· 

Der erwartete Abschied

Anja Karliczek trenne sich von ihrer Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen, berichtet die Wirtschaftswoche. Gerade heute hat damit keiner gerechnet. Grundsätzlich aber schon.

DIE NACHRICHT KAM überraschend. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) habe die langjährige BMBF-Staatsekretärin Cornelia Quennet-Thielen in den Ruhestand versetzt, berichtete am Mittwochabend die Wirtschaftswoche. Auf Nachfrage wollte das BMBF die Meldung weder bestätigen noch dementieren. Man äußere sich nicht zu Personalangelegenheiten.

 

So blieb zunächst auch offen, ob Quennet-Thielen womöglich auf eigenen Wunsch geht oder von der Ministerin, wie die Wirtschaftswoche wissen will, "entlassen" worden ist. 

 

Fest steht: Hinter den Kulissen hatten sich die Unstimmigkeiten zwischen der im März ins Amt gekommenen neuen Ministerin und ihrer geerbten beamteten Staatssekretärin lange angedeutet. BMBF-Mitarbeiter mutmaßten, es werde "innerhalb des nächsten halben Jahres" zu einem grundsätzlichen Umbau in der Führungsstruktur des Ministeriums kommen (auf Abteilungsleiterebene ist er bereits eingeleitet). Doch kaum einer hatte damit gerechnet, dass es jetzt womöglich so schnell gegangen ist. Quennet-Thielen selbst offenbar auch nicht. Noch vor Tagen sagte sie offizielle Staatssekretärs-Termine für den Herbst zu. 

 

Die 61-Jährige war schon 2008 von Karliczeks Vorvorgängerin Annette Schavan berufen worden, Karliczeks direkte Vorgängerin Johanna Wanka hatte Quennet-Thielen und auch den zweiten beamteten Staatssekretär Georg Schütte übernommen – und war trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten insgesamt gut mit beiden klar gekommen. 

 

Quennet-Thielen gilt in der Szene als vernetzt, extrem durchsetzungsstark und als geschätzte Expertin selbst in Detailfragen – Fähigkeiten, die mit einer mitunter sehr harten Verhandlungsführung einhergehen. So hart, dass sie laut ihren Länderkollegen schon mal eine eisige Stimmung verbreiten konnte – aber am Ende eben oft auch viel erreichte. Schütte, 55, wiederum ist ein Mann des Ausgleiches und der internationalen Wissenschaftsdiplomatie und ein erprobter Krisenmanager dazu – unter anderem im Handling der fortgesetzten Strukturdebatte beim Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). 

 

Eine detailversessene, erfahrene, aber eben auch machtbewusste Staatssekretärin – und eine von außen kommende Ministerin, die sich ihr Standing im Ministerium und in der Szene erst erkämpfen muss: dass das kein Selbstläufer wird, stand schon unmittelbar nach Karliczeks Nominierung als neue BMBF-Chefin fest. Doch es wäre zu einfach, die gestern gemeldete Personalentscheidung, so sie sich bestätigen sollte, als logische Konsequenz eines zwangsläufigen Machtkonflikts nur zwischen den beiden zu sehen. Dass Karliczek im Ministerium insgesamt die Zügel anzieht, war auch schon vor wenigen Wochen zu sehen, als sie Quennet-Thielens Kollegen Schütte bei einer wichtigen Entscheidung um das BIG in letzter Minute zurückpfiff.

 

Was der angebliche Abschied der erfahrenen Quennet-Thielen für die gerade begonnenen Bund-Länder-Verhandlungen um die großen Wissenschaftspakte (Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation & Co) bedeuten würde, ist schwer einzuschätzen. Aber natürlich ist das der Punkt, der in der Wissenschaftsszene im Augenblick am meisten interessiert. Einige mutmaßen bereits, die Personalie Quennet-Thielen sei Ausdruck eines grundsätzlichen Richtungsstreites im Ministerium, das bislang seinen Fokus auf Wissenschaft und Forschung legte und nun von einer Ministerin geleitet wird, die lieber von beruflicher Bildung spreche.

