Das Konzept der SPD für die Verstetigung des Hochschulpakts trägt sehr wohl und würde die Hochschulen motivieren, die Studienbedingungen attraktiver zu gestalten. Ein Gastbeitrag von Eva Quante-Brandt.
IN SEINEM BLOGEINTRAG vom 17. Juli hat sich Jan Martin Wiarda mit dem Entwurf für einen „Zukunftsvertrag für Wissenschaft und Forschung“, den ich gemeinsam mit anderen SPD-WissenschaftspolitikerInnen im Februar 2017 vorgelegt hatte, kritisch auseinandergesetzt. Seine Kritik, die „Qualitätsstrategie Hochschullehre“ aus dem „Zukunftsvertrag“ hebe zu sehr auf die Quantitäten ab, teile ich ausdrücklich nicht. Mit der Verankerung des Grundprinzips „Geld folgt Studierenden“ soll im Gegenteil ja in erster Linie ein Anreiz für die Hochschulen entstehen, ihre Studienangebote attraktiv zu gestalten, um mehr Studierende zu gewinnen und sich neue Zielgruppen von Studierenden zu erschließen. Das ist ein qualitativer, kein quantitativer Ansatz. Und ob die reale, zukünftige Nachfrage nach Studienplätzen sich nun eher gemäß der (veralteten) KMK- oder der jüngsten Bertelsmann-Prognosen entwickeln wird – wer weiß das schon? Ich halte es da mit Mark Twain: „Prediction is very difficult, especially about the future.”
Fest steht: Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Gründe für diese uneingeschränkt begrüßenswerte Entwicklung liegen unter anderem in der steigenden Zahl junger Menschen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben und in der generellen Zunahme der Studienneigung. Der Hochschulpakt 2020 und der Qualitätspakt Lehre von Bund und Ländern waren die angemessene und passgenaue Reaktion hierauf.
Die Studiennachfrage wird nach den Berechnungen der Kultusministerkonferenz auch in den nächsten Jahren sehr hoch bleiben. Diese Bildungsexpansion eröffnet unserer Gesellschaft Chancen auf zusätzliche Fachkräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Forscherinnen und Forscher, deren Kreativität und Ideen Deutschland braucht. Die zukünftigen Studierenden haben aber auch ein Recht darauf, attraktive Studienbedingungen vorzufinden.
Die Wissenschafts- und Bildungspolitik steht also vor der Herausforderung, die Bildungsexpansion nicht nur langfristig abzusichern, sondern unsere Hochschulen nachhaltig so mit Ressourcen auszustatten, dass sie allen Studierenden an jedem Studienort die bestmögliche Ausbildung gewährleisten können. Dafür muss an den Hochschulen in Nachfolge des erfolgreichen Hochschulpakts nach dem Jahr 2020 ein dauerhaftes Anreizsystem zur stetigen Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen etabliert werden.
Vor wenigen Wochen haben die für Wissenschaft zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder einen Bericht der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) über Möglichkeiten der Anwendung des neuen Artikels 91b Grundgesetz im Hochschulbereich vorgelegt. Einigkeit besteht in der GWK darüber, dass die Möglichkeiten des neuen Artikels 91b genutzt werden sollten, um qualitativ hochwertige Studienangebote an Hochschulen dauerhaft zu sichern und auszubauen. Und um die Lehre und die Ausbildung der Studierenden nachhaltig und kontinuierlich weiterzuentwickeln und erfolgreichen Ansätzen der Lehre den Transfer in die Breite zu ermöglichen, wobei auch die zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft Berücksichtigung finden muss.
Bund und Länder sollten daher – so die einhellige Meinung in der GWK – nach dem Auslaufen des Hochschulpakts und des Qualitätspakts Lehre die hierfür bislang bereitgestellten Mittel weiterhin in diesem Sinne für die Hochschulen einsetzen.
