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So geht das nicht

Eine parlamentarische Anfrage enthüllt: Die Bundesregierung drückt sich beim Thema digitale Teilhabe in der Schule.

ES SIND 21 FRAGEN, die der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg der Bundesregierung gestellt hat. Thema seiner kleinen parlamentarischen Anfrage: die "Ausgestaltung des Digitalpakts Schule". Die Bundesregierung hat ihm zwar nicht 21 Antworten geschickt, aber diejenigen Ausführungen, die Brandenburg erhalten hat, haben es in sich. 

 

Unterzeichnet hat sie der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Michael Meister. Seine wichtigste Botschaft: Die Bundesregierung geht davon aus, dass der "Bedarf an digitalen Endgeräten“ bei Kindern aus armen Familien über die sogenannte Regelbedarfsleistung gedeckt ist. Soll heißen: Kinder, die von Hartz IV leben, sollen sich das nötige Handy oder Tablet, das sie künftig immer häufiger für die Schule brauchen werden, über die Monate (und das müssen viele sein) zusammensparen.

 

Brandenburgs Frage, ob die Bundesregierung ein Aufstocken des Bildungs- und Teilhabepakets für notwendig erachte, um "die Finanzierung eigener Tablets der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen", beantwortet Meister nur indirekt: "Die zunehmend wichtige Funktion digitaler Endgeräte für den Unterrichtsalltag", schreibt er, habe bei der Grundsicherung bereits zu einer "Veränderung der rechtlichen Bewertung geführt". 

 

Was da in so nüchternen Formulierungen daherkommt, geht inhaltlich gar nicht.

 

Das Problem ist dabei nicht, dass Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf dem Prinzip "Bring your own device" beharrt, also darauf, dass mit den fünf Bundesmilliarden aus dem Digitalpakt keine Tablets oder Laptops für Millionen Schüler angeschafft werden sollen. Auch wenn Brandenburg sie dafür kritisiert, an der Stelle liegt die Ministerin vollkommen richtig. Andernfalls würde die Wirkung des Programms verpuffen, weil kaum noch Geld  für den Ausbau der IT-Infrastruktur an den Schulen übrig bliebe. Auch wären die angeschafften Geräte nach wenigen Jahren hoffnungslos veraltet, während die Infrastruktur zumindest eine etwas längere Lebensdauer und größere Chancen auf ein regelmäßiges Update hat. 

 

Selbst dass die BYOD-Logik, wie Staatssekretär Meister in seinen Antworten widerwillig bestätigt, keineswegs zwangsläufig aus den von Bund und Ländern ausgearbeiteten Digitalpakt-Eckpunkten oder aus bestehenden Beschlüssen der Kultusministerkonferenz folgt, kann man meinetwegen hinterfragen, ist aber im Grunde zweitrangig. 

 

Wirklich ärgerlich, ja bestürzend wird die Antwort der Bundesregierung dadurch, dass sie achselzuckend den sozialen Sprengstoff von BYOD ignoriert. Indem sie behauptet, die gegenwärtige Rechtslage reiche aus. Es entspricht nun einmal nicht der Realität, dass Familien, die von Hartz IV leben, vom Monat der Geburt ihres Kindes an jeden Monat ein, zwei Euro aus dessen Regelsatz zurücklegen werden, um dann ein paar Jahre später davon für ihr Schulkind ein Tablet zu kaufen. Woraufhin sie sofort wieder mit dem Sparen anfangen müssten, um das Gerät ein paar Jahre später ersetzen zu können. 

 

Es hilft in dem Zusammenhang auch wenig, dass einzelne Bundesländer rühmlicherweise eigene Programme für die digitale Teilhabe ihrer Schüler auf den Weg gebracht haben. Die Qualität der Bildung – auch die der digitalen Bildung – darf nicht noch stärker als ohnehin schon vom Wohnort oder Bundesland bestimmt werden.

 

Geradezu irreführend wird die Antwort der Bundesregierung, wenn Staatssekretär Meister auf Studienergebnisse verweist, denen zufolge 97 Prozent der über 14-jährigen Schüler über ein Smartphone, 69  Prozent über einen Computer und Laptop und 29 Prozent über ein Tablet verfügten. Nach dem Motto: Die haben doch längst, was nötig ist. Haben sie eben nicht. Damit Unterricht funktioniert, braucht es bestimmte von der Schule vorgegebene Geräte und Standards, die gleiche Software und die Einbindung ins Schulnetz.  Das ist etwas völlig Anderes. Außerdem: Was ist mit den jüngeren Schülern? Die sogenannte JIM-Studie, auf die Meister sich bezieht, hat als Grundgesamtheit 6,4 Millionen Jugendliche, was bedeutet, dass immerhin rund 200.000 doch kein Handy besitzen (nicht mal eine alte Gurke) und rund 4,5 Millionen kein Tablet. 

 

Klar ist: Der Digitalpakt, der nur Sinn ergibt, wenn er die Endgeräte ausklammert, wird scheitern, wenn nicht gleichzeitig eine sozial verträgliche, einfache und moderne Lösung für Kinder und Jugendliche aus finanzschwächeren Familien gefunden wird. Hier hat Jens Brandenburg, Sprecher seiner Fraktion für lebenslanges Lernen, vollkommen Recht, wenn er sagt: "Der Verweis auf den Regelbedarf des Arbeitslosengeldes II ist blanker Hohn und hilft den Schülern nicht weiter. Der Zugang zu digitaler Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen."

 

Aus dem Sozialministerium von Hubertus Heil, selbst ein über Jahre geschätzter SPD-Bildungspolitiker, hieß es gestern auf meine Nachfrage hin recht allgemein, man werde ja dem Koalitionsvertrag folgend demnächst noch einmal ans Bildungs- und Teilhabepaket gehen. Es wäre mehr als befremdlich, wenn dann immer noch die von BMBF-Staatsekretär formulierte Logik gelten würde. Von wegen "gedeckter Bedarf" bei den digitalen Endgeräten. 

 

Der Digitalpakt braucht Durchschlagskraft. Die Schulen dürfen aber nicht gleichzeitig zu Orten werden, an denen die soziale Herkunft anhand der im Unterricht verwendeten Endgeräte sichtbar wird. Oder daran, dass Schüler sich diese eben nicht leisten können. Zum Digitalpakt gehört ein grundlegend erweitertes Teilhabepaket. Zwangsläufig.

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Kommentare: 1
  • #1

    Mannheimer Studi (Freitag, 25 Mai 2018 15:49)

    Spannend, dass gerade die FDP hier den Finger in die sozialstaatliche Wunde legt. Sonst ist diese Partei doch immer für Eigenverantwortung. Eine Kehrtwende?