Vor dem Bundestag hat Anja Karliczek mutig Veränderungen angekündigt. Die muss sie nun liefern. Mehr noch: Sie wird sie zuvor noch genauer erklären müssen.
BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIN ANJA KARLICZEK hat vergangene Woche im Bundestag "mehr Dynamik und mehr Mut" beschworen, um Deutschlands Innovationskraft zu stärken. "Das ist nicht nur eine Frage von monetärer Förderung", sagte sie, "sondern auch von kluger Strategie und Kulturwandel."
Die Plenarrede der CDU-Politikerin war bemerkenswert. In ein paar wenigen Minuten gelang es Karliczek, ihre politischen Leitlinien für die nächsten Jahre zu skizzieren, für Bildung und Forschung gleichermaßen. Deren Stoßrichtung lässt sich in einem Halbsatz zusammenfassen, und der lautet: mehr aus dem vorhandenen Geld herausholen.
Die klare Ansage entspricht, soviel lässt sich bereits sagen nach bald vier Monaten im Amt, Karliczeks Überzeugung, sie reagiert aber auch rhetorisch auf die sich verändernden finanzpolitischen Rahmenbedingungen.
Erstmals seit vielen Jahren stagniert das BMBF-Budget bei rund 17,6 Milliarden Euro. Das ist nicht Schuld der Ministerin . Doch stärker als ihre Vorgängerinnen spürt sie den Erwartungsdruck, die in den vergangenen zehn, 15 Jahren immens gestiegenen Bundesausgaben für Forschung (und Bildung) argumentativ abzusichern. Sie selbst formulierte das in ihrer Rede wie folgt: "Mir geht es nicht darum, jedes Jahr mehr Geld ausgeben zu können. Mir geht es darum die Aufgaben, die mit dem Etat verbunden sind, gut zu erfüllen."
Hörte man Karliczek weiter zu, konnte man spüren: Sie meint das ernst. Und sie weiß, dass dieser Ruf nach "mehr Dynamik und mehr Mut", "nach kluger Strategie und Kulturwandel" vor allem von einer Person Mut erfordern wird: von ihr selbst. Denn um ihr Ziel, das einem Paradigmenwechsel gleichkommt, zu erreichen, wird die Ministerin weiter klare Ansagen machen müssen. Priorisieren. Und immer wieder auch Nein sagen, enttäuschen müssen.
Doch was bedeutet das konkret für die Bildung, was für die Forschung?
Karliczek betonte – wie eigentlich immer seit ihrem Amtsantritt – den Wert der beruflichen Bildung sowie die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für alle Altersgruppen. Zwei Themenfelder, denen sie ihren besonderen Ehrgeiz widmet. Zum Hochschulpakt sagte sie, es gelte ihn "mit neuer Intention" fortzusetzen: "Genügend Kapazitäten in den Hochschulen sind jetzt da. Jetzt setzen wir auf mehr Qualität."
Ein Satz, der, siehe oben, ganz auf der Linie liegt mit Karliczeks Kernanliegen. Wobei man auch ihn zuletzt schon so ähnlich von ihr gehört hatte. Genau wie ihre Betonung von Mikroelektronik und Gesundheitsforschung, von der Grundlagenforschung zur Künstlichen Intelligenz und dem dazu gehörenden politischen Strategieprozess.
Überraschender an Karliczeks Rede war, wie direkt sie sich in eine forschungspolitische Debatte einschaltete, die hier im Blog von FDP-Politiker Thomas Sattelberger losgetreten worden war. Sattelberger hatte die außeruniversitären Forschungsorganisationen als "ganz schön fette Katzen" bezeichnet und hinzugefügt: "Was die drei Prozent Budgetplus, die Max Planck, Helmholtz, Fraunhofer und Leibniz jedes Jahr garantiert erhalten, für Forschung und Gesellschaft insgesamt bringen, ist unklar." Politiker von Union und SPD hatten sich daraufhin ebenfalls zu Wort gemeldet.
Vor dem Bundestag nannte nun Anja Karliczek Sattelbergers Äußerungen "etwas despektierlich" und fügte hinzu, sie wolle deutlich widersprechen, "denn liebe FDP: Die "Katzen" Leibniz, Max Planck, Fraunhofer und Helmholtz sind äußerst beweglich und innovativ!" Diese dürften nicht "auf Diät" gesetzt werden, sagte die BMBF-Chefin – was man als deutliches Bekenntnis verstehen kann für die Fortsetzung der regelmäßigen Budgetsteigerungen für die Außeruniversitären, wie sie im Pakt für Forschung und Innovation (PFI) zwischen Bund und Ländern vereinbart sind.
