Die Präsidenten der größten Forschungsorganisationen wenden sich mit einem Papier an die Politik – und sagen doch zu wenig.
ES KOMMT NICHT allzu oft vor, dass sich die Präsidenten der vier großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer gemeinsamen Stellungnahme zu Wort melden. Zu gegensätzlich, gelegentlich sogar zuwiderlaufend, sind ihre strategischen Ziele und Machtinteressen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Zum Beispiel wenn es ums Geld geht. Genauer: um den gemeinsamen Topf, aus dem Helmholtz, Max-Planck, Leibniz, Fraunhofer und DFG in den vergangenen elf Jahren ihren relativen Wohlstand bezogen haben.
Entsprechend heißt ihr 4+1-Papier, das sie an Bundesforschungsministerium, Gemeinsame Wissenschaftskonferenz und Bundestag geschickt haben, auch „Empfehlung zur Fortsetzung des Paktes für Forschung und Innovation“, womit schon dessen Hauptintention umrissen ist: Natürlich muss der kurz PFI genannte Pakt weitergehen, finden die fünf, denn zusammen mit den weiteren Wissenschaftspakten sei er der Grund, dass „das deutsche Wissenschaftssystem... international attraktiv und sichtbar wie selten zuvor“ sei. Das Geheimnis des PFI den Präsidenten zufolge: Er vereine forschungspolitische Ziele und Planungssicherheit.
Ebenso wenig überrascht, dass die Forschungsorganisationen demonstrativ der Auffassung sind, die von der Politik vorgegebenen forschungspolitischen Ziele erfolgreich umgesetzt zu haben: vor allem eine bessere Nachwuchsförderung, eine Steigerung von Internationalisierung und Chancengleichheit, aber auch die Gewinnung von exzellenten ausländischen Wissenschaftlern. Dass die jährlichen Monitoring-Berichte, zu denen die fünf ihre Zahlen zuliefern müssen, je nach Organisation und Thema zu durchwachseneren Ergebnissen kommen, findet keine Erwähnung in dem Papier. Zahlreiche Experten haben in der Vergangenheit kritisiert, die Paktziele seien zu weich formuliert, außerdem fehlten konkrete Sanktionsmechanismen. DFG & Co preisen jedoch lieber die „Flexibilität und Veränderungsdynamik“, die Forschungsprozesse in ihrer Vielfalt und Besonderheit“ begünstigten.
Auch sonst bleibt die Stellungnahme punkto Selbstverpflichtungen im Ungefähren: „Die Paktorganisationen begreifen Talent-Management als eine ihrer wichtigsten Aufgaben und werden sich für attraktive Karrierewege und Laufbahnentwicklung engagieren“, heißt es. Oder auch: Kooperationen in der Forschung über die Organisationstypen, nationalen Grenzen oder Disziplinen hinweg zu ermöglichen, sei die „Aufgabe der Wissenschaftsorganisationen“, außerdem sähen sie sich in der Verantwortung, „die Chancen der Digitalisierung für die Wissenschaft zu nutzen“.
Konkret werden die fünf vor allem bei ihren Forderungen an die Politik: Die Länder müssten sich wieder an den künftigen Mittelzuwächsen im PFI beteiligen, überregionale Forschungsinfrastrukturen müssten nachhaltig finanziert werden, überhaupt seien „weiterhin anhaltende jährliche Zuwächse“ nötig, um die „Leistungsfähigkeit auf dem hohen Niveau“ weiter zu steigern.
In der Bilanz ist es ein erwartbares Papier, dem die Vision, das mutige Angebot in Richtung Gesellschaft fehlt. Genau dieses wäre jedoch nötig, um die Wissenschaftspolitik von der Zukunftsfähigkeit des PFI in seiner bisherigen Form zu überzeugen. Und zwar schleunigst. Denn die Meinungsbildung dazu in Bund und Ländern hat längst begonnen, und das nicht nur (siehe auch die jüngsten Papiere aus Union und SPD) hinter den Kulissen. Schon jetzt lassen sich mindestens drei Sichtweisen erkennen. Erstens: Angesichts der knapper werdenden Mittel sind künftig im Zweifel vor allem die Hochschulen dran. Zweitens: Wenn die Außeruniversitären weitere Zuwächse bekommen, dann nur verbunden mit klaren Missionszielen und einem zusätzlichen unabhängigen Monitoring. Drittens: Statt allen fünf das gleiche Plus zu zahlen, könnte künftig von Organisation zu Organisation variiert werden.
Bislang sind es nur Grundtendenzen in der politischen Diskussion, die sich da abzeichnen, und doch wirkt schon vor ihrem Hintergrund das Papier der Paktorganisationen irgendwie aus der Zeit gefallen. Die fünf Präsidenten täten gut daran, es lediglich als Diskussionsauftakt zu verkaufen. Fortsetzung folgt? Hoffentlich.
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GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 06:53)
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