Am Tag nach der "ExStra"-Entscheidung läuft der Wettstreit um die Deutungshoheit. Ist Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) der strahlende Sieger, als der er sich jetzt gibt? Hat
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) Recht, wenn sie betont, ihre Verhandlungsziele seien im Kern sogar noch gestärkt worden? Und was ist davon zu halten, wenn die grüne
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank verkündet, die gestern vereinbarte Vereinbarung trage dem "Anliegen Hamburgs für mehr Dynamik im Wissenschaftssystem Rechnung"?
Ich möchte mich heute bewusst nicht zur Gesamt-Architektur der neuen "Exzellenz-Strategie" äußern, das mache ich in meinem Kommentar für den ZEITChancen Brief, der am Montag erscheinen wird. Ich
möchte mich heute auf die Implikationen für die beteiligten Politiker konzentrieren.
Beginnen wir mit Olaf Scholz. Unabhängig von dem konkreten Ergebnis, das er am Ende erreicht hat: Seinen Ruf als gewiefter Taktiker hat er bestätigt. Er hat nicht nur die gesamte Riege der
Wissenschaftsminister aus Bund und Ländern zu Zuschauern degradiert, die bei den Verhandlungen um ihr Zuständigkeitsgebiet bestenfalls noch als Einflüsterer ihrer Chefs und Chefinnen gefragt
waren; er hat auch durch geschicktes Zuwarten seine Kollegen und sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel unter so großen Zugzwang gesetzt, dass sie am Ende die Konstruktivität gezeigt haben, die
Scholz selbst mal wieder abging. Macht ihn das sympathischer? Sagen Sie selbst.
Erst recht, wenn man sich die Kosten anschaut. Und zwar nicht die für Scholz persönlich, sondern für seine Wissenschaftssenatorin. Katharina Fegebank beteuert zwar weiter, sie sei von Anfang an gegen die beschlossene Verwaltungsvereinbarung gewesen, doch tatsächlich hat sie sich bei der GWK-Abstimmung am 22. April lediglich enthalten. Schon das nach Darstellung vieler ihrer Ministerkollegen ohne jede Vorwarnung in den Tagen und Wochen zuvor. Und noch krasser: Unter den Mitgliedern der GWK herrscht Frust, zum Teil sogar regelrechte Empörung über Fegebanks Aussagen, sie habe sich von Anfang an in den Verhandlungsrunden für mehr Dynamik stark gemacht. Das sei einfach nicht wahr, heißt es. Selbst Leute, die ihr nahestehen, bestätigen mittlerweile, dass sie sich doch arg habe verbiegen müssen.
Gehen wir mal davon aus, dass all diese Stimmen Recht haben: Es ist lange her, dass ein Wissenschaftsminister oder eine Wissenschaftsministerin so zurückgepfiffen worden ist – und das sogar noch
von einem Regierungschef, der nicht einmal derselben Partei angehört. Der Reputationsverlust Fegebanks ist nicht antiproportional zu Scholz' Zugewinn, er ist weitaus größer und wird Hamburgs
Stimme im Konzert der Bundesländer auf absehbare Zeit schwächen. Ist das gut für Hamburgs Wissenschaft?
Eine rhetorische Frage, ja, ja. Aber berechtigt, weil die Hamburger es paradoxerweise als einen Sieg der Länder über den Bund feiern, dass die Verwaltungsvereinbarung gegen den Wunsch Wankas
wieder aufgeschnürt werden solle (was andere Länder übrigens bestreiten, sprich: gar nicht wollen, sondern sagen, es gehe auch, ohne nochmal an die Verwaltungsvereinbarung zu
gehen).
Und was bedeutet das gestrige Ergebnis für Bundesforschungsministerin Wanka? Zunächst einmal ist es denkbar, dass die Hamburger ein paar Pressekollegen davon überzeugen könnten, sie hätten
richtig was rausgeholt angesichts einer Ministerin, die sich strikt jeder Veränderung verweigert habe. Aber nur bis man sich das Verhandlungsergebnis genau anschaut (dazu wie gesagt am Montag
mehr). Tatsächlich wird Wanka meines Erachtens eher profitieren, weil sich selbst viele SPD-Wissenschaftsminister in dem Streit der vergangenen Woche auf ihre Seite geschlagen haben,
kopfschüttelnd über die Verhandlungsmethoden der Hamburger. Was wiederum paradox ist, weil dieselben Minister Fegebanks Einwänden inhaltlich sogar etwas abgewinnen konnten.
Richtig gerupft ausgesehen hätte Wanka also möglicherweise, wenn die Hamburger vor dem GWK-Beschluss eine Mehrheit für ihr Verständnis von "mehr Dynamik" organisiert hätten.
Jetzt aber steht Wanka da als die Aufrechte, die sich und dem gemeinsam verhandelten Ergebnis treu geblieben ist, trotz all der Kompromisse, die sie darin wie alle anderen auch hat
schlucken müssen.
Am Ende noch ein hoffnungsfroher Gedanke. Schaut man sich das an, was Olaf Scholz den anderen Ländern und dem Bund abgetrotzt hat, kann man mit Recht fragen: Und dafür der ganze Aufstand? Lautet
die Antwort ja, dann hätten wir hier ein geradezu idealtypisches Beispiel von politischem Zynismus erlebt nach dem Motto: Man versucht den anderen vorzuführen, einfach weil man es kann. Lautet
die Antwort nein, also: Nein, der ganze Aufstand war nicht nur dafür, folgt die zweite Frage auf dem Fuß: Wofür denn aber dann? Die Antwort: Möglicherweise war die Exzellenzinitiative gestern in
den Gesprächen zwischen Bund und Ländern, zwischen Scholz und Merkel, Verfügungsmasse für etwas ganz Anderes, etwas viel Grundsätzlicheres. Für die Zukunft der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zum
Beispiel. Für die gemeinsame Integration der Geflüchteten.
Ich habe keinen Beweis, dass das so war. Aber ich hoffe es. Denn dann wäre das ganze Gezerre des gestrigen Tages doch noch für etwas gut gewesen.
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