Roberto Verzo: "Teacher", CC BY-ND-NC 2.0
Am 07. November habe ich im ZEITChancen Brief geschrieben, die gegenwärtige Debatte über Unterrichtsqualität habe alles mit der Qualität der Lehrer und viel mit dem gegenwärtigen Mangel an qualifizierten Lehrern zu tun. Deshalb sei es höchste Zeit, nochmal über die Lehrerbildung nachzudenken und über die Einführung eines polyvalenten Bachelors als Regeleinstieg ins Lehramtsstudium. Daraufhin haben sich gleich zwei Experten die Mühe gemacht, eine Replik zu schreiben: der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz (KMK), Udo Michallik, und die Bildungshistorikerin Corinna Maria Dartenne. Beide Antworten sind äußerst gut argumentiert und führen diese Debatte weiter. Über weitere Kommentare, gern am Ende dieses Beitrags, freue ich mich.
Bitte nicht nach Arbeitsmarktlage entscheiden!
Von Udo Michallik
„Die Debatte über Unterrichtsqualität hat alles mit der Qualität der Lehrer und viel mit dem gegenwärtigen Mangel an qualifizierten Lehrern zu tun. Höchste Zeit, nochmal über die Lehrerbildung nachzudenken. Und ja: über Reformen“, so der Standpunkt von Jan-Martin Wiarda. Ich habe da auch einen. Nur, der hat nichts mit einfachen Lösungen zu tun.
Zunächst sollten wir quantitative Herausforderungen von den qualitativen trennen.
Quantitative Herausforderung: In der nahen Zukunft wird es in der Tat in einigen Bundesländern (vor allem im Osten der Republik) einen größeren Lehrerbedarf geben. In vielen Ländern werden durch Kapazitätsbeschränkungen sowohl in der ersten Phase als auch in der zweiten Phase der Lehrerausbildung weniger Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, als in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen.
Qualitative Herausforderung: Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern sollte eigentlich den Umschwung bringen. Ziel war es, die lehrerbildenden Hochschulen spürbar zu bewegen, der Lehrerbildung in ihren Einrichtungen einen angemessenen Stellenwert einzuräumen. Fortlaufend – sowohl von der Wirtschaft als auch von den Hochschulen – das Lamento über die immer schlechter werdenden Leistungen der Abiturientinnen und Abiturienten zu transportieren, führt mich im Sinne von Wiardas Argumentation auf die Frage zurück: Hochschulen, was tut Ihr für eine exzellente Lehrerausbildung? Oder, um sinngemäß den Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, Manfred Prenzel, zu zitieren: Es ist im elementaren Interesse einer Hochschule, eine exzellente Lehrerbildung mit all ihren Spezifika vorzuhalten, denn diese neuen Lehrerinnen und Lehrer bilden die Studierenden von morgen aus.
Und zuletzt: Meiner Meinung nach sollten wir kein Bild prägen, in dem junge Menschen nach Arbeitsmarktlage für sich entscheiden, ob sie Lehrer werden oder nicht. Lehrer sein ist nicht nur ein Beruf, sondern vor allem eine Berufung. Das mag altbacken klingen, aber die besten Lehrer haben in diesem Sinne ihren Beruf angenommen.
Polyvalenz: ja. Aber anders.
Von Corinna Maria Dartenne
Wiardas Artikel greift zu kurz, die Schlussfolgerung ist falsch. Eine Abschlusspolyvalenz (Bachelor Lehramt mit Option für Masterstudiengänge ohne Lehramt als Ziel): Ja, ein zweijähriges Masterstudium als einzige Lehramtsoption und damit eine Semi-Professionalisierung: Nein.
Wiardas Argumentation ist eine rein am Output orientierte: Aus dem jetzt wieder vorhandenen LehrerInnenmangel die Forderung nach einer Polyvalenz im Bachelor und damit eine Verkürzung der professionellen Ausbildung zu fordern, ist falsch und unlogisch.
Warum schaffen wir dann nicht auch polyvalente Medizin- und Jura- Bachelorstudiengänge? Gleichwohl scheint jedem schnell einzuleuchten, dass Medizin und Jura schon im Bachelor als Kernelemente studiert werden müssen, um die notwendigen professionellen Kenntnisse zu erlangen. Während wir hochqualifizierte FachärztInnen für unsere Kinder erwarten, wären wir laut Wiarda aber plötzlich bereit, LehrerInnen mit nur einem zweijährigen auf ihren Beruf ausgerichteten Studium (plus Referendariat) zuzulassen? Nein, ganz im Gegenteil: Die Bachelorstudiengänge müssten noch viel stärker auf die beruflich notwendigen Kompetenzen ausgerichtet werden, damit am Ende einer exzellenten Ausbildung sehr gute LehrerInnen in die Schulen kommen.
Folgende weitere Annahmen scheinen Wiardas Vorschlag zugrunde zu liegen und sind meines Erachtens nicht richtig:
1. Erstsemester kommen direkt aus der Schule: Kennt Herr Wiarda eine aktuelle Verbleibstudie für AbiturientInnen? Meine Erfahrung zeigt, dass viele AbiturientInnen ein FSJ oder Work & Travel etc. erleben wollen, bevor sie sich für ein Lehramtsstudium interessieren. Gleichzeitig gibt es viele Studierende, für die das Lehramtsstudium ein Zweitstudium darstellt.
2. Praktika sind per se für eine Berufseignung sinnvoll: Praktika für angehende LehrerInnen sollten hervorragend wissenschaftlich vor- und nachbereitet und sogar begleitet werden. Nur dann kann das Berufsfeld verstanden werden. Im Rahmen eines polyvalenten Bachelors stünden dafür aber keine Lehrkräfte zur Verfügung, denn der Bachelor soll ja gerade nicht lehramtsspezifisch sein. Ein Praktikum ohne Begleitung führt - je nach Schule, MentorIn und Klasse - zu einem "Herantasten" mit Zufallsantwort. Zu einer "qualifizierten" Antwort, ob man LehrerIn werden möchte, führt es sicher nicht.
Übrigens: Die Akademikerzyklen – Überfüllung und Mangel in den Lehramtskarrieren – sind schon lange von der QUAKRI-Forschergruppe beschrieben (unter anderem an der Leuphana Universität Lüneburg). Der jetzige LehrerInnenmangel wurde sogar vorhergesehen (bei aller Vorsicht, die wir BildungshistorikerInnen hinsichtlich Prognosen üben). BildungspolitikerInnen nehmen diese Forschungsergebnisse nur leider nicht wahr, und umgekehrt weigern sich die meisten ForscherInnen, ihre Ergebnisse ins Kultusministerium zu tragen. Sonst hätte die LehrerInnenkarriere schon längst flexibilisiert werden können. Noch einmal: Eine Abschlusspolyvalenz: Ja. Ein zweijähriges Masterstudium als einzige Lehramtsoption: Nein.
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Klaus Diepold (Donnerstag, 17 November 2016 11:56)
Als Kommentar zum Beitrag von Herrn Michallik.
In anderen Ländern gibt es sehr wohl einen polyvalenten Einstieg ins Medzinstudium. Das geht und ist am Ende auch nicht schlechter.
Darüberhinaus denke ich, dass eine derartig dogmatisch erscheinende Haltung zum Thema Lehrerbildung wenig Raum lässt über neue Wege nachzudenken oder zu diskutieren.
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 06:30)
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