Kann der Bund doch noch zu einem regelmäßigen Plus bewegt werden, wenn die Länder bei der eigenen Hochschulfinanzierung in Vorleistung gehen?
Abbildung: Pixabay/geralt
DIE ABSAGE war deutlich. Eine Dynamisierung des Hochschulpakts, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor zwei Wochen im Interview, "passt nicht zur Logik dessen, was wir vorhaben." Kurz davor hatte bereits ihr parlamentarischer Staatssekretär Michael Meister (ebenfalls CDU) eine Kleine Anfrage der Grünen negativ beschieden: Die Aufgaben und Strukturen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterschieden sich grundlegend. Daher sei eine Kopplung der Mittelaufwüchse "nicht sachgerecht".
Karliczeks Länderkollegen wurden von dem doppelten Nein auf dem falschen Fuß erwischt. Tage vergingen ohne jede offizielle Reaktion. Doch jetzt hat Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) mit einem Gegenvorschlag gekontert, der es in sich hat: Im Gegenzug für die Dynamisierung des Hochschulpakts durch den Bund, sagt Krach, könnten sich die Länder ihrerseits zu jährlichen Budgetsteigerungen in gleicher Höhe verpflichten, und zwar nicht nur für die Pakt-Kofinanzierung, sondern für die gesamten Hochschul-Grundmittel.
Es ist ein Angebot, das Bundesministerin Karliczek öffentlich in die Bredouille bringen könnte. Ein anhaltendes Nein zur Dynamisierung würde kleinkariert wirken, wenn die Mehrheit der Länder plötzlich ihrerseits zur großen Geste bereit wären.
Zuletzt hat der künftige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter Alt, mit Verweis auf das jährliche Budgetplus für die Außeruniversitären Gleichbehandlung für die Hochschulen gefordert. "Nur wenn wir dieselbe Dynamisierung bekommen, sind wir auf Augenhöhe", sagte Alt Ende April unmittelbar nach seinem Wahlerfolg – und erhielt eine paar Tage später prompt prominente Unterstützung. In seinem Positionspapier zur Hochschulfinanzierung im Anschluss an den Hochschulpakt 2020 argumentierte auch der Wissenschaftsrat mit dem jährlichen 3-Prozent-Aufschlag für Helmholtz, Max Planck & Co durch den sogenannten Pakt für Forschung und Innovation (PFI) und folgerte: "Mit einem ebenso regelmäßigen und verlässlichen Aufwuchs der Mittel für die Hochschulbildung sollte darauf hingewirkt werden, dass die Budgetentwicklung der Hochschulen dem Aufgabenzuwachs folgt und sich die Hochschulen in gleicher Weise positiv entwickeln können wie die außeruniversitären Forschungseinrichtungen." Bund und Länder, so lautete die Empfehlung des Gremiums, sollten eine solche "dynamische Finanzierungskomponente" prüfen. So beschlossen auch mit den Stimmen der Bundesregierung im Wissenschaftsrat.
Doch hat man im BMBF das mit der Prüfbitte an Bund und Länder offenbar anders verstanden. "Aus Sicht der Bundesregierung", schrieb BMBF-Staatssekretär Meister an die Grünen, "ist in erster Linie die Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen durch die Länder maßgebend für ein zukunftsfähiges Hochschulsystem in Deutschland."
Und genau dieses Argument dreht Berlins Wissenschaftsstaatssekretär jetzt um: Wenn die Länder dieses "in erster Linie" erfüllen, was ist dann mit der zweiten? Klar sei, sagt Krach: "Die Wissenschaftspakte sind keine Einbahnstraße, bei der nur der Bund etwas leistet und darum bestimmen darf, was wie läuft."
Allerdings fällt Krach die Ansage auch leicht: Die rot-rot-grüne Koalition hat sich bereits Ende 2016 darauf verständigt, den Hochschulen jedes Jahr 3,5 Prozent mehr zu zahlen. In vielen anderen Bundesländern dagegen müssen die Bundesländer, wenn überhaupt, mit deutlich schmaleren Zuwächsen klarkommen. Hamburg etwa überweist seinen Hochschulen noch bis 2020 jährlich lediglich 0,88 Prozent zusätzlich. Oder das Saarland: Die dortige Landesregierung hat die Hochschulbudgets in den vergangenen Jahren sogar real gekürzt und verspricht im von 2017 stammenden Koalitionsvertrag erst von 2020 an wieder bescheidene Zuwächse.
