlegung von Strukturen führen könnte. Dies würde für die Wissenschaft in Deutschland wichtige Entwicklungsperspektiven beschneiden." Die anderen 15 Bundesländer und der Bund sahen das anders.

6. Aufstieg und Fall einer Idee: der Exzellenzbonus
Die Idee, die die Imboden-Kommission Ende Januar vorstellte, klang bestechend einfach. Statt wie bisher durch ausgeklügelte Anträge zu bestechen, deren Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Bewilligung keiner wirklich einschätzen kann, sollten sich die Hochschulen künftig an dem messen lassen, was sie bereits geleistet haben. Statt einer Wette auf die Zukunft also ein Bonus für die Vergangenheit. Ausschlaggebend soll eine Reihe vorher festgelegter, eindeutiger Exzellenzkriterien sein. Ein solcher Automatismus, hofften die Experten der Kommission, werde der Politik in ihrem Hang zum ständigen Dazwischenfunken bremsen und der Wissenschaft freien Lauf lassen. Rektoren überall im Land brachen in Jubelstürme aus. Endlich Schluss mit dem elenden Anträgeschreiben! Und doch war die Idee eines Exzellenzbonus wenig später tot – zu Recht: Genauer betrachtet wäre eine Prämie, deren Verwendung keinerlei Auflagen unterliegen sollte, nicht so politikfern gewesen, wie man denken könnte, ganz im Gegenteil. Der Konflikt um die unterschiedlichen Länderinteressen hätte sich nur nach vorn verlagert. Die Minister hätten sich einen erbitterten Streit um die vermeintlich richtigen Kriterien geliefert – je nachdem, welche Kennzahlen ihre eigenen Universitäten besonders gut hätten da stehen lassen. Auch viele Hochschulleitungen hätten ein echtes Problem mit dem Bonus bekommen. Denn wie die Imboden-Kommissionsmitglieder selbst in ihrem Bericht feststellten, haben die deutschen Hochschulen ein Governance-Problem. Die Rektorate verfügen in der Regel nicht über die Macht, hochschulweite Strategieprozesse zu steuern und die Organisation Universität von oben zu verändern. Mit dem Exzellenzbonus wollte die Kommission jedoch genau jenen Hochschulleitungen, denen sie eben noch Durchsetzungsschwäche attestiert hat, ein Instrument an die Hand geben, das nur mit einer starken Führung funktionieren kann. Hätten die Hochschulleitungen gegen Forderungen aus der Universität, die Mittel nun bitte gießkannenmäßig zu verteilen als Ergänzung zur Grundfinanzierung, standhalten können? Vielerorts sicherlich nicht. Insofern ist es folgerichtig, dass am Ende der Beratung um die dritte Runde der Exzellenzinitiative eine Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ ein Antragsverfahren steht, das inklusive der geforderten Konzepte doch wieder stark an die bisherigen beiden Runden angelehnt ist.

7. Was hinter der Abschaffung der Förderlinie für Graduiertenschulen steckt
Eine andere Forderung der Imboden-Kommission hat die Politik hingegen aufgegriffen – sicherlich auch, weil sie es ohnehin schon so ähnlich geplant hatte: Eine eigene Förderlinie für Graduiertenschulen wird es nicht mehr geben. Das Instrument sei so erfolgreich gewesen, dass der Grenznutzen einer einer Weiterförderung drastisch sinken würde, begründeten die Experten äußerst diplomatisch. Man darf das mit einem Blick auf die immer noch überwiegend unstrukturierte Promotion an deutschen Hochschulen bezweifeln. Die Graduiertenschulen waren und sind ein Erfolgsmodell, doch von Grund auf verändern konnten sie das System bislang nicht. Der Grund für die Abkehr von der Förderung liegt vielmehr in der überbordenden Anzahl von Nachwuchswissenschaftlern, die durch die Exzellenzinitiative auf den akademischen Arbeitsmarkt drängten mit vielfach unsicheren Karriereaussichten. Ein bisschen scheint es, als müssten hier allein die Graduiertenschulen als Sündenbock herhalten – dabei sind die Exzellenzcluster mindestens ebenso schuld an der beklagten Fehlentwicklung. Was wiederum in beiden Fällen an dem Charakter der Exzellenzinitiative als befristetes Bund- und Länderprogramm ohne Dauerstellen liegt. Dies wird sich mit ihrer Fortsetzung ändern, allerdings nur ein Stückweit. Mehr als zwei Drittel der Exzellenzmillionen werden auch künftig befristet vergeben, womit auch das Nachwuchsproblem kaum kleiner werden dürfte. Die durch die Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschule haben sich nun ihrerseits mit einer eindringlichen Plädoyer an die Politik zu Wort gemeldet, sie nicht im Stich zu lassen.   

