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Wolkige Kommunikation

Junge Forscher in Deutschland halten Wissenschaftskommunikation für nicht so wichtig. Bundesforschungsministerin Karliczek kann das ändern.

ZUERST DIE GUTE NACHRICHT. 54 Prozent der Menschen in Deutschland geben an, Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. Wer sich die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2018 genauer anschaut, muss allerdings schlucken. Dreiviertel der Befragten sagen, dass die Orientierung am Gemeinwohl zu den Eigenschaften eines guten Wissenschaftlers gehört. Doch nur 40 Prozent glauben, dass Wissenschaftler tatsächlich zum Nutzen der Gesellschaft forschen, berichtet Barometer-Macher "Wissenschaft im Dialog". 

 

Diese Kluft zwischen Anspruch und beobachteter Wirklichkeit ist langfristig gefährlich für die Akzeptanz freier Forschung. Wie erklärt sie sich? Hier kommt eine zweite Umfrage ins Spiel: In Deutschland arbeitende Nachwuchswissenschaftler bringen der Wissenschaftskommunikation besonders wenig Wertschätzung entgegen. Während ihre jungen Forscherkollegen aus anderen Ländern zu 74 Prozent davon ausgehen, dass die Vermittlung von Wissenschaft an ein breites Publikum außerhalb der Wissenschaft ihrer wissenschaftlichen Karriere nütze, sagen dies in Deutschland nur 51 Prozent. 

 

Carsten Könneker, Professor für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), und seine Leute haben über vier Jahre hinweg Teilnehmer der Lindauer Nobelpreisträgertagungen und des Heidelberg Laureate Forums befragt. Dabei kam zum Beispiel auch heraus, dass die deutschen Forscher sich nur gut halb so oft mit ihren Forschungsthemen in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook einbringen wie der Forschernachwuchs anderswo. Zuerst berichtete Forschung & Lehre über die Studie.  

 

Wenn viele Menschen in Deutschland mehrheitlich der Auffassung sind, die Wissenschaftler kümmerten sich nicht ums Gemeinwohl, dann heißt das nicht, dass die Befragten Recht haben. Sehr wohl aber bedeutet es, dass Wissenschaft sich nicht ausreichend erklärt: in ihren gedanklichen Grundlagen, in ihren Methoden, ihren Erkenntniswegen. Nicht, weil die Forscher gleichgültig sind, sondern weil – das zeigen die Karlsruher Zahlen – Wissenschaftlerkarrieren in Deutschland nach anderen Belohnungssystemen gemacht werden. Der Blick geht nach innen, allein die Reputation innerhalb der Wissenschaft entscheidet.

 

Die jungen Forscher können das nicht ändern. Die Politik kann es. Bundesforschungsministerin Anja Karlcizek (CDU) hat neulich angekündigt, die Wissenschaftskommunikation in der Forschungsförderung stärker zu berücksichtigen. Klingt gut, bleibt bislang aber wolkig. 

 

Richtig wäre es, wenn künftig keinerlei Projektgelder mehr fließen würden ohne die Verpflichtung zur Kommunikation nach außen. Die dann nicht in die Pressestellen outgesourct, sondern von den Forschern selbst geleistet werden müsste. Und nein, hier würde ihnen nicht noch eine zusätzliche Aufgabe aufgehalst. Das Reden mit der Gesellschaft, die sie finanziert, gehört von jeher zum Kern wissenschaftlicher Arbeit. Es muss sich nur auch karrieretechnisch lohnen.  

 

Anja Karliczek sollte liefern. Bald. 

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.

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Kommentare: 6
  • #1

    Antonia Rötger (Donnerstag, 04 Oktober 2018 11:33)

