Die Bundesbildungsministerin will den Hochschulpakt neu ausrichten. Einverstanden – wenn dann künftig auch die Student*innen bei der Verteilung der Mittel mitreden dürfen. Ein Gastbeitrag von Isabel Schön und Jan Cloppenburg.
Audimax der BTU Cottbus-Senftenberg. Sane: "Cottbus University Audimax.jpg", CC BY-SA 3.0.
ZUM EINSTIEG EINE SCHÄTZFRAGE. Wie viel ist der "Bildungsrepublik Deutschland" (Angela Merkel) ein Studium heute noch wert? Nun, wir alle kennen die Bilder von maroden Hochschulen, überfüllten Hörsälen und Seminarräumen mit kaputter Technik. Immer mehr Lehre wird von den zu 90 Prozent befristet beschäftigten Mitarbeiter*innen getragen, denen zugemutet wird, rastlos von einer Stelle und Hochschule zur anderen zu wechseln. Und wenn etwas noch häufiger wiederkehrt als „Dinner for One“ an Silvester, dann sind es die Berichte über zu wenig bezahlbaren Wohnraum zu Beginn des Wintersemesters. Die Schätzfrage lässt sich aber auch mit einer nüchternen, wenngleich dramatischen Zahl beantworten: Es sind 75,6 Prozent.
Das Institut für Innovation und Technik hat in seiner vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten "Untersuchung der Auswirkungen des Hochschulpakts" errechnet, dass die Hochschulen pro Student*in und Jahr in 2015 preisbereinigt nur noch 75,6 Prozent der Finanzen von 1999 zur Verfügung hatten. Sogar in absoluten Zahlen lagen die Ausgaben pro Student*in 2015 mit 7050 Euro um 220 niedriger als 2006, dem Jahr vor der Einführung des Hochschulpakts, mit dem der Bund seitdem Milliarden für neue Studienplätze in die Länder pumpt.
Infolgedessen haben sich die Betreuungsrelationen verschlechtert: mehr Studierende pro Professor*in, aber auch mehr Studierende pro wissenschaftlicher Mitarbeiter*in . Unter dem Versprechen von "Impulsen für die Zukunftsvorsorge", um ein "qualitativ hochwertiges Hochschulstudium" zu gewährleisten (Verwaltungsvereinbarung zum Hochschulpakt), hatten sich die Hochschulen sicher etwas Anderes vorgestellt.
Isabel Schön
Jan Cloppenburg
Als Student*innen sind wir von der Sparmaßnahme Hochschulpakt direkt betroffen. Deshalb fordern wir als studentischer Dachverband die Bundes- und die Landesregierungen auf, eine neue Vereinbarung zu schließen, die das Studium allen Interessierten ermöglicht und die Studienbedingungen endlich verbessert. Damit die Mittel wirklich so eingesetzt werden, dass die Qualität von Studium und Lehre steigt und studentische Bedürfnisse beachtet werden, ist es außerdem elementar, dass die Mittel auf allen Ebenen unter Beteiligung aller Statusgruppen verteilt werden.
Es ist ein erster wichtiger Schritt, dass die Bundesregierung den ursprünglich bis 2020 befristeten Hochschulpakt verstetigen will. Gute Lehre braucht gute Forschungs- und Lehrbedingungen auf Seiten der Wissenschaftler*innen, weshalb Personal aus Hochschulpaktmitteln künftig unbefristet beschäftigt werden muss. Schließlich ist längst klar, dass der vermeintlich vorübergehend anwachsende "Student*innenberg" in Wahrheit ein Hochplateau ist. Und die Zahl der Geburten steigt neuerdings ja auch wieder an.
Aber es geht nicht nur um verlässliches Geld. Es geht auch darum, dass die Mittel sinnvoll verteilt werden. Es ist richtig, die Berechnungsgrundlage über die Zahl der Erstsemester hinaus auszuweiten, aber es wäre falsch, nur die Student*innen einzubeziehen, die sich in Regenstudienzeit plus zwei Semester befinden, wie es der Wissenschaftsrat vorschlägt. Eine "Regel"studienzeit, in der aktuellen Statistiken zufolge nur 37 Prozent der Abschlüsse erlangt werden, ist als Konzept falsch konstruiert. Auch zwei Semester später haben erst 79,5 Prozent ihr Studium beendet. Laut Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes studieren 29 Prozent aller Student*innen de facto in Teilzeit, etwa weil das BAföG ohne Nebenjob zum Leben nicht reicht. Diese Tatsachen dürfen Bund und Länder nicht durch einen künstlichen Schnitt bei der Finanzierung ignorieren. Dem Lernen sollten keine willkürlichen Grenzen gesetzt werden. Die Hochschulen müssen auch und gerade dafür finanziell bedacht werden, dass sie jene bei ihrem Abschluss unterstützen, die dafür, warum auch immer, länger brauchen. Einzig sinnvolle quantitative Berechnungsgrundlage ist die absolute Zahl der eingeschriebenen Student*innen.
