Anja Karlizcek will den Hochschulpakt nicht dynamisieren. Jetzt müssen die Landeswissenschaftsminister kreativ kontern.
Innenansicht der Fakultät für Mathematik und Informatik (FMI) der TU München in Garching. TobiasK: "MI-Gebäude der TU München Magistrale2.JPG", CC BY-SA 4.0
ANJA KARLICZEK SAGTE neulich, dass sie und ihr ebenfalls neuer Staatssekretär Michael Meister bis vor kurzem Finanzpolitiker waren, sei "gut fürs Thema, gerade jetzt. Finanzpolitiker achten genau darauf, dass das vorhandene Geld effizient ausgegeben wird."
"Gerade jetzt" soll heißen: in Zeiten, die keine exorbitanten Sprünge mehr bei den Forschungsbudgets erhoffen lassen. Auch das mit dem effizienten Geldausgeben darf man als Ansage verstehen. "Besonders in der Wissenschaft", sagt Karliczek, "wird es in den kommenden Jahren nicht in erster Linie um zusätzliches Geld gehen, sondern um die Frage, ob die Schwerpunkte noch die richtigen sind."
All jene Landeswissenschaftsminister, die nach Karliczeks überraschender Nominierung für das Amt der Bundesforschungsministerin hinter vorgehaltener Hand noch etwas von "Leichtgewicht" flüsterten, dürften spätestens nach diesen Sätzen verstummt sein. So verbindlich Karliczek auftritt, so hart geht sie in die Verhandlungen mit den Ländern um die Zukunft der Wissenschaftsfinanzierung. Dass ausgerechnet die Hochschulen als erstes die Folgen zu spüren bekommen könnten, irritiert da allerdings.
Seit Jahren galt es in der Wissenschaftsszene als inoffizieller Konsens, dass der Hochschulpakt, der bislang rund zwei Milliarden Bundeseuro pro Jahr an die Landesuniversitäten pumpt, nach 2020 mit dem Pakt für Forschung und Innovation (PFI) gleichgestellt werden sollte. Der PFI versorgt die außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit bald anderthalb Jahrzehnten jedes Jahr mit einem verlässlichen Plus. Mit dem Ergebnis, dass Max Planck, Leibniz, Fraunhofer und Helmholtz komfortabel vor sich hinforschen, während die Hochschulen Mangelverwaltung betreiben: Die Bundesmilliarden reichten gerade mal, um die Lehrqualität angesichts des Studentenbooms nicht vollends entgleiten zu lassen. Und was sagt Karliczek? Eine "Dynamisierung" des Hochschulpakts analog zum PFI, wie sie Anfang Mai auch der Wissenschaftsrat empfohlen hatte, "passt nicht zur Logik dessen, was wir vorhaben."
Das kann man falsch finden. Doch das wird nicht reichen. Die Wissenschaftsminister müssen jetzt reagieren. Nicht indem sie auf Karliczek schimpfen und einmal mehr ihre klägliche Armut beschwören, sondern indem sie der Bundesbildungsministerin ein Angebot machen. Einfach nur x Euro Bundesgeld pro Studierendem in der Regelstudienzeit oder ähnliches zu fordern, das wird nicht mehr laufen.
Stattdessen müssen sich die Minister auf einen Finanzierungsmechanismus einlassen, der – neben einer verlässlichen Basis für alle – jene Hochschulen spürbar besserstellt, die die Lehrqualität wirklich zum konzeptionellen Kern ihrer Mission machen. Indem sie sich besonders für bildungsferne Studienanfänger einsetzen, für potenzielle Studienabbrecher oder neue Studienmodelle am Übergang zwischen Schule und Hochschule entwickeln. Denkbar ist vieles. Klar ist indes: Die einen besonders belohnen bedeutet, dass die anderen – bei gleicher Studentenzahl – weniger Bundesgeld bekommen werden. Und alle Ausgaben müssen nach ein paar Jahren transparent auf ihre Wirkung überprüft werden.
Ein solcher Mechanismus erfordert Mut. Er ist aber auch richtig und passt in Zeiten knapper werdender Kassen. Was es wiederum der ehemaligen Finanzpolitikerin Karliczek erleichtern würde, bei Finanzminister Scholz doch die Dynamisierung für den Hochschulpakt durchzubekommen.
Dieser Beitrag erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Klaus Hekking (Montag, 18 Juni 2018 10:39)
Karliczek liegt nicht falsch. Das staatliche Hochschulsystem ist wie ein Baby:Was du oben reinsteckst, geht unten ungebremst raus