Wie könnte dies konkret geschehen? Meiner Auffassung nach sollte sich der Bund mit einer „Qualitätsstrategie Hochschullehre“ dauerhaft und unbefristet an der Finanzierung der Lehre an den Hochschulen beteiligen. Und zwar mit einem jährlichen Festbetrag für jede und jeden Studierenden in der Regelstudienzeit sowie für jede abgelegte Abschlussprüfung (unabhängig davon, ob die Prüfung bestanden oder nicht bestanden wurde, um Fehlanreize zu vermeiden). Bei Studierenden ohne schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung sollten dabei deutlich erhöhte Beträge für jede/n Studierende/n bzw. für jede Abschlussprüfung angesetzt werden, um die Durchlässigkeit und Offenheit besonders zu fördern.
In Zahlen ausgedrückt: Für jede und jeden Studierenden in der Regelstudienzeit soll in unserem Modell je nach Fachrichtung ein Betrag von 1.000 bis 2.000 Euro, bei Humanmedizin 3.000 Euro jährlich sowie für jede abgelegte Abschlussprüfung zusätzlich 1.000 Euro jährlich zur Verfügung gestellt werden. Bei Studierenden ohne allgemeine Hochschulreife sollen Beträge von 3.000 Euro für jede/n Studierende/n bzw. 1.500 Euro für jede Abschlussprüfung angesetzt werden. Die Gesamtkosten beliefen sich je nach konkreter Ausgestaltung auf rund 3,3 Milliarden Euro im Jahr.
Die Länder müssten sich an der Finanzierung dieses Pakts beteiligen, indem sie sich politisch verpflichten, ihre Aufwendungen für die Grundfinanzierung der Hochschulen unter Berücksichtigung bereits getroffener haushaltspolitischer Entscheidungen auf hohem Niveau fortzuführen und die Mittel, die sie bisher zur Kofinanzierung des Hochschulpakts aufwenden, im System zu belassen.
Die Mittel sollten insbesondere für den Erhalt der Ausbildungskapazitäten sowie für die Qualitätssicherung und -verbesserung verwendet werden, zum Beispiel um Studienabbrüche zu vermeiden. Da die Förderung der Hochschulen nicht nach Universitäten und Fachhochschulen differenziert werden soll, profitieren die Fachhochschulen in erhöhtem Maße, da sie relativ zu den Kosten eines Studienplatzes höhere Beiträge erhalten. Außerdem hätten alle Hochschulen einen starken Anreiz, zukünftig noch mehr beruflich Qualifizierten einen akademischen Abschluss zu ermöglichen. Die Qualitätsstrategie Hochschullehre muss auch deswegen auf Dauer angelegt sein, damit die Hochschulen in die Lage versetzt werden, bisher befristet beschäftigten Personal – soweit es Daueraufgaben wahrnimmt – zu verstetigen und die Beschäftigungsbedingungen insgesamt im Sinne „Guter Arbeit“ zu verbessern. Die Hochschulen müssten die mit einem unbefristeten Pakt verbundene Planungssicherheit außerdem konsequent für die Förderung der Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft nutzen.
Eine Pauschalfinanzierung je Studierenden und Absolventinnen und Absolventen ist leistungsgerechter als der gegenwärtige, auf Studienanfänger/innen bezogene Pakt. So werden auch Master-Studierende gefördert, Fehlsteuerungen durch eine Fixierung auf Studienanfänger/innen vermieden sowie Hochschulwechsler/innen bei der aufnehmenden Hochschule berücksichtigt.
Eine Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen würde die ostdeutschen und andere finanzschwache Bundesländer sowie strukturschwache Regionen dabei unterstützen, eine hohe Zahl von Studienplätzen und attraktive Studienbedingungen aufrechtzuerhalten. Denn attraktive Hochschulen gehören zu den Einrichtungen, die gerade in diesen Ländern und Regionen dringend benötigt werden, um den demographischen Wandel zu gestalten. Sie verringern Abwanderung und generieren Zuwanderung aus dem In- und Ausland.
