Der Wissenschaftsrat hat die Hohenheimer Agrarökonomin Martina Brockmeier zu seiner neuen Vorsitzenden gewählt.
DIE AGRARÖKONOMIN Martina Brockmeier, 55, ist heute Morgen zur neuen Vorsitzenden des Wissenschaftsrates (WR) gewählt worden. Der Wissenschaftsrat ist das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern und vereint Wissenschaftler, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Politik. Am Mittwoch war Brockmeier in der Wissenschaftlichen Kommission des WR, der sie bislang vorstand, einstimmig für die Wahl nominiert worden. Am Montag wird der bisherige Vorsitzende, der Bildungsforscher Manfred Prenzel, seine Nachfolgerin offiziell vorstellen. Prenzel selbst wird den WR satzungsgemäß nach sechs Jahren verlassen. Brockmeier sprach direkt nach ihrer Wahl von „einer freudigen Begeisterung“. Sie werde die Positionen des WR versöhnlich im Ton und unnachgiebig in der Sache in die Öffentlichkeit tragen.
Die Expertin für internationalen Agrarhandel und Welternährungswirtschaft hat eine Professur an der Universität Hohenheim, und obwohl sie sich seit vielen Jahren wissenschaftspolitisch engagiert,
ist sie einem breiteren Publikum bislang eher unbekannt. Sie hat ihr Fach acht Jahre lang im zuständigen Fachkollegium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vertreten, seit 2014 sitzt sie im
Wissenschaftsrat, seit vergangenem Jahr leitet sie die Wissenschaftliche Kommission. Offiziell wird Brockmeier ihr neues Amt am 1. Februar antreten.
Ein Thema, das sie seit vielen Jahren begleitet, ist die Frage, wie sich die Qualität wissenschaftlicher Leistungen sinnvoll messen lässt. Von 2001 bis 2009 war sie Mitglied im
Senatsausschuss Evaluierung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Begutachtungswesen ist auch Gegenstand eines Positionspapiers, das dem Wissenschaftsrat im Herbst vorgelegt werden soll. Ein Papier, das
Brockmeier zufolge „bewusst den Blick weiten soll, weg von dem häufig zu vernehmende Gejammer, wir seien nur noch mit Gutachten- und Anträgeschreiben beschäftigt, hin zu Fragen der Qualität und
Funktion von Begutachtungen“. Die neue WR-Vorsitzende beobachtet ein interessantes Paradoxon: Auf der einen Seite forderten alle kürzere und effizientere Begutachtungen, auf er anderen Seite
wolle keiner eine Vereinfachung bei den Kriterien. Tatsächlich, glaubt Brockmeier, sei nicht die Menge der Begutachtungen das Problem, sondern dass die immer gleichen Aktiven an ihrer Entstehung
beteiligt seien. „Wir müssen sehen, wie wir mehr Wissenschaftler einbeziehen, und ganz besonders, wie wir mehr junge Kolleginnen und Kollegen dazu befähigen, bei Begutachtungen mitzuwirken.“
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In ihrer neuen Funktion wird Brockmeier auch den Vorsitz des Expertengremiums zur Exzellenzstrategie übernehmen, den sich der WR mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) teilt. Sorgen, dass die Wissenschaft bei den anstehenden Entscheidungen unter den Druck der Politik geraten werde, kann sie nicht teilen. „Mein Eindruck ist, die Mitglieder des Expertengremiums sind selbstbewusst genug, um sich nicht unter äußere Zugzwänge setzen zu lassen.“
Eine Frage, die sie viel gehört hat in den vergangenen Tagen und über die sie schmunzeln muss, ist die nach Ihrer Rolle als die in 60 Jahren erst zweite weibliche Vorsitzende des Wissenschaftsrats. In der Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist sie neben der DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel die einzige Chefin. „Ich verstehe, dass die Frage kommen muss“, sagt sie. „Aber ich habe in meiner Karriere nie die Erfahrung gemacht, als Frau anders oder besonders wahrgenommen zu werden.“ Die Wissenschaftliche Kommission des WR sei zu über 50 Prozent mit Frauen besetzt, insofern sieht sie ihre Wahl „eher als eine natürliche Entwicklung“.
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