Und weil Karliczek dank Sattelberger schon mal im Tierreich angelangt war, verglich sie die für 2019 geplante Agentur für Sprunginnovationen gleich noch mit einem "Schnüffelhund", der freigelassen werden solle, "damit über die klassische Forschungsleistung hinaus visionäre Ideen verfolgt werden können." Durch, wie sie betonte, "neue Freiräume und zusätzliche Mittel".
Abgesehen von der "Schnüffelhund"-Agentur blieb die sonst so deutliche Ministerin bei der Frage nach den forschungspolitischen Konsequenzen ihrer "Mehr-aus-dem Geld-machen"-Agenda allerdings noch im Ungefähren. Sie wird bald konkretisieren müssen, worin genau der von ihr beschworene Kulturwandel in der Forschung und Forschungsförderung bestehen soll. Mehr Kommunikation, mehr Austausch, mehr Transfer in die Gesellschaft hinein hinein: einverstanden. Aber mit welchen Mitteln will sie all dies erreichen? Was bedeuten "mehr Dynamik und Mut" für die Mittelvergabe bei Hochschulpakt und PFI?
Natürlich kann Karliczek nicht die gerade angelaufenen Verhandlungen mit den Ländern in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vorwegnehmen. Aber ob sie tatsächlich bereit ist, entsprechend ihrer Agenda grundsätzliche Veränderungen an der Architektur beider Pakte anzuregen, wüsste man schon gern. Welche neuen Leistungen und welche Leistungsnachweise will sie von den Hochschulen, Wissenschaftsorganisationen und auch den Ländern fordern, um zu fördern? Genau an der Stelle wird Karliczek den Mut brauchen, von dem sie spricht.
Auch über die zwei größten Pakte hinaus stellen sich Fragen. Mit welchen Mitteln und Institutionen (Stichwort: Deutsche Lehrgemeinschaft?) die Ministerin in Zukunft die Innovationen in der Lehre unterstützen will zum Beispiel. Oder auch, wie sie den bislang nur rhetorisch unterstrichenen höheren Stellenwert für die Wissenschaftskommunikation praktisch zu erreichen beabsichtigt. Bei welchen auslaufenden Förderprogrammen will sie umgekehrt Abstriche machen? Und ganz zentral: Wie genau will sie das BAföG reformieren?
Gewiss: Die Antworten auf all diese Fragen hätten nicht in eine einzige Plenarrede gepasst. Die war zu Recht mit der Formulierung von Anja Karliczeks Leitlinien ausgefüllt, die wiederum gut mit der Zeit harmonieren, in der wir leben. Leider harmonieren, was die Dämpfung budgetärer Träume angeht. Und zum Glück harmonieren, was ihre Betonung neuer Ideen und Strategien anbetrifft.
Mit ihrer Rede hat Karliczek echten Wandel, echte Veränderungen angekündigt. Jetzt muss sie nicht nur diese Veränderungen liefern. Sondern zuvor auch noch genauer den Weg dorthin erklären. Ihr Bewusstsein für die Bedeutung versierter (Wissenschafts-)Kommunikation sollte ihr dabei helfen.
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Klaus Diepold (Donnerstag, 12 Juli 2018 18:18)
Die Agentur für Sprunginnovationen könnte sie schon mal einsparen. Das ist ein reiner Cargo Cult. DLG wäre denkbar und auch gut. Mal sehen, was daraus wird. MPI innovativ? Da müssen wir mal defiieren was innovativ eigentlich bedeutet.
Meine 2 cents für heute.
Blub (Freitag, 13 Juli 2018 19:21)
Die 'Qualität der Lehre' soll im Zentrum der neuen Pakte stehen.
Die Steigerung der Qualität der Lehre stand bereits die letzten Jahre im Zentrum des 'Qualitätspaktes Lehre' (QPL). Gefördert wurden und werden Projekte an etwa 150-170 Hochschulen in Deutschland. Der Zweck dieser Projekte besteht darin, Lehrende bei der Anhebung der Qualität der Lehre zu unterstützen. Dies geschieht meist durch Lehrberatung oder andere Unterstützung. Für diese Aufgabe sind in den letzten Jahren - finanziert durch den QPL - an den Hochschulen 'Zentren für Lehre' entstanden.
Aus organisatorischer Sicht ist der Auftrag der 'Zentren für Lehre' die 'Veränderung der Lehrkultur' an den Hochschulen. Lehrkultur meint hier das Lehrverhalten und die Lehrgewohnheiten der Lehrenden. Dabei gilt generell für Projekte zur Kulturveränderung: Die Betroffenen wollen Ihre Kultur (unter den gegeben Rahmenbedingungen) nicht einfach ändern, sonst wäre sie bereits anders.
