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Wird der Digitalpakt größer als erwartet?

Bislang dachten die Länder, sie würden ohne expliziten Eigenanteil auskommen. Jetzt könnte die geplante Verfassungsänderung dazu führen, dass sie zum Bundesgeld mindestens eine halbe Milliarde dazulegen müssen.

Foto: pixabay
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DER DIGITALPAKT WIRD womöglich größer ausfallen als bislang geplant. Grund sei die vorgesehene Verfassungsänderung, sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Helmut Holter, auf Anfrage: "Da es sich bei dieser für den Digitalpakt neuen Rechtslage um Kommunalinvestitionen handelt, darf der Bund die kompletten Kosten nicht allein tragen." Die Länder müssten einen Eigenanteil aufbringen, der voraussichtlich zwischen "zehn und 50 Prozent der Gesamtmittel" liegen werde. 

 

Die genaue Größenordnung sei Verhandlungssache, fügte Holter, der zugleich Bildungsminister von Thüringen ist, hinzu. In jedem Fall dürfte das Volumen des Digitalpakts damit auf mindestens 5,5 Milliarden Euro ansteigen, möglicherweise sogar auf einen noch deutlich höheren Betrag. "Das war für uns Länder eine Überraschung, denn die Mittel waren bisher nicht vorgesehen", sagte der Linken-Politiker. "Aber für die Schulen ist das sicherlich eine gute Nachricht."

 

Bundesbildungsministern Anja Karliczek (CDU) teilte am Freitagabend ebenfalls mit, sie erwarte, dass der Digitalpakt über die bislang geplanten fünf Milliarden Euro hinauswachsen werde. Es treffe zu, dass die Länder sich mit mindestens zehn Prozent an dem Programm beteiligen müssten, da der Pakt nach der geplanten Grundgesetzänderung als eine sogenannte "Finanzhilfe" gelte. "Wir wollen die Bundesmittel für den Digitalpakt auf jeden Fall bei fünf Milliarden Euro belassen", sagte Karliczek weiter. "Deshalb wird, wenn auch die Bund-Länder-Vereinbarung geschlossen ist, für die Schulen unseres Landes mehr Geld zur Verfügung stehen." Das Plus werde "500 Millionen Euro oder mehr umfassen, "die dann zusätzlich in die digitale Bildung an den Schulen investiert werden können. Das begrüße ich."

 

Es ist eine Nachricht, die offenbar die Fachpolitiker der Koalition völlig überrascht. Auch die Länderminister haben sich zu den möglichen Mehrkosten noch nicht offiziell positioniert, im Hintergrund sollen zu der Frage jedoch bereits Gespräche stattgefunden haben. KMK-Präsident Holter ist nun der erste, der sich öffentlich zu den möglichen Mehrkosten äußert. Seine Stellungnahme macht die Zwickmühle der Kultusminister deutlich: Sie müssten das zusätzliche Geld erst noch auftreiben. Bisher gingen sie davon aus, ihren Anteil am Pakt sei über das abgedeckt, was sie direkt in die Lehrerfortbildung, die Anpassung der Lehrpläne und die Ausstattung der Schulen stecken. 

 

"Wir lassen zurzeit prüfen, ob das juristisch zwingend ist, denn es ist eigentlich nicht so verabredet gewesen", sagt Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) am Abend. "Wenn das so ist, müssen wir uns mit dem Bund unterhalten, wie der Anteil der Länder erbracht werden kann.“ Ein Aufstocken des Fünf-Milliarden-Pakts um 500 Millionen Euro oder mehr durch die Länder sehe er derzeit jedenfalls kritisch.

 

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wiederum betont, die Länder hätten "ein klares Bekenntnis zum Digitalpakt abgegeben, übrigens deutlich klarer und früher als der Bund selbst. Zu diesem Bekenntnis stehen wir."  Sie sei aber "sehr überrascht" und wehre sich dagegen, "wenn der Bund jetzt einseitig Summen von 500 Millionen Euro und mehr in den Raum stellt, die die Länder zu erbringen hätten. Und zwar zusätzlich zu all dem, was die Länder ohnehin schon laut den ausgehandelten Eckpunkten zu leisten bereit sind." Bevor die Länder mit dem Bund über mehr Geld redeten, so Eisenmann, müsse überhaupt einmal die inhaltliche Unterfütterung da sein.

 

Scholz stellt Geld früher ein,
SPD erhöht Druck auf Karliczek

 

Auch in anderer Hinsicht nimmt die Debatte Fahrt auf. Vergangene Woche kündigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)  an, dass er den Investitionsfonds, aus dem unter anderem der Digitalpakt gespeist werden soll, bereits dieses Jahr mit 2,4 Milliarden Euro der zu erwartenden Steuermehreinnahmen füllen möchte. In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD festgelegt,  den Fonds mit den Erlösen aus 5G-Lizenzen zu füllen. Deren Versteigerung steht nach Angaben der Bundesnetzagentur jedoch erst Anfang 2019 an. 

