· 

Eine neue Rolle für die KMK

Bildung und Wissenschaft folgen unterschiedlichen Systemlogiken. Darum sollte die Wissenschaftspolitik aus der Kultusministerkonferenz herausgelöst werden. Ein Gastbeitrag von Steffen Krach.

KMK-Sitz in Bonn
KMK-Sitz in Bonn

DER GESETZLICH FESTGESCHRIEBENE BILDUNGSFÖDERALISMUS in der Bundesrepublik Deutschland macht Abstimmungsprozesse in länderübergreifenden Gremien oft langwierig, mühsam und – wegen der notwendigen Zusammenführung unterschiedlichster Interessen – im Ergebnis verwässert. Das gilt besonders in der Schulpolitik. Die Zusammensetzung und Arbeitsweise der vorhandenen politischen Abstimmungsgremien wird daher regemäßig kritisch diskutiert. Derzeit steht die Kultusministerkonferenz (KMK)  anlässlich ihres 70-jährigen Bestehens im Fokus der öffentlichen Debatte.

 

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Etablierung eines Nationalen Bildungsrates eröffnet die Chance ein neues Institutionengefüge bei den bildungspolitischen Gremien herzustellen. Derzeit erfolgt bei bildungs- und wissenschaftspolitische Themen die Abstimmung der Länder untereinander sowie mit dem Bund im Wesentlichen über drei Gremien: über die KMK, die entsprechend der Kulturhoheit der Länder die Bereiche Schule, Hochschule und Kultur umfasst; über die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK), die sich paritätisch zwischen Bund und Land auf die wissenschafts- und forschungspolitischen Bereiche konzentriert; sowie über den Wissenschaftsrat (WR), der im Gegensatz zu den erstgenannten Gremien eine beratende Funktion bei wissenschafts- und forschungspolitischen Themen einnimmt und sich nicht nur aus Vertretern von Bund und Ländern, sondern auch aus Vertretern von Wissenschaft und des öffentlichen Lebens zusammensetzt.

 

In der Ständigen Konferenz der Kultusministerinnen und Kultusminister bestehen die Interessensdivergenzen häufiger zuvorderst zwischen Bund und Ländern und seltener zwischen den von unterschiedlichen Parteikonstellationen regierten Bundesländern. Auch zwischen den Ressorts Schulpolitik auf der einen und Wissenschaftspolitik auf der anderen Seite kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Interessenslagen.

 

Im Gegensatz zu den Aushandlungsprozessen zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander sind die Konflikte zwischen Schul- und Wissenschaftspolitik jedoch meist nicht durch handfeste Verteilungsfragen um finanzielle Ressourcen bestimmt. Vielmehr wirken hier unterschiedliche Rahmenbedingungen und Systemlogiken. So ist die bundesweite institutionelle und personelle Verflechtung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen viel ausgeprägter als im Schulbereich, weshalb sich Fragen der Kompatibilität zwischen den Bundesländern weit seltener stellen. Auch der Grad der Detailsteuerung verläuft im Schulbereich diametreal zum Wissenschaftsbereich. Hat die operative Steuerung im Bildungsbereich durch die sogenannte Empirische Wende der Bildungspolitik und das damit einhergehende Bemühen um die Vergleichbarkeit von Schulleistungen stark zugenommen, ist die Detailsteuerung im Wissenschafts- und Forschungsbereich im Zuge der Stärkung der Hochschulautonomie eher abgebaut worden.>>  



>> Dies sind nur exemplarische Beispiele dafür, dass sich die Fragen der politischen Steuerung und Koordination zwischen dem Bildungs- und dem Wissenschaftsbereich erheblich unterscheiden. Folglich wäre es klug, den unterschiedlichen Bedarfen und Logiken der Bildungspolitik mit dem Fokus auf Schule einerseits und der Wissenschaftspolitik mit dem Fokus auf Hochschulen und Forschung andererseits auch institutionell stärker Rechnung zu tragen. Konsequent wäre, den Wissenschaftsbereich aus der KMK herauszulösen und die Debatten über Hochschulen und Forschung in der GWK zu konzentrieren. Die GWK könnte in ihrer Grundstruktur bestehen bleiben, müsste jedoch im Sinne einer Wissenschaftsministerkonferenz neu akzentuiert werden. Das heißt, dass neben den gemeinsamen Abstimmungen zwischen Bund und Ländern die strukturelle Möglichkeit geschaffen werden muss, sich als Bundesländer bei den Sitzungen auch ohne den Bund zu beraten und abstimmen. 

