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Zur Not ohne Ditib

Im Streit um das geplante Institut für Islamische Theologie gibt sich Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Krach hart. Zu Recht.

AUCH WENN ES immer noch einen Bundesinnenminister gibt, der behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, die Wissenschaftspolitik hat die Frage zum Glück längst anders beantwortet: Ja, die Islamische Theologie gehört an die Universitäten der Bundesrepublik. Als erstes gab diese Antwort übrigens eine Politikerin von Horst Seehofers Schwesterpartei, die damalige CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Ihr Ministerium finanzierte von 2011 an Islam-Zentren an den Universitäten Tübingen, Frankfurt/Gießen, Münster, Osnabrück und Erlangen-Nürnberg.

 

Berlin war beim Start damals nicht dabei, und das scheint die selbsternannte Brain City nachhaltig gewurmt zu haben, zumal nirgendwo in Deutschland mehr Muslime leben als in der Hauptstadt. So erklärt sich die erstaunliche Hartnäckigkeit, mit welcher der Berliner Senat nun schon über Jahre hinweg die Gründung eines Instituts für Islamische Theologie verfolgt. Erst wollten die Berliner Unis nicht so recht mitmachen, dann sorgten sich evangelische Theologen um ihre Identität in einer möglichen gemeinsamen Fakultät. Und dann galt es noch zu klären, wer eigentlich "den Islam" in Berlin vertritt und damit Kooperationspartner von Politik und Wissenschaft werden soll. Doch auch nachdem die fünf Islamverbände gefunden waren, ging der Streit weiter: Wer bekommt welche Rechte bei der Bestätigung oder Ablehnung der zu berufenden Professoren?

 

Bis Ostersonntag konnten die Verbände den mühsam ausgehandelten Gründungsvertrag unterschreiben, am Dienstag teilte Berlins Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach (SPD) mit: Haben sie nicht. Zumindest nicht alle. Tatsächlich unterschrieb offenbar bislang nur ein einziger Verband. Vor allem die vom türkischen Staat gesteuerte Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, will noch mehr Einfluss auf die Personal- und Studiengangsentscheidungen. Und was sie nicht will, ist ein Passus im Vertrag, demzufolge der Institutsbeirat evaluiert und gegebenenfalls neu besetzt werden kann. Doch ebenfalls am Dienstag verkündete Krach: Mehr Einfluss gibt es nicht. Zur Not starten wir das Institut an der Humboldt-Universität dann halt nur mit den Verbänden, die mitmachen wollen.

 

Der Schlagabtausch in Berlin ist, auch wenn das manche so sehen mögen, kein Beleg dafür, dass die Einbindung der Islamischen Theologie zum Scheitern verurteilt ist. Im Gegenteil: Das Hin und Her zeigt, wie grundlegend wichtig sie ist. Eine wissenschaftsgeleitete Theologie an den Universitäten, so prophezeite schon Annette Schavan, wird den Islam verändern. Genau das ließ sich in den vergangenen Jahren zum Beispiel in den erbitterten Konflikten zwischen Verbänden, Universität und Lehrstuhlinhaber Mouhanad Khorchide in Münster beobachten, und auch in Berlin waren einige Islamverbände zu bemerkenswerten Zugeständnissen bei der Institutsgründung bereit. Deshalb liegt Wissenschaftsstaatssekretär Krach richtig, wenn er jetzt Härte signalisiert und die Gründung des Instituts trotzdem vorantreibt.

 

Je lauter die die Stimme der Islamischen Theologie wird an deutschen Universitäten, desto mehr werden wir auch als Gesellschaft insgesamt von einem aufgeklärten Islam profitieren. Von einem Islam, der nicht nur zu Deutschland gehört, sondern irgendwann wie selbstverständlich auch gehört wird. Dieses Ziel ist den gegenwärtigen Streit mehr als wert.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Dr. Josef König (Donnerstag, 05 April 2018 10:34)

    Lieber Jan-Martin,

    Deinem Beitrag, dem ich im Grund vollauf zustimmen kann, weil der Staat sich das Recht nimmt, "Religionen zu domestizieren, damit kein Staat im Staate entsteht", bringt mich aber auf den anderen Gedanken: Warum soll er sich überhaupt sich mit religiösen Organisationen abstimmen bzw. diesen die Erlaubnis geben, wer die jeweilige Theologie unterrichten darf? Das gilt für die Katholische Theologie, für die selbst Rom noch in Deutschland im Prinzip zuständig ist, das gilt auch für die Evangelische Theologie und ihre zuständigen Landeskirchen - und nun für den Islam, für den keine vergleichbare Struktur/Körperschaft existiert.

    Warum also nicht radikaler denken und die Konkordate direkt kündigen? Schließlich ist die Zahl der konfessionellen Schulen in Deutschland relativ gering, so dass auch staatlich ausgebildete Religionslehrer vom Staat ausgewählt wären. Natürlich kann ich mir den Sturm der Kirchen vorstellen, aber auch der geht mal vorüber.

    Ich schreibe das vor dem Hintergrund eines philosophischen Disputs mit einem jungen Wissenschaftler, der sich vorgenommen hat, Theologie wissenschaftlich zu begründen und damit ihre Berechtigung an den Unis zu erweisen, als ob wir im Mittelalter wären und Gottesbeweise benötigten, damit Dogmatik und Fundamentalontologie in Theologischen Fakultäten zu Recht gelehrt werden.

    Es ist zwar eine andere Diskussion - aber letztlich berührt sie die in Deutschland nie echt vollzogene Trennung von Staat und Kirche ("Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" Präambel) und die Macht der Religionen auf den Staat. Da nun aber im Fall des Islam eine Körperschaft nicht vorhanden ist und damit die "Gleichbehandlung" erschwert (ebenso bei der Jüdischen Religion), wäre es in diesem Sinne nur konsequent, sie endlich zu vollziehen.

    Aber das ist eine weltergehende Diskussion, die ich - so vermute ich - nicht mehr erleben werde.

    Herzlich
    Josef König

  • #2

    Heiko Wolf (Donnerstag, 05 April 2018 14:55)

    "Warum also nicht radikaler denken und die Konkordate direkt kündigen?"

    Ganz einfach: Weil das Reichskonkordat eine Kündigung nicht vorsieht, daher ergibt sich daraus auch keine Kündigungsmöglichkeit. Eine ordentliche Kündigung ist schlicht nicht möglich.

  • #3

    Edith Riedel (Donnerstag, 05 April 2018 15:21)

    "Warum also nicht radikaler denken und die Konkordate direkt kündigen?"

    Eine absolut berechtigte Frage, und meines Erachtens gar nicht so radikal. Wie von Herrn Diepold richtigerweise festgestellt, ist die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland (leider) nie vollständig vollzogen worden. Und wie die Wissenschaftsfreiheit mit dem massiven Einfluss der Kirchen auf die Besetzung der Professuren und die Gegenstände von Forschung und Lehre vereinbar sein soll entzieht sich mir vollends. Die aktuelle Debatte darum, welche islamischen Verbände bei der Besetzung von Professuren ein Mitspracherecht erhalten sollen, geht meines Erachtens in die falsche Richtung, zementiert sie doch die Einflussnahme religiöser Institutionen auf die Wissenschaft anstatt zu hinterfragen, ob dieses veraltete Konzept nicht endlich abgeschafft werden sollte.