Die Kultusminister haben gestern den geplanten Staatsvertrag zur Reform des Akkreditierungssystems beschlossen. Dies hat die Kultusministerkonferenz offiziell mitgeteilt. Wie erwartet, haben alle Länder bis auf Mecklenburg-Vorpommern (MV) zugestimmt, MV selbst hat sich wie angekündigt enthalten und damit den Weg zur Einigung freigemacht. Die Ministerpräsidenten sollen den Staatsvertrag im Frühjahr unterzeichnen. Bis dahin wollen sich die Länder auf eine so genannte Musterverordnung zur Durchführung verständigen. Gelingt dies nicht, müsste jedes Land seine eigene Verordnung aufstellen.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) lobte den Beschluss, warnte jedoch vorsichtshalber schon mal vor "Kleinteiligkeit" und "landesspezifischen Sonderregelungen". Es brauche "die nötigen
Freiheitsgrade für die Hochschulen."
Die Professorengewerkschaft DHV reagierte verärgert auf den KMK-Beschluss. Er sei "eine herbe Enttäuschung" und "ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die auf einen Befreiungsschlag gehofft
hatten", sagte Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Kempen bezog sich damit auf verschiedene Aufrufe und Petitionen, die die Politik aufgefordert hatten, die externe Qualitätssicherung
abzuschaffen. Die Kultusminister, sagte Kempen, begingen einen schweren Fehler und sollten ihren Beschluss revidieren.
Fast schon skurril mutet die Bestrafung an, die sich der DHV für die Politiker ausgedacht hat: Aus Protest gegen die Entscheidung werde man dieses Jahr die Abstimmung zur "Minister/in des
Jahres ausfallen lassen. Eine Abstimmung sei den Verbandsmitgliedern nicht zumutbar, sagte Kempen. Das "Weiter so" der Akkreditierungspolitik zeige, wie wenig die Wissenschaftsminister eine gute
Politik im Sinne der Wissenschaftler betreibe.
Schrille Töne – wobei die Wissenschaftsminister es verschmerzen werden. Denn auch wenn die Lösung Fragen offen lässt: Angesichts des Hickhacks der vergangenen Monate ist die Verabschiedung des
Staatsvertrags als Befreiungsschlag der KMK zu werten – und ganz speziell für das Sitzland des Akkreditierungsrats Nordrhein-Westfalen, das durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Anfang des Jahres am stärksten unter Druck geraten war. Alle Einzelheiten zur Einigung und den möglichen Auswirkungen habe ich bereits vergangene Woche beschrieben.
Nachtrag am 12. Dezember:
Gerade hat der DHV per Akklamation Mathias Brodkorb zur "Wissenschaftsminister des Jahres" erklärt. Brodkorb, der bis Oktober 2016 Bildungsminister
in Mecklenburg-Vorpommern war, habe sich als "einzige Stimme der Vernunft... beharrlich und vehement gegen den anhaltenden Akkreditierungsirrsinn gestemmt." PR-technisch ein schlauer Schachzug,
sollte man denken, und auch konsequent aus Sicht des DHV. Einerseits. Andererseits mag Bernhard Kempen die inhärente Ironie seines jüngsten Schachzuges entgangen sein. Er wirft den
Kultusministern vor, die Wissenschaftler nicht ausreichend an der Qualitätssicherung zu beteiligen, und wandelt im selben Atemzug eine basidemokratische Mitgliederbefragung (das war das
Ministerranking bislang) in ein Dekret von oben um. Kein weiterer Kommentar nötig.
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tutnichtszursache (Sonntag, 11 Dezember 2016 21:50)
Der DHV verzichtet dieses Jahr also "aus Protest" auf sein Minister-Ranking. Donnerwetter! Na wenn die MinisterInnen das vorher gewusst hätten...
Schon seit langem rächt sich, dass der DHV weder willens noch in der Lage ist, realitätstaugliche hochschulpolitische Positionen zu entwickeln. Stattdessen wählte er die Selbstverzwergung dahingehend, ausschließlich die individuellen Freiheitsrechte seiner Mitglieder zu verteidigen. Zur wirklich spannenden Aufgabe, auf Basis dieser Freiheitsrechte gleichwohl programmatische Arbeit zu leisten, kann sich der Verband anscheinend nicht durchringen. Nun denn, das Serviceangebot für die Mitglieder ist gut, die Mitgliedszahlen scheinen zu stimmen. Nur eben fehlt es an einer hochschulpolitischen Stimme der Universitätsprofessoren (das permanente anti-alles-Geschrei zählt hierfür nicht).
Michael Baumann (Montag, 12 Dezember 2016 11:19)
So wie der DHV es sieht, höre ich es auch oft von Professoren: sie glauben, Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz gewähre ihnen Freiheit von sämtlicher Berechenbarkeit und Rechenschaft sowie Freiheit zu allem, was ihnen gerade im Hinblick auf Forschung und Lehre einfällt - steht ja so (ähnlich) da. Eine seltsam kurzsichtige Interpretation von den Fachleuten des Lehrens.
tutnichtszursache (Montag, 12 Dezember 2016 14:13)
ja, hier nimmt der DHV durch seine jahrzehntelange Agitation billigend in Kauf, dass sich unter den Professoren fake news über den realen Gehalt von 5 (3) verbreiten (der DHV selbst ist natürlich zu klug, um evidente Falschinformationen zu verbreiten). Wenn dann einmal ein Dekan o.ä. den Mumm hat, gegen Minderleister oder Kooperationsverweigerer unter den Professoren vorzugehen und die Sache vor dem Verwaltungsgericht landet, kommt dieses oft zum Schluss, der Professor "überschätze seine Position".
Aus den diversen Verfassungsgerichtsurteilen geht ja klar hervor, dass die individuell starke Freiheitsposition der Professoren zugleich mit einer Pflicht zur gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung an Hochschule und Fakultät, etwa bei der Durchführung von Studiengängen, verbunden ist. Der DHV stellt halt immer nur Teil 1 heraus und lässt Teil 2 unter den Tisch fallen.