 

Auch die KMK könnte sich durch das Herauslösen der Wissenschaft klarer im Sinne ihres Steuerungsauftrages konturieren. Durch das im Bildungsföderalismus favorisierte Einstimmigkeitsprinzip war sie schon immer mehr Verwaltungs- als Gestaltungsgremium, doch entwickelte sich die Diskussionsagenda in der KMK seit der bereits erwähnten empirischen Wende (mit der Betrachtung etlicher Vergleichsstudien wie TIMSS, PISA und VERA) noch stärker weg von politischen Grundsatzdebatten hin zu operativen Fragen.

 

Dem gleichzeitig immer deutlicher zu vernehmenden Ruf nach einer Entbürokratisierung und (Re-) Politisierung der dort geführten bildungspolitischen Debatten könnte mit der so beschriebenen Umgestaltung der KMK bei zusätzlicher Etablierung des Nationalen Bildungsrates Rechnung getragen werden. Gleichzeitig böte sich so die Chance, äquivalente und effiziente Strukturen für den Schul- und Wissenschaftsbereich zu etablieren. Der Nationale Bildungsrat könnte analog zum Wissenschaftsrat die langfristige bildungspolitische Strategie entwickeln und als Ideen und Impulsgeber für die KMK fungieren, wie es der Wissenschaftsrat bereits jetzt für die GWK tut.

Bei Schnittstellenthemen wie der Lehrkräftebildung oder der Hochschulzulassung könnten punktuell gemeinsame Sitzungen von KMK und GWK anberaumt werden – oder auch zwischen Nationalem Bildungsrat und Wissenschaftsrat. 

 

In der Gesamtbetrachtung hätte eine solche Neustrukturierung sowohl für den Wissenschafts- als auch für den Bildungsbereich große Vorteile. Die Organisation und Verwaltung von Prozessen hätte genauso ihren Raum wie das Diskutieren neuer Ideen, Programme und Ansätze. Zugleich könnten die jeweiligen Systemlogiken und Kernkompetenzen in den jeweils zuständigen Gremien zielstrebiger und auch ressourcensparender verfolgt werden. Im Idealfall wäre eine bundesländerübergreifende, aktive Gestaltung dieser für die Zukunft unserer Gesellschaft so zentralen Politikfelder die Folge. 

 

Debatten, die das Ziel haben, bestehende Strukturen zu ändern, sind niemals einfach. Doch jetzt, 70 Jahre nach Gründung der KMK und mit dem Nationalen Bildungsrat am Horizont, ist die Gelegenheit günstig wie selten. Wir sollten sie nicht verstreichen lassen. 

 

Steffen Krach ist Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin.


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Hekking, Verband Privater Hochschulen Deutschlandsn (Freitag, 23 März 2018 15:15)

    Schön, dass die Diskussion über eine Strukturreform des „Kooperativen Bildungsföderalismus“ beginnt, nachdem die weit überwiegende Mehrheit der Bürger dieses System inzwischen ablehnt. KMK, GWK und WR sind ja in der Verfassung nicht vorgesehene Hybride länderübergreifender Bildungspolitik, die auch von einem beachtlichen Demokratiedefizit geprägt werden. Die Institutionalisierung eines neuen Bund-Länder-Gremiums zur Koordinierung der Bildungspolitik macht Sinn, wenn
    - es die bisherigen Gremien ersetzt, weil sonst der
    bürokratische Wirrwarr in der Bildungspolitik noch größer
    wird,
    - wenn es einen klaren Auftrag im Bereich der strategischen
    Bildungsplanung hat, weil sonst die Bürokratisierung noch
    größer wird
    - wenn es gesetzlich legitimiert und demokratisch
    kontrolliert ist
    - wenn alle in der Bildung relevanten Player dort vertreten
    sind, zB auch das Freie Bildungswesen, das inzwischen
    10 Marktanteil hat, Tendenz steigend

    Eine Aufspaltung in einzelne Bildungssektoren erscheint allerdings nicht sinnvoll, denn es kommt gerade darauf an sie besser zu vernetzen, um die Durchlässigkeit der einzeln System im Sinne effektiv und effizient organisierter Bildungskarrieren vernünftig organisieren zu können.