Die Wissenschaftsstaatssekretäre aus Bund und Ländern haben ihr Papier zur Wissenschaftsfinanzierung fertiggestellt. Was drinsteht und wie es jetzt damit weitergeht.
IRGENDWIE MUSS DEN Staatssekretären ihre eigene Arbeit hin und wieder absurd vorgekommen sein. Da saßen sie über Monate hinweg immer wieder zusammen in der Arbeitsgruppe „91b GG“, um neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Wissenschaft auszuloten. Sie hantierten mit virtuellen Milliarden zwischen Studienplätzen, Hochschulbau und Programmkostenpauschalen, und parallel verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fast wöchentlich und immer unverhohlener, dass sich die Haushaltsprioritäten des Bundes in Richtung Verteidigung und innerer Sicherheit verschieben müssten. 2,0 Prozent der Wirtschaftsleistung, wie die NATO sie fürs Militär fordert, entsprächen 25 Milliarden Euro zusätzlich, die laut Merkel eine wie auch immer geartete Bundesregierung nach der Bundestagswahl im September auftreiben müsste. Pro Jahr. Und das ziemlich bald.*
So taten die Staatssekretäre das einzig Richtige in so einer Situation: Sie beeilten sich, ihre Arbeit fristgerecht abzuschließen, damit das Ergebnis in die politischen Verteilungsdiskussionen der nächsten Monate einfließen kann. Seit vergangener Woche liegt ihr fertiges Papier vor, „Möglichkeiten zur Anwendung des neuen Artikels 91b GG im Hochschulbereich“ heißt es. Und damit passiert nun was? Ja, da fängt der Streit schon wieder an. Doch dazu später.
Das wichtigste Ergebnis der Arbeitsgruppe habe ich in einem früheren Blogeintrag bereits vermeldet: Die Mittel, die der Bund bislang in den Hochschulpakt investiert hat, sollen auch nach 2020 weiter in die Hochschullehre fließen, und zwar dauerhaft. Über die Mechanismen gibt es besonders zwischen Union und SPD noch Diskussionen; tendenziell will die SPD stärker in die Breitenförderung aller Hochschulen, während die Union eher Schwerpunkte fördern will. Beide Seiten wollen im Vergleich zu bislang allerdings vermehrt Innovationen in der Lehre belohnen. Im Papier klingt das dann so: Bund und Länder könnten auf den Erfahrungen aus dem Hochschulpakt 2020 und dem Qualitätspakt Lehre „mit ihren kapazitäts- und qualitäts- steigernden Komponenten aufbauen und nach Auslaufen beider Programme im Jahr 2020 die hierfür bislang bereitgestellten Mittel weiterhin in diesem Sinne für die Hochschulen einsetzen“.
Allein für dieses klare Bekenntnis von Bund und Ländern habe sich ihre Arbeit gelohnt, sagen einige der beteiligten Staatssekretäre nicht ohne Selbstzufriedenheit. >>
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>> Tatsächlich ist die Passage zum Hochschulpakt aber auch eine der wenigen, die nicht ambivalent daherkommt. So besteht zwar grundsätzlich Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern, was die heilsame Wirkung des Paktes für Forschung und Innovation (PFI) angeht, der die vier großen außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Die Zukunft des Pakts adressiert allerdings ein einziger Absatz, der noch dazu nur die Position des Bundes wiedergibt. Eine mögliche Fortsetzung des PFI sei an die Rückkehr zu einer schlüsselgerechten Finanzierung zwischen Bund und Ländern gebunden, hat Cornelia Quennet-Thielen, die Staatssekretärin von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU), dort aufschreiben lassen. Im Klartext: Wenn die Länder nicht wieder mitmachen, gibt es auch keinen neuen Pakt. In der aktuellen Paktperiode hatte der Bund das jährliche Drei-Prozent-Plus allein übernommen. Warum die Länder sich in dem Papier auf keine Zusagen einlassen wollten, bleibt fraglich, zumal etliche Landesminister in kleiner Runde bestätigen, dass der Bund da natürlich Recht habe. Fürchten sie die Reaktion ihrer Ministerpräsidenten?
Ähnlich zwiespältig sind die Passagen zu einer etwaigen Verstetigung der DFG-Programmpauschalen. Während die Länder sich eine dauerhafte Zahlung wünschen und (sehr dialektisch!) bekräftigen, sie trügen ja schon über die Grundfinanzierung der Hochschulen zur Programmfinanzierung bei, notiert der Bund klipp und klar: Das Thema habe nichts mit der Grundgesetzänderung zu tun, weil Änderungen bei der Projektförderung auch schon vorher möglich gewesen seien. Bislang allerdings sei eine Verstetigung an der mangelnden Bereitschaft der Länder gescheitert, ihren Anteil beizusteuern. Die Botschaft lautet also: Da ginge mehr, aber nur, wenn die Länder mitgehen.
Nicht mehr geht laut Bund beim Thema Hochschulbau: Für eine Anwendung des Artikels 91b bestehe „weder rechtlich noch politisch Raum“, gleiches gelte für die den Ausbau der sozialen Infrastrukturen. Auch den Ruf der Länder, beim Aufbau von mehr Dauerstellen in der Wissenschaft zu helfen, weist der Bund zurück mit dem Hinweis, Karrierekonzepte und mehr Stellen für den Mittelbau seien „Sache jeder einzelnen Hochschule“ – und bei den Professoren habe der Bund ja über das Tenure-Track-Programm bereits Akzente gesetzt. Und dann sind da noch die von den Ländern gewünschten „thematischen Zentren“ an Hochschulen, die, so die Länder, einen „Beitrag zur überregionalen Bedeutung und Profilierung des jeweiligen Feldes im internationalen Wettbewerb leisten“ könnten. Die Antwort des Bundes: Wenn die Länder solche Zentren wollten, könnten sie ja jederzeit die Grundfinanzierung ihrer Hochschulen erhöhen.