So wundert nicht, dass der erste Applaus für Krach aus Bundesländern kommt, wo sich die Hochschulbudgets schon jetzt ebenfalls vergleichsweise positiv entwickeln. Baden-Württembergs grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagte, sie könne der Berliner Idee "etwas abgewinnen, dass Bund und Länder sich gemeinsam auf die Dynamisierung verständigen, der Bund beim Hochschulpakt und die Länder bei der Grundfinanzierung." Im Klartext, betonte Bauer, würde das bedeuten: "Die Länder hätten eine viel größere Kraftanstrengung zu leisten als der Bund." Aber das gehe in Ordnung, "wir wollen ja auch an der Verantwortung der Länder für die Grundfinanzierung der Hochschulen im föderalen System festhalten. Wer sich dazu nicht bekennt, ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems."
Ebenfalls positiv äußerte sich Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). Sie könne sich eine Dynamisierung der Grundfinanzierung der Hochschulen sehr gut vorstellen. "In unserer mehrjährigen Hochschulentwicklungsplanung ist diese faktisch bis 2025 vorgesehen." Der neue Hochschulpakt müsse gemeinsam mit den Ländern "die solide Grundfinanzierung sichern und damit der Qualität der Lehre noch mehr Aufmerksamkeit widmen".
Unterdessen berichtet der ZEITChancen Brief, Thüringens rot-rote Koalition wolle von 2020 weitere 18 Millionen Euro zusätzlich in die Hochschulbudgets stecken. Damit verlängert sich die eigentlich 2019 auslaufende Rahmenvereinbarung, die den Hochschulen im Freistaat jährlich vier Prozent Aufschlug gewährt, um ein weiteres Jahr. Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte schon vergangenen Monat laut Nachrichtenagentur dpa versprochen, noch vor den im Sommer 2019 anstehenden Landtagswahlen eine weitere Rahmenvereinbarung für die Jahre von 2021 bis 2025 erarbeiten zu wollen. Diese solle auf fünf Jahre ausgeweitet werden, damit sie "aus dem Rhythmus der Landtagswahlen herauskommt", sagte Tiefensee. Vor dem Wochenende sagte der wissenschaftspolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Christian Schaft, der dpa, er erwarte, dass nun auch der Bund mehr Geld in die Hochschulen investiere.
Anderswo allerdings begegnen Landesregierungen Krachs Vorschlag mit Skepsis – und zwar vor allem dort, wo die Hochschulen derzeit weit weniger als die drei Prozent Zuwachs erhalten. Sie hätten zwar durchaus Sympathien für die Idee, ist von zuständigen Wissenschaftsminister hinter vorgehaltener Hand zu hören, doch mit offiziellen Stellungnahmen dazu würden sie ihre Finanzministerkollegen vor den Kopf stoßen und sich selbst in eine schlechtere Verhandlungsposition bringen.
Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Bauer weist unterdessen auf ein praktisches Problem an Krachs Vorschlag hin: Es existiere bislang keine "ländergemeinsame Definition dessen, was zur Grundfinanzierung zählt".
Bundesbildungsministerin Karliczek selbst wollte sich "mit Blick auf die laufenden Bund-Länder-Verhandlungen" zunächst nicht zu Krachs Vorstoß äußern.
Ehrlich gesagt haben die allerdings noch gar nicht richtig angefangen. Im April hatten Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) lediglich festgelegt, dass bis Ende des Jahres erste Eckpunkte zur Hochschulpakt-Nachfolge vorliegen sollen. Der Pakt für Forschung und Innovation soll zeitgleich verhandelt werden. Im April 2019 wollen die Landeswissenschaftsminister und Karliczek dann die Vereinbarungen finalisieren, um sie rechtzeitig zu deren Junisitzung den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin zum Beschluss vorlegen zu können.
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