Die Studierendenzahlen steigen erneut, die Forderungen an den Bund sind die üblichen. Wir müssen gedanklich weiterkommen.
Trexer: "Vorlesung Uni Aachen.JPG", CC BY-SA 3.0
JEDEN SPÄTHERBST dasselbe: Das Statistische Bundesamt verkündet einen neuen Studierendenrekord. 2.847.800 Menschen waren nach vorläufigen Zahlen in diesem Wintersemester an deutschen Hochschulen eingeschrieben. So viele wie noch nie. Mal wieder.
Auch die ersten Reaktionen von Rektoren, Verbandschefs und Bildungspolitikern scheinen mittlerweile vorrangig von deren Kleinhirnen produziert zu werden. Der Hochschulpakt müsse weiterlaufen, forderten sie am Dienstag zum x-ten Mal, er müsse aufgestockt werden, er müsse, wie etwa der grüne Hochschulexperte Kai Gehring sagte, „das feste und dauerhafte Fundament einer besseren Grundfinanzierung der Hochschulen bundesweit bilden“.
Falsch werden solche Sätze selbst durch ihre routiniert abgespielte Wiederholung nicht. Doch allzu oft bleiben sie unvollständig. Ein dauerhaftes Engagement der Bundesregierung für die Hochschulfinanzierung über den Hochschulpakt ergibt nur Sinn, wenn die Länder durch die Forderung nicht ungewollt aus der Verantwortung entlassen werden. Denn natürlich könnten die meisten von ihnen selbst mehr tun, wenn denn die politischen Prioritäten entsprechend wären. Auch das müsste häufiger mal gesagt werden.
Mehr hochschulpolitische Fantasie würde sich auch an anderer Stelle lohnen. Obgleich die Erstsemesterzahlen nun schon seit fünf Jahren stagnieren und damit auch die absoluten Werte demnächst leicht abbröckeln dürften – sie bleiben höher, als es sich die Kultusministerkonferenz je hatte vorstellen können. Die Öffnung der Hochschulen verschiebt die Erwartungen, die das Gros der Studenten an ihre Hochschulbildung haben. Schon jetzt gehen 40 Prozent der Erstsemester an Fachhochschulen, 1999 waren es nur 28 Prozent. Wie auch immer der Hochschulpakt also künftig aussehen mag, er muss vor allem ein Hochschulpakt für die Fachhochschulen sein.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEIT Chancen Brief.
Wo Fantasie gefragt ist
Schon im Dezember 2016 hatte die Bundesregierung den Ländern signalisiert, dass das Geld aus dem bisherigen Hochschulpakt weiterfließen wird, und zwar auch nach dessen Auslaufen. Doch wie viel genau soll fließen, wohin und nach welchen Konditionen? Anders formuliert: Wie kann der Hochschulpakt-Nachfolger bei weiter hohen, aber nicht mehr wachsenden Studierendenzahlen Qualität und Quantität zusammenbringen?
Das ist die zentrale Frage, die sich Hochschulpolitiker und Rektoren stellen. Sehr weit mit ihrer Antwort ist zumindest die Landespolitik noch nicht gekommen, wie jüngst die erwartbare "Berliner Erklärung" aller 16 Wissenschaftsminister zeigte. Während die unionsregierten Länder seit Monaten an einer darüber hinausgehenden gemeinsamen Position schrauben, haben die Sozialdemokraten immerhin schon zwei Konzepte vorgelegt: im Februar einen "Zukunftsvortrag für Wissenschaft und Forschung", und – in gedanklicher Verwandtschaft, aber persönlicher Abgrenzung – die fünf ostdeutschen SPD-Ressortchefs mit ihrem eigenen "Positionspapier für eine sichere und gerechte Hochschulfinanzierung“ im Juni.
Im Wesentlichen verstehen die Sozialdemokraten unter ihrer „Qualitätsstrategie für die Hochschullehre“ , dass der Bund pro Student und Jahr je nach Studienfach zwischen 1000 und 3000 Euro beisteuern soll. Und zwar dauerhaft. Bei Studierenden ohne Abitur sollen erhöhte Ansätze von 3000 Euro pro Kopf und nochmal 1500 Euro pro Abschlussprüfung angesetzt werden. Kostenpunkt jährlich laut SPD-Schätzung:
3,3 Milliarden Euro, wovon die Länder „mindestens zehn Prozent“ übernehmen sollen.
Auch das besondere Wachstum der Fachhochschulen hatten die SPD-Fachpolitiker im Februar bereits auf dem Schirm, wenn auch nur in Ansätzen: Über einen zusätzlichen "Perspektivpakt", so ihre Forderung, sollte der Bund die Forschungsprojektförderung an Fachhochschulen auf rund 100 Millionen Euro bis 2025 fast verdoppeln. Der ebenfalls in dem Konzept geforderte FH-Nachwuchspakt hat es, obgleich politisch unumstritten, vor der Bundestagswahl nicht mehr in die Umsetzung geschafft und liegt nun bis mindestens Mitte nächsten Jahres auf Eis. Irgendwie symbolträchtig.
Zum Pakt vor allem für Fachhochschulen würde der neue Hochschulpakt nur, wenn er speziell gute, studierendenzentrierte Lehre trotz hoher Studierendenzahlen belohnen würde – nach Meinung vieler eine Spezialität gerade der Fachhochschulen. Doch wie genau misst man sie?
In jedem Fall müssten die Kriterien feinkörniger sein als die von der SPD vorgeschlagenen Finanzierungsstufen. Inspiration kann hier womöglich das britische Teaching Excellence Framework bieten. Ein ganz anderes Modell hat hier im Blog kürzlich der Potsdamer Unipräsident Oliver Günther vorschlagen. Es würde über die sogenannten Curricularnormwerte direkt in die Mittelverteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen eingreifen und nebenbei auch die Lehre an Universitäten verbessern. Wie gesagt: Fantasie ist gefragt.
Kommentar schreiben