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Zahlenspiele

Weil sich deutlich weniger internationale Studenten an Baden-Württembergs Hochschulen eingeschrieben haben, erklären Kritiker die gerade eingeführten Studiengebühren für gescheitert. Doch ihr Erfolg entscheidet sich nicht an statistischen Momentaufnahmen.

Clker-Free-Vector-Images/Pixabay
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DIE ZAHL DER Studienanfänger aus Nicht-EU-Ländern an Baden-Württembergs Hochschulen ist gegenüber dem Vorjahr um 21,6 Prozent zurückgegangen. Schuld sind die Studiengebühren für diese Studierendengruppe, die das Land auf Initiative der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zum Wintersemester eingeführt hatte. 1500 Euro werden jetzt pro Semester fällig, 300 davon sollen in die bessere Betreuung fließen, um die hohen Abbrecherquoten unter internationalen Studenten zu senken. Mit dem Rest will Bauer Löcher in der Hochschulfinanzierung stopfen.

 

Nach Bekanntwerden der vorläufigen Einschreibezahlen unternahm die Grüne Jugend beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende vergeblich den Versuch, das Bezahlstudium zu kippen. Die Gebührengegner fühlen sich bestätigt, sehen in dem Rückgang um ein Fünftel eine katastrophale Entwicklung und den Beleg dafür, dass das Bezahlstudium gerade die Studenten aus armen Ländern und Familien dauerhaft vertreiben wird. 

 

Eine Deutung, die sich als voreilig herausstellen könnte. Der Schwund entspricht exakt der Größenordnung, die Bauer selbst vor einem Jahr prognostiziert hatte. Nicht aus dem hohlen Bauch heraus, sondern weil andere Länder wie Schweden und Dänemark einen ähnlichen Rückgang verzeichneten, nachdem sie Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger eingeführt hatten. Die Ministerin kann insofern mit einigem Recht nun wiederum auf diese Länder verweisen, wenn sie von einer Erholung der Zahlen in den kommenden Jahren ausgeht. Zu der ist es dort nämlich auch gekommen. >>



>> Besonders aufmerksam dürfte Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Koalition die Zahlen analysieren, hatte sie bei Regierungsübernahme doch angekündigt, das baden-württembergische Gebührenmodell kopieren zu wollen. Die Güte einer Idee entscheidet sich allerdings nicht an kurzfristigen Immatrikulationsstatistiken. So wie ein (möglicherweise vorübergehendes) Wegbleiben internationaler Erstsemester nicht automatisch als Argument gegen das Bezahlstudium taugt, wird ihre Rückkehr nicht den Mehrwert beweisen. Die viel wichtigeren Fragen lauten: Nutzen die Hochschulen ihren Anteil an den Gebühren tatsächlich, um die Neuankömmlinge besser ins und durch das Studium zu führen? Und: Gelingt es Ministerin Bauer, in den nächsten Jahren mehr als nur einen Bruchteil der Gebühren an die Hochschulen zu geben? Andernfalls wird ihre Legitimation auf Dauer leiden – und zwar zu Recht. 

 

Die Gebühren nur für Nicht-EU-Ausländer träfen die Schwächsten unter den Studenten, kritisieren Studierendenverbände – was angesichts der vielen Ausnahmeregelungen und Stipendien gerade für Anfänger aus Entwicklungsländern nicht der Fall sein dürfte. Man kann die Kritik aber auch in ihr Gegenteil wenden: Die Hochschullehre ist seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert. Warum also reden wir nicht endlich wieder darüber, wie wir die Stärksten in unserer Gesellschaft – die einheimischen Akademiker – direkt und sozial verträglich an den Kosten ihrer Ausbildung beteiligen, von der sie ja auch direkt profitieren? 

 

So angemessen Studiengebühren für alle wären, drängt sich ein Verdacht auf: Nur die internationalen Studenten werden zur Kasse gebeten – weil ihnen die nötige Lobby fehlt. 

 

Dieser Beitrag erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel. 


Wie ein Gebührenmodel für alle aussehen könnte

2013 beschloss mit Niedersachsen das letzte Bundesland, Studienbeiträge abzuschaffen. Zwischenzeitlich hatten Studenten in bis zu sieben Bundesländern zahlen müssen. Mit dem niedersächsischen Beschluss war die gern als „Campus-Maut“ verspottete Gebühr von maximal 1000 Euro pro Jahr in Deutschland politisch tot – nur sieben Jahre nach ihrer Einführung. Eine Neuauflage müsste nach einem völlig anderen Modell erfolgen: nachgelagert – also fällig erst nach dem Studium und erst nach Erreichen einer vernünftigen Einkommenshöhe. Dazu zinssubventioniert, damit die Gebührenschuld nicht stärker als die Inflation steigt. Schließlich müssten die restlichen Gebühren nach einer Anzahl von Jahren erlassen werden, falls Absolventen nicht oder nur zeitweise über die Rückzahlungsschwelle bei ihrem Einkommen gelangt sind. 