8. Zwei murren (im Stillen), einer kann sich freuen: DFG und Wissenschaftsrat versus GWK
Etwas vorschnell hatten manche Beobachter die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nach Veröffentlichung des Imboden-Berichts Ende Januar zum Aufsteiger erklärt und den Wissenschaftsrat zum Verlierer. Auf den ersten Blick sah es tatsächlich so aus: Beim Antragsverfahren für die Exzellenzclustern (Zuständigkeit DFG) sollte sich nach Empfehlung der internationalen Experten nicht viel ändern, während bei der Förderlinie Exzellenzuniversitäten die Begutachtungen (Zuständigkeit Wissenschaftsrat) zugunsten des Exzellenzbonus entfallen sollten. Drei Monate später stellt sich die Lage anders dar, und das nicht nur, weil der Exzellenzbonus doch nicht kommt. Bund und Länder haben sich geeinigt, zwei neue Gremien einzurichten, die über die Bewilligung von Anträgen abschließend entscheiden sollen, und zwar das Expertengremium, bestehend aus 39 Wissenschaftlern, und die Exzellenzkommission, bestehend aus Expertengremium plus den Ministern aus Bund und Ländern. Das Misstrauensvotum steckt im Detail: Expertengremium und Exzellenzkommission werden nicht etwa wie ihre Vorgänger-Gremien automatisch von DFG oder Wissenschaftsrat bestückt, sondern die Mitglieder des Expertengremiums werden von der GWK ernannt. Deren Geschäftsstelle dadurch einen Bedeutungszuwachs erhält. Etwas überspitzt könnte man sagen: DFG und Wissenschaftsrat dürfen noch die Ausschreibung machen und die Entscheidung vorbereiten, das war's dann aber auch. Immerhin gibt es Trostpflaster: Beide Organisationen dürfen gemeinsam die Mitglieder des Expertengremiums vorschlagen, und ihre Chefs dürfen (wenn auch ohne Stimme) den Vorsitz führen. Trotzdem: Diese Entscheidung der Politik tut DFG und Wissenschaftsrat weh, und alle rätseln über die Gründe. Hat hier das Misstrauen sein Ventil gefunden, das Bundesforschungsministerin Johanna Wanka angeblich mit sich herumträgt, seit der Universität Göttingen 2012 (damals war Wanka niedersächsische Wissenschaftsministerin) ihr Exzellenzstatus aberkannt wurde? Eine andere Deutung: Kritiker bemängeln, in den bisherigen Wettbewerbsrunden hätten manche Disziplinen systematisch den Kürzeren gezogen, die Ingenieurwissenschaften zum Beispiel. Waren die von DFG und Wissenschaftsrat eingesetzten Kommissionen in der Vergangenheit nicht ausreichend breit aufgestellt? Folgt man der zweiten Argumentation, dann könnte das neue Auswahlverfahren sogar noch wissenschaftsgeleiteter werden als das bisherige. Allerdings hat die Politik noch weitere neue Sicherungen gegen eine allzu selbstbewusst auftretende Wissenschaft eingebaut: Zwar können die Wissenschaftler die Minister bei der Entscheidung über die Exzellenzcluster überstimmen. Bei der Entscheidung über die Exzellenzuniversitäten braucht es jedoch neben der Mehrheit der Wissenschaft auch eine Mehrheit auf Seiten der Politik, die mindestens den Bund und neun Länder umfassen muss. Bei der letzten Auswahlrunde 2012 konnte die Wissenschaft mit ihren auch damals 39 Stimmen die Politik mit ihren 32 Stimmen theoretisch bei allen Entscheidungen überstimmen.