Doch selbst das wird nicht reichen. Auch wir wollen die Hochschulen zu mehr Einsatz für gute Studienqualität animieren, und wir wollen, dass sie dafür gefördert werden. Dafür muss die Fördersumme pro Studienplatz erhöht werden. Die jetzige Pauschale in Höhe von 26.000 Euro stammt aus dem Jahr 2007. Und was auch immer die angemessen Finanzierung der Hochschulen ist, es sind sicher nicht 75,6 Prozent des Wertes von 1999.
Am Studium darf nicht weiter gespart werden. Um zum Start des neuen Pakts im Jahr 2021 auch nur eine zweiprozentige Inflation rückwirkend auszugleichen, muss der Wert auf 34.500 Euro erhöht werden. Außerdem braucht es künftig einen regelmäßigen Aufwuchs von jährlich mindestens drei Prozent, um der nächsten Schrumpfung vorzubeugen und Raum für Verbesserungen zu schaffen. Mit dem Pakt für Forschung und Innovation haben Bund und Länder gezeigt wie gute Wissenschaftsfinanzierung aussehen kann.
Frau Bundesministerin Karliczek, wenn Sie die Qualität von Studium und Lehre verbessern wollen, dann sollten die von Ihnen angekündigten neuen "genau zugeschnittenen Förderprogramme" vor allem größer ausfallen. Denn vielen Hochschulen mangelt es nicht nur an unbefristeten, sondern überhaupt an ausreichenden Mitteln, damit Studienplätze ausfinanziert sind und lehrunterstützende Infrastrukturen aufgebaut werden können. Wir brauchen mehr unbefristetes Personal und bessere Betreuungsrelationen.
Es sollten bei der Verteilung der Mittel Anreize gesetzt werden, die die Hochschulen auffordern, die Betreuung durch hauptberufliches und unbefristetes Personal jenseits von Hochdeputatsstellen zu verbessern. Und wir brauchen mehr hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote, zentrale Hilfestellung bei der Digitalisierung der Lehre, Studien- und Studienfachberatungen, Unterstützung in der Studieneingangsphase und bei Abschlussarbeiten und Freiräume im Studium. Und zwar an allen Hochschulen.
Auch der Qualitätspakt Lehre muss in seiner anstehenden Neuauflage alle Hochschulen fördern, statt den Kreis deren zu begrenzen, die ihre Lehre weiterentwickeln können.
Wir brauchen Hochschulpakte, die halten, was sie versprechen, und die Misere in der Hochschullehre beenden.
Isabel Schön ist Vorstandsmitglied des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften (fzs), Jan Cloppenburg ist fzs-Ausschussmitglied und gehörte früher zum fzs-Vorstand.
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Klaus Hekking (Donnerstag, 20 September 2018 06:20)
Ich würde sagen, leistet erst mal etwas, bevor ihr beim Umverteilen mitredet
BP (Donnerstag, 20 September 2018 12:02)
"Damit die Mittel wirklich so eingesetzt werden, dass die Qualität von Studium und Lehre steigt und studentische Bedürfnisse beachtet werden, ist es außerdem elementar, dass die Mittel auf allen Ebenen unter Beteiligung aller Statusgruppen verteilt werden."
Warum? Es handelt sich hierbei um Steuermittel des Staates. Über die Verteilung und den zielgerichteten Einsatz entscheiden, wie auch bei anderen staatlichen Verteilungssystemen, demokratisch legitimierte Volksvertreter auf Landes- und Bundesebene. Bei den Studiengebühren war das etwas anderes. Sie vertreten zu Recht die Interessen der Studierenden und deren Ansprüche und müssen eben genauso mitreden und Einfluss nehmen auf Entscheidungen wie jeder andere Interessensverband, natürlich auch in den betr. Gremien. Warum die Studierenden aber ein besonderes, institutionalisiertes Mitspracherecht bei den Bundesmitteln haben sollen wird mir nicht klar.