Gebetsräume: Lernt von den Kölnern!

Geht es Ihnen auch so: In den vergangenen Wochen war gefühlt mehr von Gebetsräumen an Universitäten die Rede als in den zehn Jahren vorher. Mit ziemlich lauter Medienbegleitung hat die TU Dortmund  ihren überkonfessionellen "Raum der Stille" und die Uni Duisburg-Essen ihren Gebetsraum für Muslime geschlossen. In Dortmund, weil einige der dort betenden Muslime offenbar eine Geschlechtertrennung hatten durchsetzen wollen (siehe hierzu den Briefwechsel zwischen Rektorat und Befürwortern des "Raumes der Stille"); in Essen, berichtet die Lokalpresse, sei es ähnlich gewesen, dort sei sogar während des Freitagsgebets regelmäßig ein Aufzug blockiert worden. Die Universität selbst verwahrt sich allerdings gegen solche "Gerüchte" und begründet die Schließung mit einer anstehenden Sanierung. Fest steht: Blättert man die mediale Berichterstattung zu beiden Fällen durch, wird einem schnell schaurig angesichts der Mischung von ehrlicher Empörung und unterschwelliger Pauschalverurteilung.   

 

Wirklich problematisch erscheint mir, dass die TU Berlin ihren ausschließlich für Muslime vorgesehenen Gebetsraum ebenfalls schließt – offenbar ohne dass es einen berichtenswerten Konflikt gab. Auch eine Sanierung steht nicht an. Die Begründung von TU-Präsident Christian Thomsen: Er sei der Meinung, dass Hochschulen und Religion voneinander getrennt sein sollten. Außerdem gebe es mittlerweile ausreichend Gebetshäuser, auf die die Studenten ausweichen könnten. Die Argumentation ist auf den ersten Blick schlüssig, aber auf den zweiten fragt man sich: Warum bitte gerade jetzt? Das Grundgesetz, das von jeher Staat und Religion trennt, hat sich in den vergangenen Monaten nicht geändert. Es drängt sich zumindest der Eindruck auf, als würde hier dem Zeitgeist nach der Kölner Silvesternacht Tribut gezollt. Und wenn es nicht so ist, dann ist das Timing von Thomsens Erkenntnis, es gebe anderswo ausreichend Gebetsmöglichkeiten für muslimische TU-Studenten, zumindest als unglücklich einzustufen. 


In einer Zeit, die durch zunehmende Fremdenfeindlichkeit auf der einen und der religiösen Radikalisierung einiger auf der anderen Seite geprägt ist, brauchen wir nicht weniger Gebetsmöglichkeiten für Muslime (und andere Religionen) im öffentlichen Raum, sondern mehr. Die einen mögen sie zur Absonderung missbrauchen, was dann entsprechend geahndet werden muss. Die anderen aber nutzen sie womöglich als Stätten des gegenseitigen Kennenlernens, der Begegnung. 

 

Genau deshalb habe ich mich gefreut, vergangene Woche eine ganz andere Nachricht zu lesen, ausgerechnet aus Köln. Gegen den Trend eröffnet die dortige Universität einen neuen Raum der Stille. Ein Raum für alle solle das sein, sagt Uni-Sprecher Patrick Honecker. Für den Konfliktfall habe man schon einen Deeskalationsplan in der Schublade, und wenn gar nichts helfe, könne man den Raum ja jederzeit wieder schließen, aber, so Honecker: "Wir sind überzeugt davon, dass es bei uns klappt." Auch die Universität Duisburg-Essen will "im Zuge der Sanierung" einen Raum der Stille für alle schaffen. 

 

Der Berliner TU-Präsident Thomson sagte übrigens, gefragt nach der Kölner Neueröffnung, der Süddeutschen Zeitung, darüber habe man auch nachgedacht, sich aber "erst einmal" aus praktischen Gründen dagegen entschieden: "Wollte man Studierenden aller Konfessionen so ein Angebot machen, müssten wir eine so große Fläche zur Verfügung stellen, wie wir sie schlicht nicht haben. Ich möchte aber nicht völlig ausschließen, dass wir in einigen Jahren einen solchen überkonfessionell nutzbaren Raum an der TU eröffnen."

 

In Köln haben sie auch sechseinhalb Jahre darauf gewartet, genügend Platz zu haben, wie Sprecher Honecker mitteilte. Genau der Optimismus, den seine Universität damit beweist, ist es, von dem wir mehr brauchen im Umgang miteinander. Wer ihn für Blauäugigkeit hält, hat nicht verstanden, dass wir in einer modernen Gesellschaft keine Wahl haben, als an das gute Miteinander zu glauben und dafür einzutreten.  

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Kommentare: 3
  • #1

    Josef König (Dienstag, 08 März 2016 13:12)

