Die Länder gönnen sich eine Atempause in der Forschungsfinanzierung. 2020 müssen sie wieder ran, sonst droht eine gefährliche Schieflage.
Heute möchte ich mit einer Matheaufgabe starten, Prozentrechnung: Wenn ich 50 Prozent Ihres Gehaltes zahle und Sie jedes Jahr eine Gehaltserhöhung von 3 Prozent bekommen, die ich allein finanzieren muss, welchen Anteil Ihres Gehalts zahle ich in fünf Jahren? Das Ergebnis: Knapp 57 Prozent.
Die nächste Frage: Werde ich nach fünf Jahren noch damit einverstanden sein, jede Dienstanweisung, die ich Ihnen gebe, gleichberechtigt mit Ihrem zweiten Chef abzustimmen, der nicht mal mehr 44 Prozent Ihres Gehalts überweist? Eben.
Fifty-fifty, so waren bis Ende 2015 auch die Finanzierungsschlüssel bei der Max-Planck-Gesellschaft und (mit einigen Abweichungen) bei der Leibniz-Gemeinschaft. 50 Prozent Bund, 50 Prozent Länder. Bei Helmholtz zahlte der Bund 90 Prozent, bei der Fraunhofer-Gesellschaft ebenfalls, wobei letztere nur ein knappes Drittel der Einnahmen überhaupt vom Staat grundfinanziert bekommt.
Von 2016 bis 2020 nun übernimmt der Bund allein das jährliche Plus, so dass er bei Helmholtz und Fraunhofer am Ende auf gut 91 Prozent kommt. Vernachlässigbar. Nicht so, siehe oben, bei Leibniz und Max Planck. Was übrigens auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gilt – bis 2015 erhielt sie 58 Prozent ihrer Mittel vom Bund.
Als die vier außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG im Dezember das zehnjährige Jubiläum des so genannten Pakts für Forschung und Innovation feierten, der ihnen seit 2006 die festen Zuwächse garantiert, kündigte Leibniz-Chef Matthias Kleiner an: In 2017 werde man sehr dezidiert in die Verhandlungen mit Bund und Ländern einsteigen, wie es dann nach 2020 weitergeht.
Alle wissen: Nochmal fünf Jahre können die Länder nicht aussetzen. Sonst steht die über Jahrzehnte mühevoll austarierte Machtarchitektur in unserem Forschungssystem auf dem Spiel. Wenn der Bund es auf die Spitze triebe, könnte er sogar von den Ländern verlangen, ihren Anteil erstmal wieder aufs Ursprungsniveau aufzustocken, bevor man erneut im Geschäft ist.
Was er hoffentlich nicht tun wird. Sonst wird es erst so richtig teuer für die Länder: Ein Prozent der jährlichen Paktfinanzierung entspricht im Jahr 2020 über 100 Millionen Euro. Und schon die zwei Prozentpunkte, die die Länder 2014 auf die DFG-Overheadpauschalen drauflegen sollten, hätten um ein Haar zu deren kompletter Abschaffung geführt. Dabei kostete das die Länder keine Milliardenbeträge, sondern nur rund 40 Millionen im Jahr.
Alles nur trockene Zahlenspiele? Von wegen. Es geht um die Zukunft eines wissenschaftspolitisch einzigartigen Paktes. Es geht um die Unabhängigkeit von Wissenschaft, die gerade in der
Ausgewogenheit ihrer Finanzierung besteht. Es geht darum, die Arbeitsteilung der Forschungsorganisationen zwischen Grundlagenforschung und programmatischem Anspruch zu bewahren.
Dieser Kommentar erschien heute in leicht gekürzter Fassung zuerst im ZEITChancen Brief.
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Dr. Christiane Gaehtgens (Dienstag, 17 Januar 2017 12:55)
Lieber Herr Wiarda, glauben Sie mit all Ihrer Erfahrung wirklich, dass die Durchsetzung landespolitischer Interessen - oft eher von strukturpolitischen Notwendigkeiten als von wissenschaftlicher Qualität motiviert - die Unabhängigkeit der Wissenschaft garantiert? Das geschieht doch eher durch wissenschaftsgeleitete Verfahren bei der Entscheidung über Prioritäten und Projekte. Anliegen der Politik an die Wissenschaft, gleich ob von Bund oder Ländern, sind legitim, denn die Autonomie der Wissenschaft und ihrer Insitutionen ist eingebunden in die Gesellschaft, die sie trägt. Aber ihre Unabhängigkeit gewinnt die Wissenschaft nicht durch Einflussnahme von Ländern und Bund, wie immer ausgewogen, sondern indem sie sich innerhalb des grundgesetzlichen Rahmens verantwortungsvoll selbst organisiert.
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 06:41)
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