Die Zahl der Studenten, die einen Studienkredit beantragt, geht zurück. Vergangene Woche habe ich das kommentiert und angemerkt, dass es Darlehen für Autos oder die
Wohnungseinrichtung für deutlich geringere Zinssätze gibt, als wenn ich damit mein Studium finanzieren möchte. Was ich für absurd und falsch halte. Mein Kommentar war Anlass für Ulrich Müller vom
Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), eine Replik zu verfassen. Im ZEITChancen Brief von heute schrieb Peter-André Alt von seiner jüngst erlangten Erkenntnis, dass Meinungsäußerungen, die mit
Zustimmung begönnen, mit Kritik endeten. Bei Herrn Müller ist es genau umgekehrt.
Zinspolitik – eine Entgegnung
Von Ulrich Müller
Ist man „ziemlich dämlich“ oder muss man „in einer extremen Notlage“ sein, wenn man einen Studienkredit nutzt? Sind diese Darlehen tatsächlich – im Vergleich zu anderen Kreditanlässen – durch
„überhöhte Zinsen“ gekennzeichnet? Jan-Martin Wiarda macht es sich in seinem Standpunkt zu einfach. Er vergleicht Äpfel mit Birnen, wenn er den Zinssatz des DKB-Studienkredits dem deutlich
niedrigeren Zinssatz eines Konsum- bzw. Immobilienkredits aus gleichem Hause gegenüberstellt.
Wiarda lässt die Besonderheiten von Studienkrediten außer Acht: Bei einem Studienkredit erfolgt die Auszahlung nicht auf einen Schlag, sondern aufwendiger über Monate und Jahre gestreckt. Nach
dem Studienabschluss wird den Absolventen eine Verschnaufpause gewährt, damit sie in Ruhe einen adäquaten Job suchen können, bevor die Rückzahlung startet. Das führt natürlich zu spezifischen
Konditionen. Und selbstverständlich berücksichtigen Banken, dass der Kredit nicht für ein konkretes Gut verwendet, sondern in eine nicht immer ganz planbare Karriere investiert wird. Bei einem
darlehensfinanzierten Auto- oder Hauskauf kann die Bank im Zweifelsfall noch die finanzierten Objekte pfänden. Dieser Gegenwert ist bei einem Studienkredit nicht greifbar. (Und beileibe nicht
jeder, der einen Studienkredit in Anspruch nimmt, erreicht auch wirklich einen Studienabschluss.)
Dass eine Bank für unterschiedliche Zielgruppen und Kreditanlässe auch unterschiedliche Zinssätze anbietet, ist insofern nicht erstaunlich. Dass Studierenden nicht automatisch der günstigste
offeriert wird, dürfte eigentlich ebenfalls kaum Verwunderung hervorrufen.
Erklärungsbedürftig ist ein ganz anderer Punkt: Warum unterscheiden sich drei Angebote, die sämtlich staatlich initiiert sind und sich an die gleiche Zielgruppe richten, so fundamental
voneinander? Der Darlehensteil des BAföG ist zinslos: 0,00 %. Bei dem Bildungskredit des Bundesverwaltungsamtes fallen niedrige 0,87 % (effektiv) an. Der KfW-Studienkredit weist dagegen einen
Effektivzinssatz von 4,16 % auf. Das verstehe, wer will.
An diesem Punkt hat Wiarda recht: Der Staat muss hier mehr Verantwortung wahrnehmen. Dabei geht es auch, aber nicht nur darum, Studienkredite „abzusichern und zu verbilligen“. Der Bund sollte das
im Wesentlichen von ihm gestaltete System der Studienfinanzierung insgesamt neu denken. Derzeit ist es zersplittert, unflexibel und ineffektiv. Deutschland braucht ein zeitgemäßes, das heißt der
studentischen Heterogenität gerecht werdendes Gesamtmodell staatlicher Studienfinanzierung. Eine „Bundesstudienförderung“ sollte transparent und flexibel BAföG und Co. unter einem Dach
zusammenbringen. Ein unentbehrlicher Baustein dabei wäre ein staatlich subventionierter Darlehensteil, mit dem Studierende bei Bedarf ihr Budget aufstocken können. Gegen einen Zinssatz von 0,87 %
würde da wohl kaum jemand protestieren.
Die Replik auf meinen Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.
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Thomas (Mittwoch, 03 August 2016 12:26)
Ein sehr interessanter bzw. informativer Artikel. Durchlesen lohnt sich.