Bund und Länder wollen "Personen, nicht Institutionen" in den Nationalen Bildungsrat berufen. Dabei sollte es bleiben, auch wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber anderes fordern.
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BUND UND LÄNDER sind sich noch nicht bei vielem einig, was den geplanten Nationalen Bildungsrat angeht. Was auch daran liegt, dass zahlreiche Kultusminister das von der GroKo vorgesehene Gremium eigentlich nicht wollen. Der Bildungsrat soll dem schwarz-roten Koalitionsvertrag zufolge auf der Grundlage von Forschungsergebnissen Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen und so helfen, sich über "die zukünftigen Ziele und Entwicklungen" zu verständigen.
Die Kultusminister argwöhnen indes, das Gremium solle vor allem dabei helfen, sie in ihren Zuständigkeiten zu beschneiden. Und so streiten sie mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) über die Stimmenverteilung, über Aufgabenzuschreibungen und, ganz grundsätzlich, über die Verbindlichkeit künftiger Ratsempfehlungen.
Bei einem zentralen Detail hingegen herrscht bislang Einigkeit: Der Bildungsrat soll neben den Repräsentanten des Bundes und der Länder Bildungsforscher enthalten, dazu "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und ausgewiesene Bildungspraktiker", wie Karliczek es formuliert. "Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen", schrieb sie Anfang Mai in meinem Blog, "dass eine engagierte Schulleiterin oder ein engagierter Schulleiter die Perspektive der Praxis in den Rat einbringt." Die gemeinsame Devise von Bund und Ländern: "Personen, nicht Institutionen" sollen für den Rat gewonnen werden.
Dagegen rührt sich Widerstand. In bemerkenswerter Eintracht haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und mehrere Arbeitgeberorganisationen in einem Brief an Helmut Holter, den Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), appelliert, es sei "zwingend, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft und die Gewerkschaften gleichermaßen im Bildungsrat vertreten sein werden." DGB und Arbeitgeber begründen ihre Forderung mit der zentralen Bedeutung der beruflichen Bildung, die den Betrieben Nachwuchs, den Jugendlichen Karriereperspektiven und dem Land sozialen Frieden beschere. Das Markenzeichen der Berufsbildung sei, dass sie als nicht "vorrangig staatliches System" auf der "engen Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Kammern" beruhe. Ergo: Die müssen auch alle rein in den Bildungsrat.
Der Brief wurde kurz vor dem Treffen von Karliczek mit der KMK Mitte Juni verschickt. Deren Äußerungen im Anschluss deuteten darauf hin, dass Bund und Länder dem Drängen nicht nachgeben wollen. Hoffentlich bleibt es dabei. Dass sie sonst auch Kirchen, Eltern- oder Lehrerverbänden zulassen müssten, ist dafür noch der geringste Grund. Der Bildungsrat darf kein Rundfunkrat werden. Die Unvoreingenommenheit bildungspolitischer Debatten und damit die öffentliche Akzeptanz des neuen Gremiums insgesamt wird davon abhängen, dass er nicht zum Austragungsort noch so gut gemeinter Lobbyinteressen wird, die sich gegenseitig aufheben. Die Kreativität zu unerwarteten Lösungen kommt mit der intellektuellen (und institutionellen!) Unabhängigkeit der Ratsmitglieder, auch jener aus der Berufspraxis. Das nötige Einbremsen auf der Zielgeraden kann und wird die Politik erledigen.
Dieser Beitrag erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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