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Was die Sondierer noch verabredet haben

Die Hochschulen sollen weiter Geld vom Bund bekommen, die außeruniversitäre Forschung ebenso, die Berufsbildung soll gestärkt werden – und natürlich darf auch die obligatorische Zahl 3,5 im Ergebnispapier nicht fehlen: ein Überblick.

ABGESEHEN VOM ÜBLICHEN PATHOS ("Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Schlüsselthemen für Deutschland", "Für das Chancenland Deutschland werden wir zusätzliche Mittel mobilisieren") steht auf der Absichtenliste von Union und SPD, dass es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter geben soll – finanziert offenbar über den Weg der Kinder- und Jugendhilfe. Was insofern hellhörig macht, weil damit eindeutig nur von einem Recht auf Betreuung und nicht von gebundenem Ganztagsunterricht die Rede ist. Für mehr würden die fest eingeplanten 500 Millionen Euro pro Jahr wohl ohnehin nicht reichen – wobei die SPD versichert, dass auch echte zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen werden sollen. 

 

Für den Ausbau der Kitas wollen Union und SPD zwischen 2018 und 2021 insgesamt 3,5 Milliarden Euro zusätzlich investieren – sowohl für "mehr Qualität" als auch für das Ziel, die Eltern bei den Kitagebühren zu entlasten. Macht insgesamt gerade mal knapp 900 Millionen pro Jahr mehr für die Kitas  – der große Wurf ist auch das nicht. Ob und wenn ja, wieviel weiteres Geld für die Kitas über das große Ziel, die Kommunen finanzpolitisch zu entlasten, fließt, ist noch unklar. Zum Vergleich: Für die umstrittene familienpolitische Maßnahme Kindergeld und dessen Erhöhung soll der Bund den Planungen zufolge ebenfalls 3,5 Milliarden mehr aufwenden. 

 

Zum Dauerthema Hochschulpakt: Die Sondierer kündigen im Gegensatz zu Jamaika nicht nur an, ihn weiterzuführen, sondern ihn auf Dauer zu stellen. "Ein Riesending", loben sie sich in der SPD. Wobei, wenn man es genau nimmt, natürlich nicht der Pakt als solches verstetigt werden soll – sehr wohl aber die Höhe der dafür bislang aufgewendeten Bundesmittel. Den Zielkonflikt Quantität versus Qualität lösen die Verhandlungspartner in ihrem Ergebnispapier durch eine genial-schwammige Formulierung: "Um vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Studiernachfrage eine qualitativ hochwertige Lehre sicherzustellen..." Anders formuliert: Wie die Milliarden an die Hochschulen fließen, zu welchen Konditionen, wieviel davon in die Grundfinanzierung geht oder auch in mögliche Wettbewerbe, ist völlig offen. Die bisherige Einigung beschränkt sich darauf, dass das Geld bleiben soll. Nur zwei Hinweise geben Union und SPD: Die Qualität von Forschung und Lehre soll auch anhand der Berufschancen der Studierenden gemessen werden, die wiederum durch Absolventenstudien ermittelt werden. Auch sollen die Weiterbildungsangebote der Hochschulen gefördert werden.

 

Die Ausbildungsförderung BAföG soll ausgebaut werden. Bis 2021 soll eine "Trendumkehr" erreicht werden, unter der die Sondierer einen Aufwuchs bei der Zahl der Geförderten verstehen. Wer die BAföG-Wirkungsmechanismen kennt, weiß: Damit werden schon 2020 deutlich höhere Fördersätze und Freibeträge fällig. Eine Milliarde Euro zusätzlich planen die Sondierer dafür bis 2021 ein. Interessant ist, dass man zwischen den Zeilen das Eingeständnis der Union herauslesen kann, dass die Entwicklung der Förderung zuletzt doch nicht so zufriedenstellend und im Plan war wie lange Zeit behauptet: "Unser gemeinsames Ziel ist es", steht in dem Papier, "die förderbedürftigen Auszubildenden wieder besser zu erreichen." Stipendienkultur und Begabtenförderwerke sollen außerdem weiter gestärkt werden, das Deutschlandstipendium soll offenbar weiterlaufen. Die Jamaikaner wollten auf Betreiben der Grünen und der FDP noch über "neue Modelle zur weiteren Stärkung und Modernisierung der Studienfinanzierung" sprechen, eine solche Absicht fehlt im schwarz-roten Papier.

 

Beim Thema Berufsbildung schießen die Sondierer aus allen Rohren: Eine Modernisierung des Berufsbildungspaktes wird ebenso versprochen wie eine "Ausbildungsoffensive für berufliche Schulen vor dem Hintergrund der Digitalisierung" und eine Novelle des Berufsbildungsgesetzes. Auch eine Mindesvergütung für Azubis soll es künftig geben.

 

Wenig überraschend und nicht wirklich ambitioniert: Bis 2025 sollen mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. Exakt denselben großzügigen Zeitraum hatten sich schon die gescheiterten Jamaika-Sondierer gesetzt. Aber immerhin will Schwarz-Rot bis 2021 schon mal zwei Milliarden zusätzlich als Bundesanteil einplanen, um den 3,5 Prozent schrittweise näherzukommen. Was wiederum angenehm konkret ist. 

