Eine Studie belegt: Deutsche Wirtschaftswissenschaftler wissen mehr als ihre Kollegen aus den USA und Japan
ES IST EINES dieser Studienergebnisse, die schon eine Weile alt sind und die doch kaum einer zur Kenntnis genommen hat. Ich hörte zum ersten Mal bei einer Tagung davon, es ging um die Frage, welche Fertigkeiten Hochschulen ihren Studenten künftig beibringen sollen. Auf dem Podium saß auch ein hoher Beamter aus dem Bundesbildungsministerium, und der erzählte etwas von einem internationalen Leistungsvergleich, demzufolge deutsche Studenten als besonders kenntnisreich abgeschnitten hätten. Moment mal, fragte ich nach, wovon reden Sie da eigentlich? Von KoKoHS, sagt er. Und ich fragte: Wovon?
KoKoHS steht für "Kompetenzmodellierung und Kompetenzerfassung im Hochschulsektor". Die Bundesregierung fördert KokoHS mit jährlich drei Millionen Euro, will man doch endlich die Antwort wissen auf eine Frage, die die Bildungsforschung seit Langem umtreibt: Woher wissen wir, ob die Studenten das, was sie können sollen, auch wirklich lernen? Und vor allem, ob sie es auch praktisch anwenden können?
Ein Teilprojekt von KokoHS, erfuhr ich, bestand darin, dass Forscher einen in Amerika entwickelten Standardtest, der ökonomisches Fachwissen messen soll, von Studenten wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge an 31 Hochschulen bundesweit bearbeiten lassen: insgesamt 60 Multiple-Choice-Aufgaben je zur Hälfte aus der Makro- bzw. der Mikroökonomie. Die Antworten von 1600 Studenten verglichen sie anschließend mit denen Tausender Studenten an 51 US-Hochschulen, und siehe da: Die Amerikaner lagen viel häufiger daneben. Auch die 1200 Studenten von zehn japanischen Hochschulen, die den Test bearbeiteten, wussten seltener die richtige Lösung.
Erstaunlich. Sind deutsche Studenten am Ende doch die besseren Studenten? Müssen wir mit unseren Vorurteilen in Zeiten von Studienanfängerrekorden und Turbo-Abi aufräumen? Und wenn ja, was machen die Deutschen anders als die Amerikaner und die Japaner?
Fragen, denen ich in meinem Artikel für Spiegel Online nachgespürt habe. Die Antworten, so sich sie erhalten habe, können Sie hier nachlesen.
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Stefan Hartmann (Dienstag, 07 März 2017 10:35)
Ich bin selbst Mitarbeiter in einem der zahlreichen KoKoHs-Projekte und freue mich einerseits über die Publicity, die unserem Projektverbund mit einem Artikel bei Spiegel online zuteil wird; andererseits wundere ich mich aber über die reißerische Überschrift und diverse Ungenauigkeiten. Schon zu Beginn wird mit "Eine Studie belegt: …" eine Formulierung verwendet, die jedem Wissenschaftler die Haare zu Berge stehen lässt. Empirisch-pädagogische Studien "belegen" nichts; sie liefern bestenfalls Evidenz, die bestimmte Annahmen stützt. Für die These, dass die deutschen Studierenden "besser als ihr Ruf" (der gar nicht untersucht wurde) seien, liefert die Studie eher keinen Beleg, und die Verallgemeinerung von 1500 Wirtschaftswissenschaftlern auf "die deutschen Studenten" - knapp 3 Millionen in über 100 verschiedenen Studienfächern - hat mit dem Befund der Studie nun gar nichts mehr zu tun, sondern ist journalistische Lobhudelei nach dem Motto "Hurra, Deutschland".
Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 07 März 2017 10:42)
Lieber Herr Hartmann,
vielen Dank für Ihren Kommentar . Ich hoffe, wenn Sie häufiger meine Beiträge lesen, werden Sie sehen, dass ich es mit "Hurra Deutschland" nicht so habe. :) Trotzdem nehme ich Ihre Kritik ernst, zeigt sie mir doch die gelegentliche Kluft zwischen der Selbstwahrnehmung von Wissenschaftlern und ihren Projekten und ihrer Darstellung durch uns Journalisten.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jan-Martin Wiarda
R. Wimmer (Dienstag, 07 März 2017 11:43)
Lieber Herr Wiarda,
Ich schätze Ihre kompetente Berichterstattung sehr.
Aber warum verlinken Sie bei diesem Artikel eigentlich nicht die Primärquellen oder Projektwebseiten? Wenn nicht einmal der Titel der Publikation angegeben ist, ist es sehr mühselig, mehr über die Studie zu erfahren.
Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 07 März 2017 13:13)
Liebe/r R. Wimmer,
vielen Dank für das Kompliment zu meiner Berichterstattung. Tatsächlich sind die Studien (es sind mehrere) nicht online, ich versuche zu erfragen, ob es irgendwo eine digitale Literaturliste dazu gibt. Sobald ich das weiß, veröffentliche ich hier den Link.
Beste Grüße,
Ihr Jan-Martin Wiarda
Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 07 März 2017 14:50)
Hier wie versprochen ein paar Links, die ich von den WiWiKom-Leuten bekommen habe. Ich hoffe, sie helfen ein wenig weiter.
Link zur Projektwebseite:
http://www.wiwi-kompetenz.de/
Publikationsliste mit den Publikationshinweisen des Projekts:
http://www.wiwi-kompetenz.de/38.php
Laut WiWiKom sind die Journalartikel, genauso wie die Tests selbst, "aus rechtlichen Gründen" leider nicht direkt verfügbar.
Beste Grüße,
Ihr Jan-Martin Wiarda
R. Wimmer (Dienstag, 07 März 2017 15:00)
Lieber Herr Wiarda,
vielen Dank für die Links! Dank Uni-Lizenz kann ich mir die Volltexte zumindest zum Teil anschauen :)
Beste Grüße
R. Wimmer
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 06:54)
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