Die meisten angehenden Pädagogen werden so auf ihren Beruf vorbereitet, als hätte es die Digitalisierung nie gegeben, meldet der neue "Monitor Lehrerbildung".
DIE ERGEBNISSE SIND ERNÜCHTERND. Während alle von Digitalisierung reden, ist es an Deutschlands Hochschulen vielerorts immer noch möglich, ein Lehramtsstudium abzuschließen, ohne darin auch nur einmal mit dem Thema digitale Medien in Berührung gekommen zu sein. Zwar sieht etwa die Hälfte der befragten 63 Hochschulen Lehrveranstaltungen zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien vor, aber nur in einzelnen Lehramtsfächern. Die Anzahl der Hochschulen, die in allen ihren Lehramtsfächern verpflichtende Kurse vorsehe, liege im einstelligen Bereich, berichten die Autoren des alle zwei Jahre erscheinenden "Monitors Lehrerbildung", der diesem Blog exklusiv vorab vorliegt. Und das gelte für sämtliche angebotene Lehramtstypen, von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II.
Die Erkenntnisse der Studie sind umso frappierender, wenn man ihren Kontext bedenkt. Ende 2016 haben die Kultusminister der Länder in ihrer Strategie "Bildung in der digitalen Welt" einen ehrgeizigen formuliert: Niemand soll künftig die Schule verlassen, ohne die grundlegenden Fähigkeiten erworben zu haben, die er oder sie im Zeitalter der Digitalisierung braucht. Dieses allgemein klingende Ziel haben die Kultusminister mit sechs konkreten Kompetenzfeldern und einem Zieljahr versehen: Vom Schuljahr 2018/2019 an sollen alle Schulen bundesweit so aufgestellt sein, dass sie allen neu eingeschulten Grundschülern die entsprechend angepassten Curricula bieten. Auch die Schüler der weiterführenden Schulen sollen vom kommenden Schuljahr an nach den Grundsätzen der KMK-Strategie unterrichtet werden. Die übrigens noch ein zweites Zieljahr definiert: "Möglichst bis 2021", so steht es in dem Papier, sollen alle Schüler "eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können". Auch hierfür müssten alle Lehrer entsprechend vorbereitet werden – und zwar schleunigst.
"Die Realität sieht momentan so aus, dass auch in fünf oder sechs Jahren Absolventen in den Schulen ankommen werden, denen die von der KMK beschlossenen didaktischen Fähigkeiten noch fehlen", sagt die Studienautorin Bianca Brinkmann. "Da besteht dringend Handlungsbedarf."
Und politisch brisant ist das Ganze auch: Über den "Digitalpakt Schule" will der Bund fünf Milliarden Euro in die digitale Ausstattung der Schulen investieren. In den vergangenes Jahr ausgehandelten Eckpunkten zu dem geplanten Bund-Länder-Abkommen heißt es, die Länder leisteten ihren Anteil unter anderem durch die "bedarfsgerechte Qualifizierung des Lehrpersonals, damit dieses den Bildungs- und Erziehungsauftrag in der "digitalen Welt" verantwortungsvoll erfüllen kann“. Als Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor dem Wochenende mitteilte, dass die Länder aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl doch einen expliziten Eigenanteil von mindestens 500 Millionen Euro auf die fünf Bundesmilliarden drauflegen müssten, reagierten mehrere Kultusminister ablehnend – und verwiesen auf die Verabredung in den Eckpunkten. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als würden die meisten Länder die darin eingegangene Verpflichtung bis Ende des Jahres erfüllen.
Denn auch sonst ist der mangelnde Elan der Kultusminister erstaunlich. So meldeten nur fünf von 16 Bundesländer dem "Monitor Lehrerbildung", dass sie den Umgang mit digitalen Medien in den staatlichen Prüfungsordnungen verankert haben. Drei weitere Länder berichten von entsprechenden Planungen. In Hochschulverträgen oder Zielvereinbarungen mit den Hochschulen berücksichtigen nur zwei Länder – Berlin und Niedersachsen – die digitalen Medien. Aus sechs Kultusministerien haben die Monitor-Macher nicht einmal eine Rückmeldung auf ihre Frage erhalten, welche in der KMK-Strategie "Bildung in der digitalen Welt" genannten Maßnahmen "zur Einflussnahme auf das Lehramtsstudium" die Länder ergriffen haben oder planen.