 

Interessante Beobachtung: Die Jamaikaner planten noch 10 Prozent als Zielmarke für Bildung und Forschung insgesamt. Diese Zahl fehlt in der schwarz-roten Ergebniszusammenfassung, was kein Wunder ist angesichts einer gerade mal 5,95 Milliarden Euro umfassenden Prioritätenliste mit denjenigen zusätzlichen Investitionen in Bildung Forschung, Hochschulen und Digitalisierung, die auf jeden Fall kommen sollen – für den gesamten Zeitraum von 2018 bis 2021 wohlgemerkt. (Zum Vergleich: Für die Absenkung des Solidaritätszuschlages sind für den gleichen Zeitraum 10 Milliarden Euro fest vorgesehen. Und zum Nachrechnen: Allein das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr würde es gesamtwirtschaftlich über den Daumen gepeilt um rund neun Milliarden Euro teurer machen, das 10-Prozent-Ziel, so es denn irgendwann mal erreicht würde, zu halten. Pro Jahr.)

 

Wie schon Schwarz-Gelb-Grün wollen auch die potenziellen Großen Koalitionäre die eine steuerliche Forschungsförderung einführen, "die beiden Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung ansetzt". Was schade ist, denn die dafür aufgewendeten Millionen dürften der Wissenschaft an anderer und dringenderer Stelle fehlen.

 

Erstaunlich konkret und stark ist die Aussage zur Fortsetzung des Paktes für Forschung und Innovation von 2021 an: "Mindestens drei Prozent" Aufwuchs für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die DFG kündigen die Verhandlungspartner an – allerdings "auf der Basis der bewährten Bund-Länder-Schlüssel". Wer will, kann zweierlei herauslesen: Erstens: Die Länder, die den gegenwärtigen Zuwachs nicht mitfinanzieren, müssen nicht nachzahlen. Zweitens: Wenn sie in der nächsten Runde wieder nicht mitmachen wollen, gibt es keinen Pakt mehr. Im Jamaika-Zwischenstand fehlte die konkrete Zahl, dafür hieß es dort, der Pakt sollte nicht nur "gestärkt", sondern auch "weiterentwickelt" werden. Wollen Union und SPD im Gegensatz dazu die Funktionsweise des Paktes wirklich unangetastet lassen? Kommen die Forschungsorganisationen also weiter mit kaum überprüften und – im Falle ihrer Nicht-Erfüllung – nicht sanktionierten Gegenleistungen davon? Das wäre wiederum eine Enttäuschung.

 

Für strukturschwache Regionen soll es "zielgenaue Förderinstrumente" geben, um die fehlende unternehmerische Innovationskraft auszugleichen. Die östlichen Bundesländer sollen besonders in ihrer Wissenschafts- und Innovationspolitik unterstützt werden.

 

Dass schließlich die Hightech-Strategie weiterentwickelt und auf "die großen gesellschaftlichen Herausforderungen fokussiert" werden soll, ist ebenso ein erwarteter Gemeinplatz wie die Formulierung, dass "neue Instrumente zur Förderung von Sprunginnovationen (Danke an die Autoren, dass sie die "Disruptionen" aus dem Papier gelassen haben) und des Wissenstransfer in die Wirtschaft entwickelt" werden sollen. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 12 Januar 2018 14:29)

    In einer ersten Fassung hatte ich geschrieben, dass ich im Sondierungspapier keine Angabe dazu gefunden hatte, ob Schwarz-Rot eine steuerliche Forschungsförderung einführen will. Wollen Sie doch, worauf ich freundlicherweise von Oliver Scheele hingewiesen wurde. Schade eigentlich. Ich habe den Text entsprechend geändert.

  • #2

    Florian Bernstorff (Freitag, 12 Januar 2018 16:59)

    Lieber Herr Wiarda,
    besten Dank für die Übersicht und die Erläuterungen!
    Eine Frage stellt sich mir mit Blick auf die Nachfolge des Hochschulpaktes: Hier sind im Kapitel "Finanzen und Steuern" in der Tabelle 0,6 Mrd Euro Bundesmittel veranschlagt, und das wohl ab 2021.

    Wäre das dann als eine Halbierung der bisherigen durchschnittlichen jährlichen Bundesmittel für den HSP zu verstehen? Hätten Sie dazu evtl. Informationen?

    Pardon, es liegt mir fern, Sie als private Nachrichtenagentur zu missbrauchen, aber meine Neugier hat gesiegt :-)

    Beste Grüße
    Florian Bernstorff



  • #3

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 12 Januar 2018 17:09)

    Ich lese die Tabelle so, dass es sich um zusätzliche Ausgaben handelt zu dem bislang bereits eingeplanten. Der Hochschulpakt läuft bislang laut Planung nach 2020 aus, aber auch in 2021 waren noch Mittel eingeplant. Beste Grüße Ihr J-M Wiarda