    Lieber Jan-Martin,
    ich habe nachgedacht, ob ich überhaupt mich hierzu kritisch äußere - lohnt es sich? Und doch, ja, es ist wesentlich! Denn ich bin völlig konträr zu der hier geäußerten Meinung. Sie zeigt, dass wir in Deutschland noch nicht oder gar nie die Trennung von Kirche und Staat schaffen werden. Dein Text hier ist wieder ein Beispiel dafür - unter dem Deckmantel des Humanismus und der Völkerverständigung.
    Aber schauen wir mal dahinter: Wozu sind Unis da? Sie sind Stätten der Forschung und der Lehre - und seit Mitte der 70er Jahre auch noch des Transfers von Forschung in die Wirtschaft. Mehr nicht! Es ist schon ein Unding, dass dort so genannte Evangelische oder Katholische Studentengemeinschaften gibt ... aber das sind private Vereinigungen, die nicht Teil der Unis sind und nur am Rand ihr Dasein noch fristen.
    Ihren Aufgaben gemäß sind Universitäten und Hochschulen politisch und konfessionell neutral - man könnte hinzufügen "indifferent". Ich würde sogar so weit gehen vorzuschlagen, die komplette Priesterausbildung aus den Universitäten zu lösen und nur noch Theologien/Religionswissenschaft als Aufgabe von Forschung und Lehre bis zu einem MA/Dr. zu erlauben. Die "praktische Priesterausbildung" wäre dann komplett Aufgabe der Bistümer. Aber das scheint mir genauso utopisch, wie der Vorschlag, endlich die Entlohnung von Bischöfen, Kardinälen und anderen höheren kirchlichen "Würden"-Trägern sowie der Einzug von Kirchensteuern aus den Aufgaben des Staates zu lösen.
    Daher begrüße ich die Entscheidung der TU-Berlin - egal, welcher Zeitpunkt gewählt wurde und ob er gerade opportun ist oder nicht ...
    Und schauen wir mal, was wirklich los ist - etwa in der TU Dortmund oder anderswo. Wir haben inzwischen eine vom Christentum fast weitgehend freie oder indifferente Gesellschaft. Die christlichen Kirchen sind lediglich bei Hochzeiten, Taufen und allenfalls Weihnachten ein Ort der Versammlung. Und in den Unis ist der Zulauf zu den nicht-muslimischen Gemeinden rückläufig und "überschaubar", sprich nicht vorhanden. In Bochum ist z.B. das so genannte Kirchenforum, das früher der ESG und der KSG gedient hat, seit 2013 praktisch inexistent "http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2013/pm00278.html.de.
    Wenn wir diese Tatsachen ins Auge schauen, können wir voraussagen, dass die "Räume der Stille" wohl ausschließlich von muslimischen Studierenden genutzt werden und es schon Mühe kosten wird, sie zu beaufsichtigen, ob nicht auch in Köln und anderswo entsprechende "Trennung von Männchen und Weibchen" mit der Benachteiligung der letzten die Regel sind.
    Der Unterschied zwischen uns ist aber nicht das "Praktische", sondern die Frage des Grundsätzlichen. Und meine Antwort ist: Religion als "praktizierter Ritus" und als "Glaubensgrundsatz" ist in unserer säkularisierten Gesellschaft eine private Angelegenheit - und diese Errungenschaft der Aufklärung möchte ich nicht aufgeben! Möge jeder nach seiner Façon da glücklich werden. In der vom Staat weitgehend finanzierten Hochschulen haben Religionen - außer als Gegenstand der Forschung und Lehre (s.o.) - nichts zu suchen.
    Zu guter Letzt: Entspringt Deine Argumentation der Scheu, offen diese säkularisierte Gesellschaft zu verteidigen? Siehst Du nicht die sich zunehmend breit machende Tendenz ihrer "Wieder-Sakralisierung", nun mit muslimischen Vorzeichen? Ich jedenfalls möchte in keiner Theokratischen Gesellschaft leben, egal ob christlich, jüdisch, muslimisch oder schamanistisch!
    In diesem Sinne - herzliche Grüße
    Josef

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 08 März 2016 16:33)

    Lieber Josef,

    vielen Dank für Dein Feedback. Puh - das sind die ganz großen Schlagworte: Theokratie, die säkularisierte Gesellschaft verteidigen etc. Ich verstehe Deine Argumente und glaube, Deine Sorgen nachvollziehen zu können, aber ich teile sie nicht. Nur ein Beispiel: Die Tatsache, dass die Ausbildung evangelischer und katholischer Pfarrer an unseren Universitäten läuft, ist eine große Errungenschaft und ermöglicht eine Theologie, die ganz anders in wissenschaftliche Diskurse eingebunden ist. Genau darum bin ich auch Unterstützer islamischer Theologie-Professuren an deutschen Hochschulen. Wir brauchen Einbindung, wir brauchen die Kommunikation, wir brauchen kein Aufspalten in getrennte Welten. Und diese Position entspricht ganz sicher keiner Scheu, sondern im Gegenteil: Das ist meine Überzeugung – auch wenn eine solche Position schon mal populärer war als heute. :)

    Herzliche Grüße,
    Jan-Martin

  • #3

    Josef König (Dienstag, 08 März 2016 17:26)

    Lieber Jan-Martin,
    inwiefern ist es eine Errungenschaft, wenn für jede Professur in der Katholischen Theologie das nihil obstat vom Papst in Rom ausgesprochen werden muss, oder dass die Besetzung einer Evangelischen Theologie-Professur von der zuständigen Landeskirche genehmigt werden muss - also beide Theologien nicht berufen dürfen, wen sie wollen (ich habe beide Fälle erlebt) - diese Frage wäre zu stellen!. Und wie kommt es, dass der erste islamische Prof in Münster an den islamischen Verbänden gescheitert ist, weil er ihnen nicht genehm war?
    Du sprichst von Einbindung und Kommunikation - das verstehe ich sehr gut und bin auch dafür - in der Gesellschaft. Es ist aber nicht die Aufgabe der Universitäten! So bleibt meine Frage unbeantwortet, ob man nicht doch auf die Trennung von Kirche und Staat pochen solle?
    Schließlich kann man die Angelegenheit aus einer umgekehrten Perspektive betrachten: Ist diese Öffnung zur "Kommunikation und Einbindung" nicht auch die Einladung zur "Unterwanderung" (die die katholische und evangelische Kirchen bereits erfolgreich vollzogen haben) ... aber da wirst Du mir vermutlich den "Verschwörungstheoretiker" vorwerfen ;-)

    Bester Gruß
    Josef