Die Münchner Uni ermittelt gegen den Klinikdirektor wegen möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die Staatsanwaltschaft geht weiter dem Verdacht eines Abrechnungsbetruges nach: Seit vielen Monaten befindet sich das Max-Planck-Institut für Psychiatrie im Ausnahmezustand.
NEULICH BESCHÄFTIGTE SICH das Hamburger Abendblatt mit der Frage, „was gegen den Herbst-Blues hilft“. Einer der Experten, die einen Tipp für übel gelaunte Leser parat hatten, war Chefarzt Martin Keck. „Lichttherapie ist sein sehr wirksames antidepressives Therapieverfahren", sagte er. "Sie ist fast nebenwirkungsfrei und kann auch zu Hause erfolgen.“
Einen Herbst-Blues dürfte auch Keck selbst haben. Seit vergangenem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft München I am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, dessen Klinikdirektor Keck ist, ausgelöst durch eine anonyme Anzeige. Ende Februar 2017 beschlagnahmten die Beamten bei einer Hausdurchsuchung Dokumente und Daten, weil sich, so formulierte damals eine Sprecherin, während der Ermittlungen „ein konkreter Anfangsverdacht“ ergeben habe, dass „Verantwortliche des Max-Planck-Instituts möglicherweise Abrechnungsbetrug begangen haben“. Es liege eine Strafanzeige gegen mehrere Personen vor.
Neun Monate später ermittelt die Staatsanwaltschaft immer noch. Für Wirtschaftsverfahren sei das durchaus üblich, dass die so lange dauerten, sagt die zuständige Pressesprecherin. Klinikdirektor Keck widerfährt indes weiteres Ungemach. An der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) läuft seit Monaten ein Verfahren „zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft im Fall Professor Keck“, wie LMU-Sprecherin Luise Dirscherl bestätigt. Wann es abgeschlossen werde, sei offen. Auch dieses Verfahren wurde nach einem anonymen Hinweis eingeleitet.
Konkret geht es um die Habilitationsschrift von Keck – also die zentrale Voraussetzung für seinen Professorentitel. Die Online-Plattform Vroniplag Wiki hat Anfang Oktober ihre Untersuchung der von 2004 stammenden Arbeit veröffentlicht, Ergebnis: Bis zum 14. November seien auf 72 der insgesamt 174 Seiten Plagiatsfundstellen dokumentiert worden. 43 Seiten bestünden zu mehr als 75 Prozent aus Plagiatstext.
Keck hatte sich bereits im Frühjahr zu den Vorwürfen geäußert, und zwar in einer Stellungnahme gegenüber dem LMU-Ombudsmann, aus dem der Bayerische Rundfunk zitierte. Die erwähnten Texte seien das Ergebnis „gemeinsamer, von mir geleiteter Anstrengungen. Diese stellen die Ergebnisse einer Gemeinschaftsarbeit dar, welche als gemeinsame Textpassagen in die Dissertation [….] bzw. meine Habilitation [….] einfließen.“ Die identischen Textpassagen seien insofern der „allgemein akzeptierten und nicht anders zu bewerkstelligenden wissenschaftlichen Arbeitsweise meines Fachgebietes (hier explizit Grundlagenforschung) geschuldet“.
Seit über einem Jahr kursieren in der Wissenschaftsszene Beschuldigungen gegen Keck und weitere Mitarbeiter des Instituts, die, zusammen mit umfangreichen Unterlagen, unter anderem an die Geschäftsstelle der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern versandt wurden. Hierbei geht es auch um die Frage, ob für die Forschungsfinanzierung gedachte Gelder für den Klinikbetrieb eingesetzt wurden.
Die Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) betonte in den vergangenen Monaten mehrfach, die Untersuchungen einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft seien 2016 zu dem Ergebnis gekommen, „dass die aktuelle Abrechnungspraxis keinen Grund zur Beanstandung gibt.“ Auf erneute Anfrage teilt die MPG mit, sie warte das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen und das Prüfergebnis der LMU München ab.
Im Februar hatte sich die MPG noch etwas kampfeslustiger angehört. Sicherlich müssten viele Prozesse „vor dem Hintergrund veränderter Strukturen und aktueller gesetzlicher Vorgaben neu justiert werden.“ Seither sei es jedoch „zu einer nicht abreißenden Kette anonymer Anschuldigungen“ gegen die Betroffenen gekommen, die sich „allesamt als haltlos“ erwiesen hätten. Die MPG hatte die anonymen Anschuldigungen deshalb auch mit einer eigenen Anzeige gegen Unbekannt „wegen übler Nachrede, Verleumdung und Strafvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes“ beantwortet.
Insider beschreiben die Stimmung am Institut seit langem als „schwierig“, die Unzufriedenheit vieler Mitarbeiter mit der Klinikführung soll enorm sein. Handelt es sich bei den lancierten Vorwürfen also lediglich um eine geschickt orchestrierte Rufmordkampagne? Oder steckt doch mehr dahinter? Muss sich am Ende gar die Generalverwaltung der MPG unangenehme Fragen zu ihrem Umgang mit dem Institut gefallen lassen? Klar ist: Bis Staatsanwaltschaft und LMU sich abschließend äußern, gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Und der Schwebezustand bis dahin schadet dem Institut wie der Max-Planck-Gesellschaft insgesamt.
Aktualisierung vom 21. Februar 2021:
Wie ging es weiter? Siehe hierzu auch den Artikel vom 08. Dezember 2017:
LMU stellt Plagiatsverfahren gegen
Max-Planck-Klinikdirektor ein. >>>
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MekHunter (Donnerstag, 16 November 2017 20:26)
Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Erstaunlich an der Aussage der MPG ist doch der Umstand, dass diese überhaupt nicht zu dem Verfahren wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens seitens der MPG gegenüber Keck eingeht. Offensichtlich verletzt die MPG die eigenen Statuten hinsichtlich wissenschaftlichen Fehlverhaltens, obwohl ihr dieses Angezeigt wurde. Im Januar 2006 hat Keck nämlich, als corresponding author, die Ergebnisse der VroniPlag-Quelle "Schindele 2003" ohne Nennung Schindeles in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht.
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Benutzer:MekHunter/Mek_Andere_Arbeiten
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 07:53)
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