Eine Reihe weiterer Ideen, allesamt unstrittig, werden in dem Papier munter diskutiert, von der gemeinsamen Unterstützung digitaler Lehrinnovationen bis zu themenübergreifenden Verbünden, in denen eine oder mehrere Hochschulen mit einer oder mehreren außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen neue „institutionelle Kooperationen“ eingehen könnten, langfristig, standortbezogen oder standortübergreifend. Dank des 91b könnten die Länder nun bei solchen länderübergreifenden „Verbünden, Zentren oder Konsortien“ gleichberechtigte Partner sein. Hört sich irgendwie vertraut an? Zu diesem Ergebnis könnte man zumindest kommen, wenn man die Ankündigung von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) in Sachen „Max Planck Schools“ verfolgt hat.
„Großen Schnittmengen“ habe man gefunden und „kleine Dissensen“ festgehalten, bilanziert ein Staatssekretär. Eine optimistische Sichtweise, zumindest was die Dimension der Dissense angeht. Dennoch könnte das Papier eine Grundlage für schnelle Beschlüsse in der neuen Legislaturperiode bieten. Die Optimisten sehen schon ganze Passagen davon in künftigen Koalitionsverträgen auftauchen. In jedem Fall kann sich das Ergebnis in seiner Klarheit sehen lassen. In der Klarheit dessen, was alle wollen, und auch in Bezug auf das, wo Länder und Bund nicht zusammengefunden haben.
Kein Glanzstück war hingegen der Schlagabtausch, den sich Bund und Länder in ihrer finalen Sitzung zu dem Papier geliefert haben. Wankas Staatssekretärin Quennet-Thielen beharrte darauf, dass das fertige Papier nur den Ministerpräsidenten und nicht der Bundeskanzlerin vorgelegt werden soll. Was viele ihrer Kollegen aus den Ländern als unsinnig kritisieren, schließlich handle es sich um ein Dokument im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern. Quennet-Thielen berief sich jedoch auf den Auftrag, den die GWK der Arbeitsgruppe von Anfang an erteilt hatte, und darin sei eben nur von den Ministerpräsidenten die Rede gewesen.
Was soll das?“, könnte man jetzt in der Tat fragen, wenn die Antwort nicht so offensichtlich wäre: Wenn die Bundeskanzlerin nicht offiziell Kenntnis von dem Papier erhält, macht sie es sich weniger zueigen und behält mehr Spielraum. Spielraum, vor dem sich einige in den Ländern bereits fürchten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat kürzlich die Haushaltseckpunkte für 2018 und die Finanzplanung bis 2021 vorgelegt, denen zufolge das Budget von Wankas Ministerium sinken soll. Das werde am Ende sicher anders kommen, versichern Wankas Leute, doch, siehe Merkels Ansagen in Sachen Verteidigungshaushalt, die Nervosität steigt angesichts der im 91b-Papier festgehaltenen Absicht von Bund und Ländern, den Hochschulpakt nach 2020 zu verstetigen.
Indes hat selbst dieses unschöne Gezerre am Ende einen gewissen Unterhaltungswert: Der Termin im Frühjahr, an dem die Ministerpräsidenten allein das Papier vorgelegt bekommen sollen, ist einer, bei dem Bundeskanzlerin Merkel vorraussichtlich auch dabei ist. „Wenn sie das nicht mitkriegen will, muss sie schon aus dem Raum gehen“, sagt eine Wissenschaftsministerin.
Fotonachweis: Ufo-Lampen", CC BY 2.0 David~: "
*Eine spannende Analyse zum 2-Prozent-Ziel der NATO und den sich darüber abzeichnenden Streit zwischen Union und SPD findet sich im aktuellen SPIEGEL. Das Nachrichtenmagazin zitiert Außenminister Sigmar Gabriel mit dem Satz, die Nato habe "niemals beschlossen, dass wir in acht Jahren zwei Prozent unseres Sozialprodukts für Verteidigung ausgeben sollen". Dann hätten es die 27 Länder falsch verstanden, habe dagegen CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gefragt.
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Peter L. (Montag, 27 März 2017 15:46)
Hallo Herr Wiarda,
besten Dank für Ihre fortgesetzte Berichterstattung in der Sache. Sehr lesenwert und hilfreich dabei, die politischen Prozesse (auch) in der Hochschuldidaktik besser zu verstehen.
Wenn ich die Zeit habe, Anfang Mai nach Kiel zu fahren, freue ich mich bereits auf Ihre Moderation.
Viele Grüße!
Karlchen Mühsam (Dienstag, 28 März 2017 11:08)
Lieber Herr Wiarda,
vielen Dank für den aufschlussreichen Bericht. Die Finanzierung der Fernuni Hagen verbleibt wohl weiterhin überwiegend beim Land NRW oder verhält sich der Kompromiss auch hierzu? Eine stärkere Beteiligung der anderen Länder/des Bundes war hier ja immer ein für mich gut nachvollziehbares Anliegen der Nordrhein-Westfälischen Ministerin.
Herzliche Grüße
Karlchen Mühsam
Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 28 März 2017 11:14)
Lieber Karlchen Mühsam,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Das Thema Fernuniversität Hagen wird in dem Papier nicht explizit adressiert.
Beste Grüße,
Ihr Jan-Martin Wiarda
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022)
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