· 

HRK bewirbt sich als Deutsche Lehrgemeinschaft

Der neue Präsident Peter-André Alt bekennt sich zum dauerhaften Wettbewerb in der Hochschullehre und sagt: "Wir wollen Partner sein" bei der Ausrichtung.

VERGANGENE WOCHE HATTE der SPD-Bildungsexperte Ernst Dieter Rossmann hier im Blog die fehlende Debatte über die Zukunft des Qualitätspakts Lehre beklagt, jetzt meldet sich der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt mit einem überraschenden Vorschlag zu Wort. "Die HRK ist bereit, einen auf Dauer angelegten Wettbewerb zur Förderung von Lehrinnovationen zu administrieren", sagt Alt. "Anstatt Zeit und Energie auf neue Institutionen und mehr Bürokratie zu verschwenden, sollten wir lieber in die Diskussion einsteigen, welche Qualitätskriterien die Grundlagen eines solchen Wettbewerbs werden könnten."

 

Um zu verstehen, wie bemerkenswert Alts Vorstoß ist, muss man ein gutes Jahr zurückgehen. Anfang Mai 2017 hatte der Wissenschaftsrat (WR) in seinem Positionspapier "Strategien für die Hochschullehre" die Gründung einer "bundesweit eigenständigen Organisation" angeregt, die auf Antrag Fördermittel für lehrbezogene Vorhaben vergeben solle, "sowohl für neue innovative Lehrprojekte und übergeordnete Programme an Hochschulen als auch für die Ausbreitung erfolgreicher Maßnahmen." Eine Art DFG für die Lehre also als Nachfolge des nach 2020 auslaufenden Qualitätspakts Lehre, die Förderung befristeter Projekte – aber durch eine dauerhafte neue Einrichtung.  "Auch die Lehre braucht in Deutschland eine eigene Stimme", kommentierte die WR-Vorsitzende Martina Brockmeier damals.

 

Doch die HRK wies den Vorschlag nur wenige Tage später entschieden zurück. Ihr damaliger Präsident Horst Hippler sagte: "Wir brauchen jetzt und auch nach 2020 keine neuen Institutionen, sondern vor allem eine klar konzipierte, verlässliche Hochschulfinanzierung in gemeinsamer Verantwortung von Ländern und Bund." Ende der Ansage. 

 

Bei Hipplers Nachfolger Alt hört sich das so an: Entscheidend sei, dass die geschätzt zwei Milliarden Euro jährlich aus dem Hochschulpakt nach 2020 wie von der Bundesregierung versprochen verstetigt und möglichst mit einem jährlichen Zuwachs versehen würden. Dieses Geld müsse verlässlich und nach fairen Verteilungsschlüsseln an die Hochschulen gehen, so dass zum Beispiel neue Dauerstellen geschaffen werden könnten. So weit, so bekannt. Doch dann kommt die überraschende Ergänzung: "Wenn die Bundesregierung  darüber hinaus auch künftig einen Teil der Hochschulfinanzierung über einen Wettbewerb vergeben möchte", sagt Alt, "ist das von uns zu akzeptieren." Womit er auf die 200 Millionen Euro anspielt, die bislang in den Qualitätspakt Lehre fließen. Alt spricht von "zwei Regelkreisen", die unbedingt getrennt bleiben müssten. 

 

Dass der neue HRK-Präsident so viel kompromissbereiter klingt als sein Vorgänger Hippler, hat nicht nur etwas mit persönlichen Vorlieben zu tun. Alt folgt damit auch den politischen Realitäten: Die Große Koalition hat nämlich den WR-Vorschlag in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen und angekündigt, auch den 2020 auslaufenden Qualitätspakt Lehre auf Dauer zu stellen und weiterentwickeln zu wollen – "in Anlehnung an die Empfehlungen des Wissenschaftsrates". 

 

So ist Alts Angebot auch als nächster Schritt an Bund und Länder im Verhandlungspoker um die künftige Hochschulfinanzierung zu sehen, nach dem Motto: Wir geben euch etwas, wenn wir uns auch was gebt.

 

Aber was genau? Hier folgt der zweite Teil von Alts Vorstoß – der Teil, der dem WR weniger gefallen dürfte. Denn Alt bringt die HRK in Stellung, die Aufgaben der "bundesweit eigenständigen Organisation" zu übernehmen und deren Gründung damit überflüssig zu machen. Er tut dies wiederum nach gründlicher Lektüre des Koalitionsvertrages. Im dortigen Plädoyer für Dauer-Wettbewerb sucht man nämlich den Begriff der "eigenständigen Organisation" vergeblich.  