 

SPD-Bildungspolitiker feiern Scholz' Ankündigung deshalb als großen Erfolg und setzen jetzt prompt die Bundesbildungsministerin unter Handlungsdruck. "Dank eines SPD-Finanzministers ist schon 2018 Geld für den Digitalpakt da", sagte die Bundestagsabgeordnete Marja-Liisa Völlers am Freitagmorgen in einem Pressegespräch. "Jetzt ist es an Frau Karliczek, die Gelegenheit zu nutzen und die Bund-Länder-Verhandlungen zügig über die Bühne zu bringen." Völlers ist Berichterstatterin ihrer Fraktion für den Digitalpakt.

 

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass schon länger unter den Koalitionspartnern verabredet war, zur Not das Geld für den Digitalpakt vorzuschießen, falls die erste Tranche vor der 5G-Versteigerung fällig werden sollte. Und um einem Missverständnis vorzubeugen: Es wird durch Scholz' Ankündigung kein Euro zusätzliches Bundesgeld  für den Digitalpakt fließen, die erste Teilrate würde lediglich unabhängig von den Lizenzverkäufen zur Verfügung stehen. 

 

Ob das Geld auch früher als gedacht ausgegeben werden kann, ist indes fraglich. Vor dem Pakt soll, siehe oben, erst noch das Grundgesetz geändert werden, so hat es die Große Koalition verabredet. Der interne Zeitplan sieht vor, dass die Grundgesetzänderung bis November über die Bühne gebracht werden soll, offenbar will der Bund erst im Anschluss daran die Verhandlungen mit den Ländern über die nötige Verwaltungsvereinbarung aufnehmen.

 

"Ich fordere die Bundesregierung dringend auf, die für den Digitalpakt nötige Grundgesetzänderung laut Artikel 104c nicht mit den weiteren geplanten Verfassungsänderungen im Paket in die Abstimmung zu geben", sagt KMK-Präsident Holter. In der Bildungspolitik bestehe seines Erachtens Einvernehmen über die geplanten Anpassungen des Grundgesetzes, und zwar sowohl zwischen Regierung und Opposition im Bundestag als auch zwischen Bund und Ländern. "Bei den übrigen Grundgesetz-Artikeln kann das anders sein, und es wäre schlecht, wenn dadurch die Verabschiedung des 104c und in der Folge auch der Digitalpakt verzögert werden würde."

 

SPD-Bundespolitikerin Völlers warnt die Ministerin unterdessen davor, ihrerseits auf Zeit zu spielen. "Die Ministerin will offenbar noch einmal an die bereits ausgehandelten Eckpunkte heran." Ihr Parteikollege Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktionssprecher für Bildung, sagte heute Morgen: "Wir halten das für falsch. Die Ministerin soll von der Bremse heruntergehen."

 

Karliczeks Ministerium will auf Nachfrage nicht bestätigen, dass die Ressortchefin tatsächlich die vergangenes Jahr mühsam ausgehandelten Eckpunkte nachverhandeln möchte. Aber dass alles so bleibt, wie es ist, sagt Karliczeks Sprecherin auch nicht. Man hält sich weiter bedeckt, scheint seit Wochen auf Zeit zu spielen. Aber weshalb? 

 

Womöglich sind die heute Nachmittag bekannt gewordenen Forderungen an die Länder, sich aufgrund der veränderten Verfassung an finanziell am Digitalpakt zu beteiligen, ja ein Teil der Erklärung für Karliczeks Taktieren. SPD-Bildungsexperte Kaczmarek sagte am Abend auf Nachfrage, sollte es so kommen, "wäre das auf jeden Fall eine Veränderung der Gesprächsgrundlagen und würde die Sache wieder aufhalten."

 

KMK-Präsident Holter hatte schon im April zu Protokoll gegeben, er hoffe in der Frage der Eckpunkte "dringend auf Klärung". Offenbar hat er die jedoch bei einem Treffen mit Karliczek Anfang Mai auch nicht bekommen. "Mir ist nicht bekannt, ob die Ministerin da nachverhandeln möchte", sagt Holter und fügt hinzu: "Die KMK geht davon aus, dass die Eckpunkte die Basis für die Bund-Länder-Vereinbarung sind." Man dürfe keine Zeit in langwierigen Verhandlungen verlieren, 2019 müsse das erste Geld fließen. 

 

Ministerin Karliczek gehe ebenfalls davon aus, dass der Digitalpakt 2019 in Kraft treten könne, bekräftigte ihre Sprecherin.

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