Der jährliche Aufwand für den Bund würde mit etwa drei Milliarden Euro etwas höher liegen als gegenwärtig (2016: 2,5 Milliarden Euro), was leistbar und der wissenschaftspolitischen Bedeutung des Paktes angemessen wäre. Die Länder würden auch weiter finanziell Verantwortung übernehmen, denn ein – spürbaren Mehrwert produzierendes – „Zusammenwirken“ von Bund und Ländern gemäß Artikel 91b des Grundgesetzes sollte auch auf einer fairen Lastenteilung beruhen.
Der Schaffung und Sicherstellung einer international wettbewerbsfähigen Lehre und guter Studienbedingungen kommt eine zentrale Bedeutung für ein nachhaltig starkes deutsches Wissenschaftssystem zu. Die „Qualitätsstrategie Hochschullehre“ kann ein geeigneter Weg sein, dies in gemeinsamem Handeln von Bund und Ländern zu erreichen.
Eva Quante-Brandt (SPD) ist Bremer Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz und Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK).
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Bleistifterin (Mittwoch, 19 Juli 2017)
Und wieder geht es um Geld, Studienplätze, Kapazitäten... und nichts zur Lehrqualität.
In einer analogen Diskussion über die Lehrqualität an Schulen wurde zumindest AUCH über die Ausbildung der Lehrenden gesprochen - ein Punkt, der an den Hochschulen einfach ignoriert wird. Dabei halten alle an dem Mythos fest, die LehrBERECHTIGUNG sage etwas über die LehrBEFÄHIGUNG aus.
Vielmehr ist es doch so, dass die nachgewiesene Fähigkeit zur Forschung nichts über Didaktik, Aufbau von Prüfungen, nachprüfbare Bewerungskriterien oder Umgang mit zunehmend heterogenen Lerngruppen sagt. Schon Aufbereitung und sinnvolle Gliederung des Stoffs überfordert viele Lehrende. Kein Wunder, werden sie doch mit diesen Aufgaben weitestgehend allein gelassen, zudem in einem Umfeld, in dem man seine Unwissenheit und Schwächen nicht zugibt und die Hochschuldidaktik - schlecht ausgestattet und belächelt- nur sehr punktuell und meist ausschliesslich auf Nachfrage unterstützen kann. Learning by doing also, wenn es Lob nur für die Forschung gibt, die Lehre (der Lehrbeauftragten)absurd schlecht bezahlt wird und eine freiwillige " Investitition" in Lehrfähigkeit sich wahrschl nicht auszahlen wird.
Hier, und in diesem Klima, müsste man ansetzen. Ein Verlässlicher Karriereweg für Hochschullehrende muss AUCH eine praktische Ausbildung in der Lehre beinhalten - so wie es im angelsächsischen Raum die Teaching Assisstants vormachen. Nicht nur als Technik- und Kopierhilfe, sondern in der Didaktik. Ein Referendariat. Verpflichtend. Uni- und Länderübergreifend. Ein Kulturwandel, der mit der nächsten Doktoranden-/Assisstentengeneration beginnen könnte.
Dann wirds auch was mit der Aufwertung der Lehre
Klaus Diepold (Mittwoch, 19 Juli 2017 10:26)
Was hier mit dem Anspruch die Qualität zu adressieren dargestellt wird ist am Ende des Tages doch ein primär quantitativer Ansatz. Dabei wird die Entscheidung der Studierenden und der Studieninteressierten für Studienfächer und Studienorte als Indikator für die Lehrqualität herangezogen. Die mögliche Rückkopplung der studentischen Entscheidung auf die Lehrqualität kann ich nicht zwingend sehen. Vielleicht sollte man dazu untersuchen nach welchen Kriterien junge Menschen ihre Studienentscheidungen treffen. Solange hochqualitative Lehre weiterhin eine Privatangelegenheit von Überzeugungstätern bleibt und die Qualität der Lehre keinen signifikanten Einfluss auf die akademische Karrierechance hat bleiben Qualitätspakte weitgehend wirkungslos.