Heute Abend trifft die neue Bundesforschungsminsterin Anja Karliczek erstmals die meisten ihrer Länderkollegen. Es dürfte ein spannendes Kennenlernen werden.
ES IST DIE wahrscheinlich bislang abwechslungsreichste Arbeitswoche für Anja Karliczek. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch verbrachte die neue CDU-Bundesforschungsministerin auf Schloss Meseberg, Bonding mit den Kabinettskollegen war angesagt. Einige Minister seien erst um kurz vor vier ins Bett gegangen, war danach von eben jenen Ministern zu hören, von Jens Spahn (natürlich!), von Julia Klöckner, Hubertus Heil und von Franziska Giffey. Kanzlerin Angela Merkel berichtete ihrerseits von "später Stunde und Rotwein", hielt aber nicht bis zum Ende durch, auch Anja Karliczek verabschiedete sich offenbar früher. Eine kluge Entscheidung. Denn heute könnte es schon wieder spät werden.
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern trifft sich am Vorabend ihrer regulären Sitzung zum mittlerweile traditionellen Kamingespräch. Es wird auch dort ein intensives Kennenlernen. Die meisten Landeswissenschaftsminister begegnen ihrer Bundeskollegin zum ersten Mal, anders als bei Karliczeks Vorgängerin, der ehemaligen Landesministerin Johanna Wanka, können sie bei der Neuen nicht auf Vorerfahrungen aufbauen. Man kann sich dementsprechend die Neugier aller Beteiligten vorstellen. Schon aus Prinzip wird keine und keiner heute Abend schnell wieder gehen: Claims werden abgesteckt, Beziehungen definiert. Es dürfte also ein spannender wie anstrengender Abend für Anja Karliczek werden, auch jenseits des offiziellen Endes um 21.30 Uhr.
Die Bremer Wissenschaftssenatorin und GWK-Ko-Vorsitzende Eva Quante-Brandt (SPD) hatte bereits vor zwei Wochen vorgefühlt und Karliczek im BMBF besucht. Mit der könne man arbeiten, befand Quante-Brandt danach intern. Ein erstes konkretes Zeichen dafür gibt es auch schon. In den vergangenen Jahren, fanden etliche Minister, habe die eigentliche GWK-Sitzung zunehmend ihre inhaltliche Bedeutung eingebüßt, weil dort hauptsächlich vorbereitete Entscheidungen abgearbeitet wurden, während die echten Debatten und damit die eigentlichen politischen Weichenstellungen in den – inoffiziellen – Kaminrunden abgehandelt worden seien.
Neben der mangelnden Verbindlichkeit (die Vereinbarungen beim Kaminabend stehen in keinem offiziellen Protokoll) störte die Landesministerien daran auch die verordnete einseitige Exklusivität: Beim "Kamin" sind nur die Minister selbst zugelassen, ihre Staatssekretäre müssen bis zum offiziellen Teil am nächsten Morgen warten. Eine Regel, die freilich nur für die Länder gilt: Das BMBF kreuzte stets mit Ministerin Wanka und ihrer Staatssekretärin – Cornelia Quennet-Thielen – auf. Was die beiden auch für folgerichtig hielten, schließlich sitzen den beiden BMBF-Vertreterinnen stets 16 Länder gegenüber, die es alle auf ihr Geld abgesehen haben.
Doch Wankas Nachfolgerin Anja Karliczek hat nun ihre Bereitschaft signalisiert, die eigentliche GWK-Sitzung wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Das zeigt auch ein Tagesordnungspunkt von Freitag: "Arbeitsplanung der GWK 2018", dazu "Aussprache und Beschlussfassung". Es soll also einen offiziellen und protokollierten Fahrplan für die anstehenden GWK-Beschlüsse geben – ein Zugeständnis von Karliczek an die Länder. Apropos: Was wird denn nun heute und morgen inhaltlich wichtig? "Die Zukunft des Hochschulpakts", lautet die einhellige Antwort aus den Ministerien. In ein paar Tagen legt der Wissenschaftsrat ein Papier dazu vor, das eine Reihe neuer Ansätze und Ideen zu seiner Gestaltung enthalten wird. Darauf aufbauend wollen Bund und Länder im Juni in die Verhandlungen einsteigen, möglichst vor Jahresende soll dann die neue Vereinbarung inhaltlich stehen.
Schon im Februar 2017 hatten SPD-Wissenschaftspolitker einen möglichen Vergabemechanismus vorgeschlagen, der auf eine Finanzierung von 1000 bis 3000 Euro pro Student in der Regelstudienzeit hinausläuft, abhängig vom Studienfach. Für Studierende ohne Abitur solle es den doppelten Betrag geben. Fünf ostdeutsche SPD-Wissenschaftsminister waren ebenfalls noch vor der Bundestagswahl mit ihrem Konzept nachgezogen. Und zuletzt regte das CSU-geführte bayerische Wissenschaftsministerium an, künftig müsste auch die Zahl der bereits vorhandenen Professoren bei der Mittelvergabe berücksichtigt werden.
Klar ist, dass bei jeder neuen Idee jede Landesministerin und jeder Landesministerin seine Leute erstmal nachrechnen lässt, ob dadurch am Ende fürs eigene Land weniger oder mehr Geld als bislang herausspringt. Und klar ist auch, dass alle Ressortchefs einen Mechanismus wollen, der ihnen mindestens dieselben finanziellen Vorteile reserviert wie bisher. Insofern dürfte es bei der GWK neben dem Zeitplan für die anstehenden Verhandlungen für die Länder vor allem darum gehen, auf den Busch zu klopfen und herauszufinden, wieviel Geld das BMBF am Ende überhaupt zu geben bereit ist – und wieviel inhaltliche Flexibilität Karliczek im Gegenzug von den Ländern erwartet.
Ebenfalls zur Sprache kommen dürften die Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil zum NC in Medizin, wobei der Bund den Ländern bei der Neugestaltung der Zulassungsregeln den Vortritt lassen möchte. Auch die Anschlussfinanzierung für den Pakt für Forschung und Innovation (das ist der für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen) gerät ins Blickfeld, wobei hier vor allem die Länder gefordert sind. Denn der Bund wird hier nur weitermachen, wenn die Länder anders als in der laufenden Periode wieder die Aufwüchse mitbezahlen.
Und dann ist da noch ein Thema, das Anja Karliczek besonders wichtig sein dürfte: Wann geht es wie mit dem FH-Nachwuchspakt weiter, der es im Gegensatz zu seinem Uni-Pendant (Stichwort "Tenure Track") vor der Bundestagswahl nicht mehr in die Umsetzung geschafft hatte? Auch wenn die Länder verständlicherweise vor allem auf die Diskussionen zum finanzpolitisch bedeutsameren Hochschulpakt erpicht sind, hochschulpolitisch ist der Druck beim Thema FHs genauso groß.
Aber wie das so ist im Leben: Den eigentliche Wert, das Besondere an dieser GWK-Sitzung werden heute und morgen ohnehin nicht die Inhalte ausmachen. Sondern das Menschliche. Welche Dynamiken ergeben sich zwischen Anja Karliczek und ihren Länderkollegen? Und was bedeutet das für die Bund-Länder-Zusammenarbeit in den nächsten Jahren? Eins lässt sich schon jetzt sagen: Aus der Ferne fanden die meisten der anreisenden Wissenschaftsminister die neue BMBF-Chefin sympathisch. Mal gucken, wie es aus nächster Nähe so klappt.
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