Kooperationsverbot: Denkt doch mal an was Anderes! Ein Kommentar.

Baufällige Fichtenberg-Oberschule in Berlin. Foto: Jan-Martin Wiarda
Baufällige Fichtenberg-Oberschule in Berlin. Foto: Jan-Martin Wiarda

Haben sie nun oder haben sie nicht? Es ist eine eigenartige Debatte, die am Wochenende die bildungspolitisch interessierten Gemüter erregte. Am Freitag haben Bund und Länder die Reform des Länderfinanzausgleichs beschlossen. In diesem Zusammenhang haben sie eine Reihe von Grundgesetzänderungen vereinbart, die teilweise auch die Bildung betreffen sollen. Aber haben die Ministerpräsidenten und die schwarzrote Bundesregierung damit auch die Abschaffung des Kooperationsverbots besiegelt?

 

Ein schillernder Begriff, für viele ein Aufreger und das Anti-Wort schlechthin: das Kooperationsverbot, das seit 2006 in keiner Diskussion über den vielerorts miserablen Zustand von Kitas und Schulen fehlen darf (siehe hierzu auch den Kasten unten). Wenn das Verbot nicht wäre, so die verbreitete Meinung, könnten viele Missstände beseitigt werden, weil dann endlich der Bund den klammen Ländern unter die Arme greifen dürfe: mit einem Schulsanierungsprogramm, beim Aufbau leistungsfähiger WLAN-Netze oder mit dem Auflegen einer neuen Initiative zum Ausbau der Ganztagsschulen, wie sie die damalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) 2004 gestartet hatte. 

 

Am Freitag nun jubelte der stellvertretende Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil: "Das Kooperationsverbot ist Geschichte." Von wegen, kontern viele in der Union, das könne man aus der Vereinbarung überhaupt nicht ableiten. Und die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hat explizit in einer Protokollnotiz am Freitag festhalten lassen: Nein, das sei nicht schon die Aufhebung des Kooperationsverbots.

 

Ein Streit aus dem Lehrbuch der Kaffeesatzleser. Genau wissen werden wir es erst, wenn sich Bund und Länder über den genauen Wortlaut der Grundgesetzänderung einig geworden sind.

 

Womöglich aber ist es viel einfacher. Schauen wir uns die Sache mal mit den Augen des Praktikers an, nicht mit denen eines Juristen. Also: Wenn der Bund den Ländern Geld böte, damit sie ihre Schulen auf Vordermann bringen, und alle Länder wären einverstanden, wo läge dann noch das Problem? Wie hatte Hamburgs SPD-Schulsenator Ties Rabe am Mittwoch gesagt, noch in Unkenntnis der Beschlüsse vom Freitag: Wenn Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit ihren Vorschlägen zur digitalen Bildungsoffensive über eine "wacklige Brücke", und zwar eine verfassungsrechtlich wacklige Brücke, gehen wolle, "wird kein Land sie runterschubsen." Genauso ist es: Wenn die Länder mitspielen, kann der Bund machen, was er für richtig hält. Wenn der den Ländern für das Geld Bedingungen stellt und die Länder gehen darauf ein, dann haben sie einen Deal. Und den rechtlichen Rahmen wird man dann konstruieren.

 

Umgekehrt gilt: Man kann das Grundgesetz umschreiben, wie es beliebt, solange Bund und Länder sich politisch nicht einig werden, hilft alles nichts. Was wir brauchen, sind Bildungspolitiker, die einander anstecken mit guten Ideen, wie Bund und Länder wirksam an einem Strang ziehen können, anstatt sich durch juristische Bedenken am Denken hindern zu lassen. 

 

Haben sie nun oder haben sie nicht? Wir werden es erfahren. Bis dahin aber sollten wir zur Abwechslung mal weniger über das Kooperationsverbot reden und mehr über schlaue Kooperationsformen, die mehr sind als eine Verschiebung von Milliarden von einer Ecke der Republik (Berlin) in alle anderen. Kooperationsformen nämlich, die neue Kreativität freisetzen in den Bildungshäusern, in Kitas, Schulen und Hochschulen. Sind die Ideen gut, spielt der Rahmen keine Rolle. 


Was genau ist eigentlich das Kooperationsverbot?

 

Seit der Föderalismusreform von 2006 begleitet uns dieses seltsame Wort, von dem Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beharrlich sagt, ein solches Verbot existiere gar nicht. Vor zehn Jahren hatten SPD und Union – neben vielen anderen – auch die Artikel 91 und 104 des Grundgesetzes geändert. Der neue Artikel 104b sollte ursprünglich regeln, dass der Bund den Ländern gar keine Finanzhilfen mehr für Bereiche geben sollte, für die nach der Logik des Grundgesetzes ausschließlich die Länder zuständig sind. Wozu zentral die Schulen und Hochschulen gehören. Im Laufe der Verhandlungen fügte die damalige Große Koalition auf Druck der Sozialdemokraten Ausnahmen ein, und zwar indem sie den Grundgesetz-Artikel 91b neu formulierten. Insofern existierte ein totales Kooperationsverbot nach der Verfassungsänderung von 2006 tatsächlich nicht, weil der Bund mit den Ländern bei internationalen Bildungsvergleichen wie Pisa und Timms weiter zusammenarbeiten durfte und im Bereich der Hochschulen so genannte "Vorhaben" (also zeitlich befristete Projekte und Programme) unterstützen durfte. Das war unter anderem die Brücke für die Exzellenzinitiative. Ansonsten galt: Keine Dauerhilfen für die Hochschulen und gar keine Förderprogramme mehr für die Schulen. Beschlossen wurde die Verfassungsänderung übrigens gegen den Widerstand der Grünen, der Linken und auch der FDP. Nach jahrelangen Diskussionen wurde das Kooperationsverbot 2014 gelockert, doch wie schon 2006 über den Artikel 91b und erneut nur für den Bereich der Wissenschaft. Weiter wollte die Union damals nicht gehen. Bis heute. Der SPD-Bildungexperte Ernst-Dieter Rossmann sagte in der zugehörigen Bundestagsdebatte, die Grundgesetzänderung zu 91b sei "nicht das ganze Stück". Denn wir wollen, dass der Geist der gemeinsamen Förderung nicht auf die Hochschulen begrenzt ist."


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