Zu den Kultusministerien, die laut dem Monitor eine Antwort schuldig geblieben sind, gehört ausgerechnet auch das thüringische. Dessen Chef heißt Helmut Holter und ist zurzeit Präsident der Kultusministerkonferenz. Im Vorwort der Studie betont er das "große Potenzial" digitaler Medien "zur Entwicklung neuer Lehr- und Lernprozesse" und fügt hinzu: "Wir müssen künftige Lehrkräfte fit machen in der universitären Ausbildung in den Unterrichtsfächern sowie in den Bildungswissenschaften."
Die Autoren des "Monitor Lehrerbildung" fordern in ihren Schlussfolgerungen, digitale Medien müssten als "Pflichtthema" vorgesehen werden, und zwar, wie Bianca Brinkmann betont, "für jeden Lehramtstyp, in jedem Lehramtsfach". Die Schule dürfe sich nicht zu einem Paralleluniversum entwickeln, das abgekoppelt sei von einer Alltagswelt, die von der Digitalisierung immer stärker geprägt werde, sagt Brinkmann: "Der Umgang mit digitalen Medien gehört zu einem zeitgemäßen Professionsverständnis im Lehrerberuf unbedingt dazu."
Der "Monitor Lehrerbildung" ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bertelsmann-Stiftung, Stifterverband, Telekom-Stiftung und des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Alle seit 2012 erhobenen Daten zur Struktur des Lehramtsstudiums können online abgerufen werden.
Auch den Fort- und Weiterbildungsangeboten komme eine große Bedeutung zu, um aktive Lehrer für das Unterrichten mit digitalen Medien zu qualifizieren, betonen die Autoren. Diese habe jedoch nicht im Fokus der aktuellen Studie gestanden. Bei aller Ernüchterung berichten Brinkmann und ihre Kollegen auch von positiven Beispielen. So hat etwa Baden-Württemberg eine Investitionsoffensive zur Förderung der Digitalisierung in der Lehrerbildung gestartet. Mit mehr als 300 Millionen Euro soll die landesweite Digitalstrategie digital@bw Projekte zur Digitalisierung fördern. Teil der Strategie ist auch Förderprogramm für hochschulübergreifende Hochschulverbünde in der Lehrerbildung und speziell für das Unterrichten in der digitalen Welt.
Auch im Rahmen der von Bund und Ländern finanzierten "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" haben einige Hochschulen ihr Lehramtsstudium auf die Digitalisierung hin ausgerichtet. Die Technische Universität Kaiserslautern etwa hat ein Projekt gestartet, das alle Phasen der Lehrerbildung einbezieht und die Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien in den Blick nimmt. Ein rühmliches Beispiel und – siehe oben – leider noch immer ein seltenes.
Kommentar schreiben
Kai Wörner (Mittwoch, 23 Mai 2018 09:58)
Wenn die Unis hier zu wenig machen, ist das Referendariat gefragt. Unser Vorschlag #DiBiS steht hierzu im Raum und darf gerne weiterverbreitet werden. Es bedarf nur ein wenig Einlesezeit, alles ist als OER verfügbar �� https://bayernedu.wordpress.com/dibis/
Mannheimer Studi (Mittwoch, 23 Mai 2018 11:06)
Klar, die Digitalisierung aller Lebensbereiche schreitet voran, doch im staatlichen Sektor hat man immer wieder das Gefühl es ginge alles nur im Schneckentempo. Die Universität Mannheim hat ein Zentrum für Hochschuldidaktik, das Lehrende darin unterstützt digitale Medien in der Lehre einzusetzen (Online Vorlesung, Aufzeichnung von Sprache zu den Präsentationsvorlesung etc.). Es gibt dort sage und schreibe eine(!) TV-L E13 Stelle und diese wird von den studentisch kontrollierten Qualitätssicherungsmitteln (QSM) bezahlt. Daher ist sie immer auf ein Jahr befristet.