 

Die Antwort auf diese Fragen wird auch davon abhängen, wann sich Karliczek offiziell zu der Personalie äußert. Und wen sie gegebenenfalls als Nachfolger oder Nachfolgerin für Quennet-Thielen präsentiert. Zur BMBF-Führungsetage gehören neben dem beamteten Staatssekretär Schütte sonst noch die beiden parlamentarischen Staatssekretäre, der ebenfalls seit vielen Jahren amtierende Thomas Rachel und der mit Karliczek ins Amt gekommene Michael Meister.

 

Die bisherige Linie des Ministeriums, einfach nichts zum von der Wirtschaftswoche vermeldeten Abschied der Amtschefin zu sagen, spricht dafür, dass nach der richtigen Kommunikationslinie noch gesucht wird. Und dass die Personalentscheidung, wenn es sie gab, offenbar wirklich plötzlich kam. Oder zumindest vor der Zeit bekannt wurde.


NACHTRAG um 20 Uhr:

Es ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Bis in die Abendstunden hinein gibt es aus dem BMBF keine offizielle Bestätigung und auch kein Dementi der Meldung der Wirtschaftswoche. "Was ist los im BMBF?" fragte eben auf Twitter mein Kollege Manfred Ronzheimer. Unterdessen wird bekannt, dass die Personalie Quennet-Thielen gestern offenbar nicht Gegenstand im Bundeskabinett war – was auf der Ebene üblich wäre bei einer Versetzung in den Ruhestand. Die Wirtschaftswoche, die als einzige ohne Fragezeichen und Restzweifel über die Geschichte berichtete, hat ihrerseits den Wortlaut ihrer Meldung leicht korrigiert. Plötzlich steht da nicht mehr, Karliczek habe ihre Staatssekretärin in den Ruhestand versetzt, sondern "versetzt sie in den Ruhestand". Das BMBF muss dringend sagen, was Sache ist. So wird Quennet-Thielen unnötig beschädigt.


Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Mannheimer Studi (Donnerstag, 19 Juli 2018 21:58)

    "Das BMBF muss dringend sagen, was Sache ist. "
    Der Satz findet als Tweet oder Email vielleicht eher an sein Ziel ;-)

  • #2

    Beobachter (Freitag, 20 Juli 2018 12:42)

    Durch dieses Vorgehen beschädigt sich doch vor allem Karliczek selbst. Die community wird sie damit nicht überzeugen können.

  • #3

    Edith Riedel (Freitag, 20 Juli 2018 14:02)

    Ganz abgesehen davon, dass die Trennung höchste unprofessionell und unwürdig über die Bühne zu gehen scheint: ist es klug, sich zu diesem Zeitpunkt von einer Mitarbeiterin mit einem so reichen Erfahrungsschatz zu trennen? Was verspricht man sich davon? Eine Verschleppung wichtiger Entscheidungen?

  • #4

    Stärke (Freitag, 20 Juli 2018 14:07)

    Stimme dem Beobachter zu. Stärke hätte Karliczek v.a. dadurch bekommen, die Position und Macht von Quennet-Thielen für sich selbst und die Sache zu nutzen. Ruhestand ist der bequeme Weg, Auseinandersetzungen zu vermeiden. So eine Strategie bringt das BMBF grundsätzlich in eine schwache Position. In meinen Augen eine frustrierende Entwicklung.

  • #5

    Chris (Freitag, 20 Juli 2018 21:49)

    Mittlerweile ist es auch vom BMBF bestätigt, schreibt der Tagesspiegel: Der Bundespräsident habe Frau Q-T auf Antrag von Ministerin Karliczek zum 31.7. in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

    Und ob es klug ist, ist sicherlich eine Frage der der Sichtweise: Frau Karliczek entledigt sich eines (wenn nicht sogar des) Machtzentrums im BMBF, was ihre Position im Ministerium sicherlich stärkt - und offenbar hat die Zusammenarbeit ja nicht so gut funktioniert.
    Ob das nun aber für das BMBF als Ganzes von Vorteil ist, steht auf einem anderen Blatt...

  • #6

    Oliver (Samstag, 28 Juli 2018 15:13)

    Ein überfälliger Schritt. Interessant wäre ob Sie trotzdem weiterhin Aufsichtsratsvorsitzende des Futuriums bleiben darf.