9. Was bleibt denn nun von Imboden?
Auch wenn aus dem Exzellenzbonus nichts wird und sich Exzellenz weiter auch über die Masse definiert: Die internationalen Experten können nicht behaupten, dass die Politik ihr gar nicht zugehört hätte. Sie hat zugehört, und das nicht nur bei den Vorschlägen, die Förderlinie für die Graduiertenschulen wegfallen zu lassen und  die Förder-Laufzeiten auf sieben Jahre zu erhöhen. Nehmen wir die Universitätspauschale: Die Kommission hatte vorgeschlagen, für jeden Exzellenzclustern einen Bonus für die strategische Gesamtentwicklung zu zahlen. Und so wird es kommen: eine Million Euro jährlich für den ersten Cluster, für den zweiten 750.000, für den dritten und jeden weiteren 500.000 Euro. Allerdings – und das ist wiederum anders als von Imboden vorgeschlagen – gibt es das Geld auch hier nur gegen ein Konzept. Ebenfalls umgedacht hat die Politik bei ihren ursprünglichen Plänen, einige Cluster zu verstetigen. Die Experten hatten immer wieder betont, Grundlage der Exzellenzinitiative sei eine Förderung auf Zeit. Folglich gibt es auch künftig nur Cluster auf Zeit. Das Aber folgt jedoch erneut auf dem Fuß: Bei den Exzellenzuniversitäten geht die Politik trotz allem in die Dauerförderung. Dafür haben die Imboden-Leute die Politik an anderer wichtiger Stelle beeinflussen können: Wie von ihnen gefordert wird die neue Förderperiode verschoben, und es wird eine Überbrückungsfinanzierung geben, damit mehr Zeit für Ausschreibung und Anträge bleibt. Ursprünglich hatten viele Minister das auf keinen Fall gewollt, doch sie ließen sich eines Besseren belehren.

10. Über welche Probleme wir jetzt künftig wieder öfter reden sollten

Mit meinem Wunsch am Ende komme ich wieder bei meiner Beobachtung am Anfang an. Lasst uns jetzt wieder mehr über die Lehre sprechen. Die Digitalisierung stellt die Hochschulen vor riesige Aufgaben. Und je vielfältiger die Studienanfänger werden, desto individueller und passgenauer müssen die Studienangebote der Hochschulen werden. Auch wenn in keiner Sonntagsrede fehlt, dass die Lehre ja genauso wichtig sei: Die Exzellenzinitiative ist das beste Beispiel dafür, dass das wahre symbolische Kapital in der Wissenschaft immer noch fast ausschließlich über die Forschung zu erwerben ist. Insofern kann man nur den Autoren eines Arbeitspapiers zur Zukunft des Wissenschaftsföderalismus zuzustimmen, das mit Förderung der Konrad-Adenauer-Stiftung entstanden ist. Bund und Länder sollten über das richtige Verhältnis zwischen der rasant gestiegenen Drittmitteln und der allzu schmalen Grundfinanzierung der Hochschulen nachdenken, zitiert die FAZ die Autoren, zu denen Noch-HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz, der Konstanzer Rektor Ulrich Rüdiger und der ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg gehören. Ihr Appell bezieht sich zwar auf die Forschung und die Wahl künftiger Forschungsthemen, aber für die Lehre wäre eine solche Neujustierung noch wichtiger. Reden wir jetzt drüber?

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Kommentare: 11
  • #1

    Patrick Honecker (Freitag, 22 April 2016 16:08)

    Ein kluger Kommentar: Es ist gut, dass weiterhin Strategien und nicht vergangene Erfolge ausgezeichnet werden. Die Veränderungswucht, die die letzten "Exini" Runden in die Universitäten gebracht haben, ist ein Beweis dafür, dass dieser Ansatz richtig ist.

  • #2

    Laubeiter (Montag, 25 April 2016 17:58)

    Ich finde die 10 Punkte klar und den besten Kommentar, den ich im Internet finde zur Entscheidung ueber die Exzellenzinitiative. Ich verstehe noch nicht, wie der Gegensatz zwischen Clusterförderung und Konzeptförderung ab 2019 und jetzt sein soll. Jetzt sind Clusterförderung und Konzeptförderung beide zeitlich begrenzt und muessen erneuert werden, ab 2019 ist nur noch Clusterförderung zeitlich begrenzt und muss erneuert werden? Ich dachte, die Konzeptförderung ist ab 2019 immer noch zeitlich begrenzt und muss erneuert werden?