    Das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Wissenschaftskommunikation ist wichtig, das ist keine Frage. Aber ich finde, hier geht eine Entwicklung in eine falsche Richtung.
    Es ist nicht sinnvoll, alle Forschungsprojekt-Verantwortlichen zu eigenen Kommunikationsanstrengungen in eine "breite Öffentlichkeit" zu verpflichten. Das Interesse und die Aufnahmefähigkeit der breiten Öffentlichkeit für spezielle Fragen ist begrenzt, bzw. nicht vorhanden.
    Ich fände es tatsächlich sehr viel wichtiger, den naturwissenschaftlichen Unterricht in den Schulen zu verbessern und vielfältige Bildungs- und Unterhaltungsangebote für alle Bildungsschichten zu machen. Das wäre nachhaltiger und hätte eine deutlich größere Reichweite.
    Aber was nun geschieht ist: Jede Arbeitsgruppe schreibt ein eigenes Konzept zum Thema Kommunikation, erfindet das Rad ständig neu, nicht immer mit Rücksprache mit den Fachleuten aus der Kommunikationsabteilung und oft ohne Ahnung von Zielgruppen, Medien und ihren Informationsbedürfnissen. Dann kommt es zu weiteren Webseiten, Presseinfos, Filmen und Formaten, die niemand braucht.
    Dies hat vor einigen Jahren schon der renommierte Wissenschaftsjournalist Simon Singh auf dem Forum Wissenschaftskommunikation beklagt, nicht nur ich.
    Die Forschenden sind in der Regel gerne bereit, sich für die Wissenschaftskommunikation zu engagieren, aber es braucht dazu Formate, die die richtigen Zielgruppen auch erreichen und einen Nutzwert für sie haben. Und in der Regel lassen sich dann eher die übergeordneten Fragen transportieren, nicht die Spezialgebiete, die eben "nur" für die Fachleute wichtig sind.
    Und weil die Forschenden berufsbedingt oft einen eher engen und tiefen Fokus haben, ist dafür eine gute Zusammenarbeit mit gelernten Kommunikatoren sinnvoll. Und auch die sagen immer öfter: Weniger ist mehr.

  • #2

    Elmar Neitzert (Donnerstag, 04 Oktober 2018 13:56)

    Diese Verpflichtung gibt es bei Zuwendungen des BMBF schon lange. Aber es ist einerseits nicht jedem gegeben pobulärwissenschaftsfähige Berichte zu schreiben und zum anderen muss es auch einen Abnehmer dafür geben.
    Insofern liegt es auch am Author hier zu unterstützen.

  • #3

    Dr. Josef König (Donnerstag, 04 Oktober 2018 14:38)

    Lieber Jan-Martin,

    bei aller Wertschätzung für Deine Kommentare und Berichte - in diesem Fall muss ich Dir deutlich widersprechen. Siehe dazu:
    https://www.widderworte.de/2018/10/wolkige-kommunikation-nein-wolkiger-kommentar/

    Viele Grüße
    Josef

  • #4

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 04 Oktober 2018 14:40)

    Lieber Josef,
    vielen Dank für Deine engagierte Replik, die mich freut und ehrt. Und die sicher der Debatte weiterhilft.
    Viele Grüße
    Jan-Martin

  • #5

    Edith Riedel (Sonntag, 07 Oktober 2018 16:54)

    Lieber Herr König,

    vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Replik - auch ich denke, dass hier eine Überhöhung der Wissenschaftskommunikation und nebenher ganz beiläufig eine zusätzliche Belastung für die Wissenschaftler_innen propagiert wird. Und ein ganz übles Gefühl überkommt mich, wenn ich daran denke, dass ausgerechnet die Bundesforschungsministerin, die keinerlei Erfahrung in der Wissenschaft hat, Konzepte dazu vorlegen soll.

    Mit sonntäglichen Grüßen

    Edith Riedel

  • #6

    Dr. Stephanie Wegener (Dienstag, 09 Oktober 2018 12:26)

    Verpflichtend oder nicht - ich finde es sinnvoll darüber nachzudenken, wie Wissenschaftler ihre Arbeit der Öffentlichkeit besser verständlich machen können. Gerade in Zeiten zunehmender Eliten- und Bildungsfeindlichkeit können doch am direktesten die Wissenschaftler selbst den Enthusiasmus und die Neugier vermitteln, das spielerische Element, das im besten Fall guter und kreativer Forschung innewohnt. Diese Aufgabe nur den geschulten Kommunikationstalenten überlassen zu wollen, ist zu kurz gedacht. Und sie den Schulen überzuhelfen, schlicht utopisch. Wie sollen Lehrer im staubtrockenen Boden der Klassenzimmer Begeisterung für Forschung schaffen?