Wenn es ein Wettbüro für Wissenschaftspolitik gäbe, herrschte dort gerade Hochsaison: Morgen Nachmittag werden Kanzlerin und Ministerpräsidenten über die Zukunft der Exzellenzinitiative,
neudeutsch: ExStra, abstimmen. Als einer von zahlreichen Programmpunkten. Normalerweise Routine, hatten doch die Wissenschaftsminister in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) die Sache
längst eingetütet. Doch seit Hamburg die Stimme zum Widerspruch erhoben hat, ist alles anders.
Die Realität gut 24 Stunden vor der Entscheidung: Wir wissen nicht, was passieren wird. Zu unberechenbar hat sich Hamburgs Erster Bürgermeister in den vergangenen Wochen verhalten, hat lange
keinem Kompromissangebot zugestimmt. Doch die Chancen auf eine Einigung in letzter Minute sind in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Allenthalben wird von einer Verständigung gemunkelt, von
neuen Vorschlägen aus Hamburg und von Seiten der Bundesregierung. Es scheint sich um mehr zu handeln als den erwartbaren Zweckoptimismus einiger Wissenschaftsminister.
Natürlich habe ich mich bemüht, die mir vorliegenden Berichte wie gewohnt von mehreren Seiten bestätigt zu bekommen, doch gelungen ist mir das nicht. Aus einem einfach Grund:
Selbst unter vielen Staatssekretären und Wissenschaftsministern gibt es mittlerweile eine gewisse Verwirrung, welche Idee gerade von wem mit wem wo diskutiert
wird.
Aus der Wissenschaftsbehörde von Senatorin Katharina Fegebank wird lediglich bestätigt, dass es intensive Verhandlungen gebe und dass alle Beteiligten ein großes Interesse an einer
Verständigung hätten. Was man halt so sagt, wenn man nichts sagt.
Vergangene Nacht ist Angela Merkel aus China nach Deutschland zurückgekehrt. Ich gehe mal davon aus, dass sie sich in Fernost nicht vorrangig mit der Exzellenzstrategie beschäftigt hat. Des
Weiteren gehe ich davon aus, dass sie heute auf ihrem Schreibtisch einen Vorschlag findet, den ihre Beamten ausgearbeitet haben in Abstimmung mit dem Ministerium von
Forschungsministerin Johanna Wanka (die übrigens mit in China war). Vielleicht hat die Kanzlerin im Laufe des Tages die Gelegenheit, einen Blick darauf zu werfen. Womöglich ist sie
einverstanden. Und womöglich werden es die anderen 15 Ministerpräsidenten neben Olaf Scholz morgen auch sein. Dann wäre die Sache ausgestanden.
Ziemlich viele Vielleichts, ungesicherte Annahmen und nicht zwingende Schlussfolgerungen? Stimmt. Zumal denkbar ist, dass einzelne Kollegen von Scholz angesichts der Hamburger Sondernummer zum
Trotz neigen. Die Ministerpräsidentin eines kleinen Bundeslandes ganz im Westen soll das, als sie in den vergangenen Tagen von einem neuen Lösungsvorschlag hörte, bereits getan haben.
Trotzdem beziffere ich die Wahrscheinlichkeit, dass morgen ein "Go" kommt, auf 80 Prozent. Eventuell muss dann die GWK nochmal ran, um die Details zu regeln. Ebenso vermute ich, dass der
Kompromiss am Ende so ausfallen wird, dass alle den Kopf schütteln und sagen werden: "Das ist alles?"
Aber wie gesagt: Wir wissen nicht, was passieren wird. Nicht solange ein so gewiefter Taktiker wie Olaf Scholz mit am Tisch sitzt. Und auch wenn ich ihn und seine Wissenschaftssenatorin in
den vergangenen Wochen für ihre Verhandlungsführung kritisiert habe, möchte ich heute am Ende was Nettes sagen: Hamburg ist es zu verdanken, dass an Hochschulen und
Wissenschaftseinrichtungen noch ein bisschen mehr und ein bisschen gründlicher über die ExStra diskutiert wurde. Dass es nochmal spannend geworden ist in der manchmal so umemotional
daherkommenden Wissenschaftspolitik. Genau das hatte ich vor der GWK-Entscheidung, wo die Diskussion eigentlich hingehört hätte, vermisst. Jetzt allerdings würde ich den Hamburgern herzlich
danken, wenn sie es wieder gut sein ließen.
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Schmitz (Mittwoch, 15 Juni 2016 10:19)
Und dann ist da immer noch das Problem das der Wissenschaftsrat und seine Geschäftsstelle nicht rechtsfähig sind. So argumentiert der Wissenschaftsrat (unter Vorlage entsprechender Gutachten) jedenfalls vor Gericht und weist jede Verantwortlichkeit für geschlossene Verträge / Arbeitsverträge ab.
Die Exzellenzstrategie sieht für den nicht rechtsfähigen Wissenschaftsrat die (alleinige) Aufgabe Auswahl der Exzellenzuniversitäten vor. Die DFG soll in der "Vorstufe" (ebenfalls allein) für die Auswahl der Exzellenzcluster verantwortlich sein. Es kann also in diesem Fall nicht nur von einer beratenden Funktion des Wissenschaftsrates / Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates die Rede sein.
Darüber hinaus handelt der Wissenschaftsrat durch seine (ebenfalls nicht rechtsfähige) Geschäftsstelle schon jetzt durch die Organisation der laufenden Exzellenzinitiative. Bei dem angestrebten Beschluss, dürfte es sich damit um einen "gemeinschaftlichen Bruch" des Grundgesetzes handeln.
Dazu vielleicht noch eine ganz simple Frage: Wie kann eine nicht rechtsfähige "Konstruktion" gültige Arbeitsverträge für ihr Personal schliessen... und weiter gedacht: Welche Bestandskraft hat dann eine Entscheidung für die Vergabe von rd. 500 Mio € an Universitäten, wenn die nicht erfolgreichen Bewerber die Entscheidung rechtlich überprüfen lassen?
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 05:42)
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