 

Ein schlauer Schachzug des neuen HRK-Präsidenten, der das lange gemiedene Thema QPL-Nachfolge in eine Entwicklungschance für die um ihr Profil kämpfende Hochschulkonferenz ummünzen möchte. Warum auch nicht, könnte man sagen, die Exzellenzinitiative wird auch nicht von einer eigens dafür gegründeten Organisation gemanagt, sondern von Wissenschaftsrat und DFG. "Wir wollen zeigen, dass auch wir als Organisation der Politik ein Partner sein können in der Ausrichtung eines solchen Wettbewerbs", sagt Alt. 

 

Wobei viele Fragen vorerst offen bleiben. Zum Beispiel diese: Kann ein auf Proporz ausgerichteter Lobbyverband wie die HRK wirklich unpopuläre Wettbewerbsentscheidungen ermöglichen? Oder ist die Unabhängigkeit einer neuen Organisation, wie sie dem WR vorschwebt, nicht doch unbedingte Voraussetzung für eine mutige, wissenschaftsgeleitete Mittelvergabe? Und was ist mit der anderen Komponente des WR-Vorschlags vom vergangenen Jahr, die dessen Vorsitzende Brockmeier damals wie folgt beschrieb: "Eine eigenständige Organisation für die Förderung innovativer Hochschullehre wäre eine großartige Möglichkeit für alle, die das wollen, sich zu vernetzen und neue Lehrkonzepte über Hochschul- und Fächergrenzen hinweg auszutauschen und auszuprobieren. In der Forschung ist eine derartige Vernetzung die Grundlage allen Arbeitens, in der Lehre aber fehlt sie uns bislang fast völlig." Will die HRK auch Forum für diesen Austausch werden? Eventuell sogar Stipendienprogramme vergeben? Was würde das für ihre Organisation und ihr Selbstverständnis bedeuten? 

 

Alt kann oder will das noch nicht alles ausbuchstabieren. Womöglich hofft er, dass die HRK an der neuen Aufgabe wachsen und, was ihr Profil und politisches Standing angeht, auch ein Stückweit genesen würde. Eines stehe für ihn fest, sagt er: "Die Debatte um die künftige Hochschulfinanzierung und die Förderung guter Lehre muss weg von der technokratisch-kleinteiligen Ebene." Im Zentrum auch der Verhandlungen mit Bund und Ländern dürfe künftig nur eine Frage stehen: "Wie machen wir am Ende die Lehre besser?"

 

Was selbstlos klingt, ist in Wirklichkeit nüchternes Kalkül: Die HRK will – quasi im Nebenjob – zur Deutschen Lehrgemeinschaft werden. Mal schauen, wie Bund und Länder auf Alts Bewerbung reagieren. Und ob der Wissenschaftsrat sich die "eigenständige Organisation" einfach so wegdiskutieren lässt. Am Ende zählt vor allem, dass die Rektoren von ihrer  Total-Opposition gegen den Wissenschaftsratsvorschlag Abschied nehmen. Die von Rossmann beklagte Sprachlosigkeit ist jedenfalls zu Ende. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Steffen Prowe (Freitag, 24 August 2018 10:02)

    Danke für Aufschlag der HRK & Ihren Kommentar, eine solche Aktivität (wie auch immer diese dann organisatorisch Vororte wäre) ist immens wichtig für Gute Hochschullehre und stellt aus meiner Sicht auch eine Stärkung der HAW (ehem. FH) mit deren hohem Lehranteil dar. Gekoppelt mit den Didaktikeinrichtungen der Universitäten lässt sich sicherlich ein gutes "best practice"-Bündel schnüren. Für die, die es wollen (siehe Zitat im Kommentar). Man sollte das ganze Thema zudem noch mit der Digitalisierung in der Lehre verknüpfen. Und diese Verknüpfung böte sich genau über EINE Institution an, da diese dann als "Hub" (für Netzwerke?) fungieren kann, um innovative (digitale) Lehrkonzepte koordiniert in die Fläche zu bringen. Statt Stückwerk, wie derzeit bei der nicht erfolgreichen Digitalisierungsaufwendungen der Bundesregierung, wo nach 12 (!!) jähren ein "Rat" gebildet wird. Statt über Netzwerke mit bereits erfolgreichen Anwendungskonzepten aus Europa zu HANDELN (zB öffentl. Verwaltung aus DK-Kopenhagen als Bsp nehmen: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/service/nie-wieder-schlange-stehen oder in den Baltischen Staaten; in der Lehre wird zB an der TU Delft hervorragende Arbeit gemacht). Daher: gute Initiative, ich erhoffe mir dadurch mehr "machen" statt "Räte" und "Konzepte".