Eine Reihe Professoren kommen nicht mit der Technik einfachsten Technik klar. Bei Berufungsvorträgen für eine Juniorprofessur waren hauptsächlich hervorragende Promovierte aus angesehenen angelsächsischen Hochschulen eingeladen. Einer der Vollprofessoren war damit betraut Laptop und Beamer im Seminarraum aufzubauen. Als er scheiterte, sagte der Kollege er könne das auch nicht. Es klappte dann doch irgendwie noch rechtzeitig - wohl vor allem weil wahnsinnig viel Zeit für den Aufbau eines Laptops eingeplant war.
Auch wenn es kein Lehramtsstudium war, so stehen beide Herren mitnichten kurz vor der Emeritierung. Fraglich, ob man solches Lehrpersonal wirklich eine fundierte Ausbildung in digitalen Medien zu leisten vermag. Vielleicht sind Online "Universitäten" wie Coursera, Udacity und co. bei allen Schwierigkeiten des Formats doch irgendwo überlegen.
Mathias Magdowski (Donnerstag, 24 Mai 2018 07:28)
So ganz neu ist das Problem ja nicht. Ich kann mich gut erinnern, dass unser 1995 neu gebautes Gymnasium ein Sprachlabor mit einem Kassettenrekorder (!) an jedem Platz hat. Die Schüler kamen damit klar, die Lehrer nicht (weil wohl alle vor dem Walkman-Zeitalter aufgewachsen waren), also wurde es nicht genutzt und gammelte vor sich hin. Wahrscheinlich hätte man das Sprachlabor mit einem Schallplattenspieler oder Grammophon an jedem Platz ausstatten müssen, damit die Lehrer damit klar kommen.
Als Analogie dazu, müsste man die Schulen also wohl erst mal mit "internetfähigen Schreibmaschinen" ausstatten, damit die Lehrer die Technik nutzen, was aber natürlich nicht praktikabel und sinnvoll ist.
tmg (Donnerstag, 24 Mai 2018 20:56)
Was für ein grammatikalisches und inhaltliches Durcheinander, der Beitrag des ''Mannheimer Studi''.
Intendiertes Fazit des Beitrags scheint wohl zu sein: es gibt Vollprofessoren (sic!), die Schwierigkeiten haben, einen Beamer und einen Laptop anzuschliessen, und daraus folgt, dass es mit der Ausbildung in digitalen Medien im Universitätsbereich nicht klappen kann.
Der 'Studi' schein Professoren mit technischen Angestellten zu verwechseln.
Immerhin ist das ein schönes Beispiel dafür, auf welchen
Niveau die Debatte zur Digitalisierung im Bereich Lehre derzeit abläuft.
Mannheimer Studi (Freitag, 25 Mai 2018 16:16)
@tmg: Da habend sich beim tatsächlich eine Reihe Fehler eingeschlichen. Manchmal verschlimmbessert man leider.
Wenn Sie mögen versuche ich es erneut. Die Professoren auf W3 Besoldungsstufe nennen wir in Mannheim umgangssprachlich Vollprofessoren, da sie im Gegensatz zu den Juniorprofessoren unbefristete Stellen haben. Die Begrifflichkeit kommt wohl aus den USA wo man vom Assistant, Associate und Full Professor spricht. Diese Vollprofessoren sind es, die das Curriculum erarbeiten und die meisten Vorlesungen halten. Wenn dieses wichtige Lehrpersonal nun den Umgang mit digitalen Medien selbst nicht beherrscht, fällt deren Lehre analog aus. Technische Angestellte lehren in Mannheim übrigens nicht.
Ist die "Ausbildung in digitalen Medien im Universitätsbereich" deshalb nun insgesamt zum Scheitern verurteilt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß nicht wie die Situation im Lehramtsstudium ist. Doch wenn man beklagt, dass die Lehrer in den Schulen nicht für digitale Lehre qualifiziert sind und man folgerichtig an an den Universitäten ansetzen möchte, so sollte man sich zumindest fragen lassen, ob das Lehrpersonal in den Universitäten denn dafür qualifiziert ist.
Leider habe ich noch keinen Beitrag von Ihnen zu dieser Frage gelesen, lieber tmg. Sind Sie der Meinung, dass Lehrer selbst ein Thema beherrschen müssen, um es anderen näher bringen zu können? Falls ja, trifft das nur auf Lehrer in der Schule zu, oder gilt das gleiche auch für Professoren an der Universität?