  • #3

    Thomas Hendel (Dienstag, 26 April 2016 09:11)

    Lieber Herr Wiadra,
    Toller Blog. Schön differenzierte Darstellungen. Vielen Dank.
    Weiß man denn schon etwas über die geplanten Zeitachsen? Theresa Bauer wird in der Stuttgarter Zeitung sinngemäß zitiert mit: die Skizzen für die Exzellenz-Uni Anträge sollten im Frühjahr 2017 eingereicht werden. Wenn das stimmt, müssten diese Exzellenz-Uni Anträge vorbereitet werden, lange bevor klar ist, ob das Zulassungskriterium - min 2 Cluster eingeworben - erfüllt ist.
    Das wäre eine gigantische Ressourcenvergeudung in Universitäten und an vielen anderen Stellen.
    Das Zulassungskriterium macht es eigentlich zwingend, die beiden Wettbewerbe in Reihe zu schalten. Nur würde dann der Zeitrahmen für die zwei recht aufwändigen Begutachtungen ziemlich knapp.

  • #4

    Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 26 April 2016 10:25)

    @Herrn Laubeiter:
    Vielen Dank für das Kompliment! Das mit der Dauer-Förderung ist tatsächlich nicht so ganz leicht nachzuvollziehen. Im Kern kann man es sich vielleicht so verdeutlichen: Bei den Clustern ist nach einer Runde alles wieder auf Start, das heißt: Für eine Verlängerung konkurrieren die Cluster gleichberechtigt mit den Neuanträgen. Bei den Exzellenzuniversitäten (die meinen Sie ja mit der Konzeptförderung?) ist die Vermutung künftig eine andere: Die Gewinner der nächsten Runde sind drin und bleiben drin – es sei denn, sie bestehen die Evaluation alle sieben Jahre nicht. Das heißt: Sie konkurrieren nicht direkt mit Neuanträgen, die gibt es nämlich erst, WENN und NACHDEM eine der Exzellenzuniversitäten die Evaluation nicht schafft und aus der Förderung kippt. Ich hoffe, ich konnte den Unterschied verdeutlichen?
    @ Thomas Hendel:
    Auch Ihnen vielen Dank für das Lob. Meines Wissens gibt es keine Skizzen für die Exzellenzuniversitäten, sondern nur die Einreichung der Anträge, und die ist laut den mir vorliegenden Informationen für Februar 2019 geplant, also fünf Monate nach der Förderentscheidung Exzellenzcluster. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage?

    Beste Grüße,
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #5

    Laubeiter (Mittwoch, 27 April 2016 10:43)

    @Wiarda: Danke für die Erklärung, was die Unterschiede in der Verlängerung von Clusters und Konzeptförderungen angeht.
    Ich finde es ungerecht, wenn für die erste Runde der Auswahl der Konzeptförderungen 2019 verlangt wird, dass eine Uni 2 Clusters hat, dann aber in der nächsten Runde 2026 dann für geförderte aber nicht mehr. Es kann dann 2026 also Unis in der Konzepförderung geben, die 2, 1, oder 0 Clusters haben.
    Zum Kriterium 2 Custers: Die DFG Webseite zeigt 2 Clusters für 11 Standorte. Von diesen 11 sind 4 (Berlin, München, Dresden und Heidelberg) in der Konzeptförderung. 5 Unis (Aachen, Bremen, Konstanz, Tübingen und Köln) erhalten Konzeptförderung und haben 1 Cluster.
    Für Clusters in München und Berlin ist die Lage kompliziert, weil mehrere Clusters paarweise von LMU+TU oder FU+HU getragen werden, so dass mir nicht klar ist, wie sich LMU/TU und FU/HU diese Clusters bei der Runde 2019 anrechnen lassen wollen.

  • #6

    Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 27 April 2016 10:48)

    Liebe/r Frau/Herr Laubeiter, womöglich liegt hier ein kleines Missverständnis vor: Auch 2026 müssen Unis zwei Cluster haben, um weiter Exzellenzuniversität bleiben zu können.
    Beste Grüße,
    Ihr J-M Wiarda

  • #7

    Klaus Diepold (Mittwoch, 27 April 2016 12:39)

    Lieber Herr Wiarda,
    auch von meiner Seite Dank für einen kompakten und informativen Blog. Besonders danken möchte ich für den 10.Punkte, d.h. Ihren Aufruf, dass wir uns jetzt auch wieder verstärkt um die Lehre kümmern sollten. Am Ende des Tages ist es die Lehre, wofür die Steuerzahlerin das Geld für Professoren und Unis hinlegt, d.h. für die (Aus)Bildung junger Menschen. Darin ist wohl auch der primäre gesellschaftliche Nutzen der Universitäten zu sehen und diese Bedeutung anzuerkennen und entsprechend zu diskutieren und zu finanzieren ist angesagt. Dabei ist die Finanzierung nur ein Teil des Themas, es geht dabei auch um die Reputationsasymmetrie für WissenschaftlerInnen, die sich nicht zuletzt durch die ExIni weiter zu Gunsten der Forschung verschoben hat.