Die Lehre ist zudem durch die Lehrfreiheit geschützt. Dieser Schutz gilt nicht nur für die gelehrten Inhalte, sondern ausdrücklich auch für die Wahl der didaktischen Methode. Daraus folgt, dass nur die Lehrenden, die einen eigenen Wunsch zur Verbesserung der Lehre haben oder passende äußere Anreize (bei gleichzeitigem Anspruch auf Grundausstattung) geboten bekommen, Energie in die Verbesserung der Lehre investieren.
Unter diesen Rahmenbedingungen und in Anbetracht der Größe der zu verändernden Organisationen geht der Prozess der Kulturveränderung und Erhöhung der Lehrqualität stetig aber langsam voran.
Diese Langsamkeit wird allerdings auch durch den Projektcharakter der Zentren für Lehre erheblich mit verursacht. In der Wahrnehmung eines Teils der verbeamteten Lehrenden sind die Projekte zur 'Qualitätsverbesserung in der Lehre' nur ein temporärer Modetrend, der vorüber geht und den man - wie zahlreiche andere Projekte in den Jahren zuvor - aussitzen kann und sollte. Kräftigen Rückenwind erhält diese Perspektive durch die aktuelle Verstetigungsdiskussion in der Politik, die auf nicht absehbare Zeit offen lässt, ob und in welcher Form diese 'Zentren für Lehre' weiter bestehen. Verstetigt werden sollen nach aktuellem Stand nur die Mittel.
Die zweite Förderphase des Qualitätspaktes Lehre ist noch nicht einmal zur Hälfte verstrichen, doch allem Vernehmen nach ist in den geförderten Projekten die Unsicherheit bereits angekommen. Workshopausschreibungen des BMBF, die dazu dienen, um über die weitere Förderung nach 2020 zu entscheiden, sind Wasser auf diese Mühlen.
Gut zwei Jahre vor dem Projektende befinden sich Kulturveränderer an den 'Zentren für Lehre' nun selbst in einem Organisationsentwicklungsprozess: Am Beginn einer Restrukturierung. Was beschäftigt wohl befristet beschäftigte Mitarbeiter, die selbst eine Restrukturierung erwarten?! Vieles, was nicht als Nachweis für die erfolgreiche Arbeit mit Zahlen belegt werden - Schein statt Sein - oder sich erst langfristig als sinnvoll erweisen kann, verliert an Gewicht. Verhängnisvoll für eine Kulturveränderung, die sich oft nur schwer in Zahlen ausdrücken läßt. Im statistikverliebten Leistungssport sind die sog. 'intangibles' als Maßstab für die Qualität anerkannt und werden auch im Controlling sukzessive berücksichtigt. Die Lehrkultur gehört dazu.
Für diejenigen, die aktuell die Qualität der Lehre fördern, ist die derzeitige Situation demnach wenig hilfreich: Aufgrund der unklaren weiteren Entwicklung ist der Zeitraum bis 2020 der Umstrukturierungs- und Verstetigungsdiskussion gewidmet. Aber auch mit einer politischen Entscheidung über die Verstetigung der Pakte ist das Schicksal des jeweiligen Projekts noch kein Stück geklärt. Und wenn tatsächlich größere Änderungen kommen, wird es nochmal 1-2 Jahre dauern, bis diese organisatorisch verdaut sind.
Zusammengefasst: Die aktuelle politische Diskussion um die Verstetigung der Pakte mit dem Ziel, die 'Qualität der Lehre' zu steigern, wird in den kommenden Jahre die Kräfte derjenigen binden, die derzeit zur Steigerung der 'Qualität der Lehre' beitragen.
Ruth Himmelreich (Dienstag, 17 Juli 2018 15:00)
Mit "Qualität der Lehre" sollte man ernst machen. Für mich beginnt sie mit vernünftigen Gruppengrößen vor allem an den Unis mit ihren schlechten Betreuungsrelationen. Wenn die Gruppen so klein sind, dass ein individuelles Feedback gegeben wird, brauche ich viel weniger projektbezogenes Drumherum, wie es der "Pakt für die Lehre" so reichlich (und befristet) geliefert hat.
Akademisches Schreiben lerne ich am besten nicht in einem akademischen Schreibzentrum, unterrichtet von einem/r E13-Mitarbeiter/in mit vielleicht einer Fortbildung zum "Akademischen Schreibcoach", sondern von einer Fachvertreterin in meinem Studiengang, die selbst wissenschaftlich publiziert. Das geht nicht in Übungen mit 80 Teilnehmern.
Die Idee, mehr aus dem vorhandenen Geld zu holen, ist schon einmal gut. Allerdings ist Frau Karliczek offensichtlich schon ausreichend "house trained", wenn sie den Verteidigungsreflex für die Außeruniversitären schon so gut beherrscht. Wenn man hier auf Effizienz achten würde, könnte man z. B. mal die Berichte der Landesrechnungshöfe anschauen, wenn sie Max Planck-Institute geprüft haben...