Das Problem vieler Hochschulsenate sind nicht zu viele Meinungsverschiedenheiten. Das Problem ist der Hang zum gegenseitigen Missverstehenwollen.
GELEGENTLICH KANN MAN den Eindruck bekommen, als herrsche in manchen Hochschulsenaten der Republik nichts als Gezerre. Neulich schrieb ich an dieser Stelle darüber: Hier der Block der Professoren, die mit ihrer verfassungsrechtlich garantierten Dominanz die Rektoren zum Stöhnen bringen. Da die anderen „Statusgruppen“, von den Studierenden bis zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern, die als Gegenmaßnahme die Drittel- oder Viertelparität fordern. Und dann streitet man sich monate- oder jahrelang über Stimmrechte und Verfahrenswege, und zur Not zweifelt man auch mal die Rechtsverbindlichkeit getroffener Entscheidungen an.
So geschehen etwa an der Technischen Universität Berlin. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet von dort jetzt andere Nachrichten kommen. Der Akademische Senat der TU will sich einen Kommunikationskodex geben, berichtet der Tagesspiegel (leider nicht online). Die AG „Kommunikation“ habe entsprechende Vorschläge entwickelt. Um einen „Kulturwandel“ zur „Wertschätzung“ soll es gehen, die Senatsmitglieder sollen sich besser auf die Sitzungen vorbereiten, einen respektvollen Ton miteinander üben und – aha – die jeweiligen Zuständigkeiten akzeptieren. >>
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>> Darüber könnte man jetzt grinsen und sagen: Da haben sich ein paar Funktionäre müde gekämpft. Oder man stellt ganz unzynisch fest: Hier will ein Gremium einen neuen Aufbruch wagen.
Nicht der Streit an sich ist in manchen Hochschulgremien das Problem, nicht die aufrichtig formulierten Meinungsgegensätze, sondern zu viel wurstige Uninformiertheit, der Hang zum gegenseitigen Missverstehenwollen und die Unsitte, sich vor den eigenen Leuten inszenieren zu müssen. Und das gilt gleichermaßen für die Gruppe der Professoren (die in Wirklichkeit oft selbst in mehrere Gruppen zerfällt), für die Mitarbeiter und für die Studierenden.
Das Problem: Eine solche Diskussionskultur endet im Machtverlust für alle, für das Gremium, für die Hochschule insgesamt – egal, welche Stimmenverhältnisse herrschen und in welcher Form Verfassungsgerichte Professorenmehrheiten vorgeben.
Der Berliner TU-Senat muss die Vorschläge erst noch diskutieren und (hoffentlich!) für gut befinden. Er wäre sicherlich auch nicht der erste Senat in Deutschland mit einem solchen Kodex. Doch schon jetzt geht von den Plänen ein Signal aus in Richtung anderer im Hickhack erlahmter Hochschulsenate: Ermächtigt euch selbst, indem ihr zivilisiert streiten lernt. Lasst das beste Argument herrschen und nicht die einfallsreichste Blockadeidee. Erreicht all das, indem ihr euch auf explizite Regeln diskursiven Anstands einigt.
Ein durch und durch idealistisches Signal. Und gerade deshalb eines, das von einem gesunden Machtinstinkt der Senatsmitglieder zeugt.
Hätten sich damit Diskussionen um Drittel- oder Viertelparität oder um die Professorenmehrheit erledigt? Keineswegs. Aber womöglich stellten die Senate auch anderswo fest, dass schon so eine Menge gemeinsamen Gestaltens möglich wird.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.
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GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 07:10)
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