 

Auch wenn die Gebührenzahlung nachgelagert sein sollte – die Hochschulen müssten sofort das zusätzliche Geld erhalten, vorgestreckt vom Staat. Womit zweierlei klar ist:

Erstens ist ein wirklich sozialverträgliches Studienmodell für den Staat das Gegenteil eines Sparprogramms. Zweitens würde es idealerweise eine Mitwirkung des Bundes erfordern, um die Gebührenausfälle und die Zinssubventionen abzusichern. 

 

Das Ergebnis wäre es freilich wert: Zahlen würden später nur diejenigen, die es sich wirklich leisten könnten – und nur solange sie genug verdienen. Keiner müsste eine lebenslange Verschuldung fürchten. Und das Geld käme trotzdem und vollständig bei den Hochschulen an – was den wichtigsten Unterschied zu der häufig erhobenen Forderung darstellt, statt Studiengebühren einfach die Einkommensteuer für alle (und damit im Übrigen auch für die Nicht-Akademiker) zu erhöhen.

 

Im Hintergrund werden ähnliche Modelle seit längerem diskutiert – die öffentliche Debatte scheut die Politik hingegen noch immer. 



Nach "drei bis vier Jahren" ausgeglichen?

IM WINTERSEMESTER 2017/18 haben sich nach vorläufigen Zahlen insgesamt 5155 Studienanfänger aus Nicht-EU-Staaten an Baden-Württembergs Hochschulen eingeschrieben, teilte das Stuttgarter Wissenschaftsministerium mit – 21,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Ressortchefin Theresia Bauer (Grüne) sprach von einem "moderaten Rückgang" über alle Hochschularten hinweg. Trotzdem liege die Zahl der internationalen Studenten immer noch über dem Niveau des Wintersemesters 2011/12.  Sie erwarte, dass der Rückgang nach drei bis vier Jahren ausgeglichen sein werde. Parallel zu den Studiengebühren für internationale Studenten wurde auch ein Zweitstudium kostenpflichtig – und zwar für alle Studenten. Es kostet jetzt 650 Euro pro Semester. 

 

Die Landeschef der Grünen Jugend, Lena Schwelling, bezeichnete die Studiengebühren für internationale Studenten laut dpa als ein falsches Signal – besonders in diesen Zeiten, in denen es einen globalen Trend dazu gebe, Grenzen hochzuziehen. 

 

Maimouna Oattara, die Sprecherin des Bundesverbands ausländischer Studierender (BAS), kritisierte, einerseits würden "händeringend" Fachkräfte gesucht. "Andererseits werden Fachkräfte aktiv von der Landespolitik abgeschreckt mit solch einer Unwillkommenskultur.“

 

Das Wissenschaftsministerium betonte, es existierten "sehr detaillierte Ausnahmen und Befreiungsregeln". So zahlten Flüchtlinge keine Gebühren, und für entwicklungspolitische Aspekte gebe es umfangreiche Ausnahmen, ebenso für BAföG-Empfänger, bei "aufenthaltsrechtlichen Besonderheiten" oder für Studierende im Rahmen von Hochschulaustauschprogrammen. Zudem könnten die Hochschulen selbst "besonders begabte" Studenten von den Gebühren zu befreien.

 

Theresia Bauer kündigte an, im Laufe des laufenden Semesters einen Monitoring-Beirat unter dem Vorsitz von Antonio Loprieno einzusetzen, der die Auswirkungen beider Gebührenarten überprüfen soll. So war es bereits im Studiengebührengesetz vorgesehen. Loprieno ist Präsident des österreichischen Wissenschaftsrats. 

 

Rein rechnerisch geht das Wissenschaftsministerium angesichts der aktuellen Immatrikulationsszahlen von Mehreinnahmen von rund 14 Millionen Euro durch Studiengebühren und Verwaltungskostenbeiträge aus. Da aber noch Ausnahmeregelungen und Befreiungen zu berücksichtigen seien, dürften sich der Ertrag des ersten Jahres am Ende auf rund zehn Millionen Euro belaufen. Bis 2022 sollen die Einnahmen dann auf 45 Millionen Euro jährlich steigen. 

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