Hochschulpolitik ist immer auch Symbolpolitik. Beispiel Zivilklausel: Viele Universitäten haben sich eine gegeben und damit selbst verpflichtet, ihre Forschung ausschließlich friedlichen Zwecken zu widmen. Den Anfang machte vor 30 Jahren die Universität Bremen; die Friedensbewegung feierte damals den Beginn einer neuen Ära.
Das Problem mit Symbolen ist, dass sie, wenn man genauer hinschaut, häufig inhaltsleer daherkommen. Das Grundgesetz schützt in Artikel 5 die Wissenschaftsfreiheit, was bedeutet, dass juristisch gesehen eine Universität ihren einzelnen Professoren die Gewissensentscheidung gar nicht abnehmen darf. Jeder Forscher kann also weiter frei entscheiden, woran er forscht und mit welchen Partnern. Die einzige Möglichkeit, eine Zivilklausel durchzusetzen, besteht in der Bewilligung oder Verweigerung öffentlicher Forschungsgelder. Oder aber, indem man diejenigen, die trotzdem militärisch relevante Forschung und Lehre machen, an den öffentlichen Pranger stellt.
Wohlgemerkt: Ich rede hier nicht über die Unterstützung von Militärdiktaturen, sondern von Drittmittelprojekten mit der Bundeswehr, der das Grundgesetz wiederum klare rechtsstaatliche Grenzen setzt. Diese Widersprüchlichkeit kann noch gesteigert werden. Etwa, indem man wie das Bundesland Bremen erst vergangenes Jahr die Zivilklausel sogar in das Hochschulgesetz aufnimmt. Vor zwei Wochen gab es dazu ein interessantes Gutachten: Die Hochschule Bremen darf sehr wohl, wie sie beabsichtigt, ein Viertel der Studienplätze in ihrem Internationalen Frauen-Studiengang Informatik der Bundeswehr überlassen, befand das Bremer Justizressort. „Militärisch“ sei nicht gleichbedeutend mit „unfriedlich“. Für die Linkspartei in der Bürgerschaft ein „eindeutiger Verstoß“ gegen das Hochschulgesetz.
Wissenschaftler sind erwachsene Leute. Wir sollten von ihnen erwarten, dass sie sich verantwortungsvoll verhalten – und sie nicht mit Klauseln und Gesetzen gängeln, die am Ende ohnehin nicht
funktionieren. Was gar nicht geht: dass das Recht auf eine freie Gewissensentscheidung ausgehebelt wird durch Bloßstellung, Druck und soziales Unmöglichmachen. Bevor Politiker Forscher dafür
geißeln, dass sie mit einer legalen staatlichen Institution zusammenarbeiten wollen, müssten sie erst einmal eine Mehrheit dafür organisieren, die Bundeswehr abzuschaffen.
Dieser Kommentar erschien heute auch im ZEITChancen Brief.
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