  • #8

    Josef König (Mittwoch, 27 April 2016 18:31)

    Lieber Jan-Martin,
    vielen Dank für diesen klugen und ausführlichen Kommentar, eigentlich auch Bericht, dem ich nur zustimmen kann. Und dennoch gibt es einen Satz, an dem ich mich stoße und Dir widerspreche. Du schreibst unter 10) "Und je vielfältiger die Studienanfänger werden, desto individueller und passgenauer müssen die Studienangebote der Hochschulen werden". Das halte ich für äußerst problematisch. Wenn man sich die HRK-Studienfächerliste anschaut, so gibt es inzwischen in Deutschland mehr als 16.000 verschiedene Studiengänge - und viele darunter sind so spezialisiert, dass ich darin keinen echten Studiengang erkenne. Mit der BA/MA-Reform ab 2001 ist eine Differenzierung eingetreten, die Studien und Abschlüsse nicht mehr vergleichbar macht. Inzwischen sind Studiengänge so weit herunter dekliniert, dass selbst manche Spezialdenomination eines Lehrstuhls fast einen Studiengang bildet. Dem weiteren Vorschub zu leisten, erhöht die Unübersichtlichkeit und allein der Gedanke zu Ende gedacht - "jedem seinen eigenen Studiengang" - macht mich schaudern und verdeutlicht mir vollends das Versagen der BA/MA-Reform.
    Lieber Gruß nach Berlin
    Josef

  • #9

    Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 27 April 2016 19:43)

    Lieber Josef,
    ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Ich meine nicht: möglichst viele unterschiedliche Studienfächer. Ich meine: Verschiedene Hochschulen und verschiedene Praxis- und Theoriegrade für unterschiedliche Typen. Und innerhalb der Studiengänge möglichst verschiedene Fördermaßnahmen, die individuell zugeschnitten sind je nach Bedarf. Was die Inflation an Studiengängen angeht, sind wir uns komplett einig!
    Herzliche Grüße,
    Jan-Martin

  • #10

    Laubeiter (Donnerstag, 28 April 2016 11:13)

    Wegen 2026:
    Also die Prüfung einer Verlängerung der Exzellenz-Förderung von Universitäten, die sie 2019 erhalten haben werden, wird dann in drei Schritten laufen, ist das so? Im ersten Schritt werden die Clusters aller Universitäten entschieden, und dann werden die Universitäten mit Exzellenz-Förderung, die zwei Clusters bekommen haben, dann begutachtet, ob sie genug geleistet haben für eine Verlängerung, und wenn eine der Universitäten mit Exzellenzförderung entweder keine zwei Clusters bekommt oder die Begutachtung nicht postitiv ist, verliert sie ihre Exzellenzfördreung, und dann wird ein Platz frei für eine Bewerbung um Exzellenzförderung für Universitäten mit zwei Clusters ohne Exzellenzförderung?
    Das ist ein Verfahrne mit vielen Schritten, aber gerechter als eine Entkoppelung der Anforderungen, wie viele Clusters da sein muessen fuer die Exzellenzförderung.
    Die Zahl der geförderten Unis wird also 2019 festgelegt, und wenn alle, die 2019 zum Zug kommen, 2026 zwei Clusters erhalten und ihre Begutachtung postitiv durchlaufen, gibt es auch 2026 keine Chance für Universitäten mit zwei Cluster, neu in die Exzellenzförderung aufgenommen zu werden. Das ist ungerecht, finde ich.

  • #11

    Jan-Martin (Donnerstag, 28 April 2016 15:49)

    @Laubeiter: So verstehe ich das. Insgesamt halte ich das für ein faires Verfahren, weil ich mir auch ziemlich sicher bin, dass 2026 nicht alle Exzellenzunis wieder zwei Cluster (oder mehr, falls es Standorte sind) erzielen werden.
    Herzliche Grüße,
    Ihr Jan-Martin Wiarda