Unterstützt von der GEW wollen sich vier verbeamtete Lehrer das Streikrecht erkämpfen und argumentieren mit den Menschenrechten. Experten erwarten, dass Karlsruhe ihre Klage zurückweisen wird.
AM DIENSTAGVORMITTAG WIRD das Bundesverfassungsgericht eine seit Monaten erwartete Entscheidung verkünden. Vier verbeamtete Lehrer aus drei Bundesländern haben sich durch alle Instanzen geklagt, um nun von den höchsten Richtern zu erfahren: War es rechtens, dass sie für die Teilnahme an Streiks während der Unterrichtszeit mit Geldbußen und Einträgen in die Personalakten bestraft wurden? Dass ihnen zum Teil sogar Beförderungen versagt wurden, wie die vier, unterstützt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), angeben?
Die Urteilsverkündigung in Sachen "Streikrecht für Beamte" hat grundsätzliche Bedeutung für die bundesweit 650.000 verbeamteten Lehrer, aber auch für die Bundesländer. Sollten die Verfassungsrichter den Klägern das Streiken erlauben, käme das ihre Bildungsbudgets mittelfristig teuer zu stehen. Die Verhandlungsmacht der Lehrer wäre auf einen Schlag gewaltig, wenn sich statt der 200.000 angestellten Lehrer potenziell alle an einem Ausstand beteiligen könnten. Und das in Zeiten des Personalnotstands: Bis 2025 sollen laut einer Bertelsmann-Studie allein 35.000 Grundschullehrer fehlen.
Die Kläger argumentieren, für sie gelte der "Funktionsvorbehalt" nicht. Hinter dem Wort steckt die Kernlogik des traditionellen Beamtentums. Polizisten, Feuerwehrleute oder Justizbeamte üben sogenannte hoheitliche Tätigkeiten aus, und für solche verneinen Juristen ein Streikrecht von vornherein. Sie seien aber gar nicht hoheitlich tätig, sagen die Lehrer, der Funktionsvorbehalt sei in jedem Fall unverhältnismäßig zum dem ihnen verwehrten Grundrecht. Die vier berufen sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention und deren Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Dürften die Lehrer künftig streiken, könnten sie für alle 1,8 Millionen Beamten deutlich höhere Gehälter durchdrücken. Der Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Battis sagt jedoch: "Die Blütenträume der GEW werden nicht aufgehen." Bei der mündlichen Verhandlung im Januar nannte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) das Streikverbot einen "essentiellen Pfeiler des Berufsbeamtentums". Für all die Privilegien, die Beamte erhielten, von den Pensionen bis zur Beihilfe zur Gesundheitsversorgung, müssten die Bürger auf einen stets handlungsfähigen Staat vertrauen dürfen.
Battis sagt nun, genau diese Privilegien hätten die Verfassungsrichter in den vergangenen Jahren in mehreren Entscheidungen aufgewertet, seitdem hätten viele Beamte mehr Besoldung eingeklagt. "Würden dieselben Richter Beamte jetzt das Streikrecht einräumen, wäre das mehr als abenteuerlich, dann müssten sie ihre bisherige Rechtsprechung ändern."
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die ebenfalls im Januar dabei war, sagte zum Thema hoheitliche Aufgabe: "Bildung wird heute geradezu als eine Schicksalsfrage angesehen."
Klar ist: Höhere Gehälter bedeuten höhere Personalkosten und bei gleichbleibenden Budgets weniger Geld für Neueinstellungen. Weshalb auch die Eltern von Schulkindern Dienstagmorgen genau nach Karlsruhe schauen dürften.
Eine kürzere Fassung dieses Artikels erschien vergangene Woche in der ZEIT.
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