Die Ministerpräsidenten der Länder fordern von Bundesforschungsministerin Karliczek überraschend mehr Geld für die Exzellenzstrategie – als Konsequenz aus der hochgetriebenen Clusterzahl.
DIESE ANSAGE DÜRFTE Anja Karliczek auf dem falschen Fuß erwischen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben bei ihrer Jahreskonferenz in Hamburg Konsequenzen aus der Exzellenzcluster-Entscheidung von Ende September gefordert. Unter "TOP 14.5 Exzellenzstrategie" beschlossen sie am Freitag: Die Regierungschefs erwarteten, "dass im Hinblick auf die Ergebnisse des Auswahlverfahrens... die Gesamthöhe der Fördersumme entsprechend der größeren Anzahl der geförderten Cluster erhöht wird." Konkret läuft ihre Forderung auf eine massive Aufstockung um bis zu 135 Millionen Euro pro Jahr hinaus – wovon der Bund ihrer Meinung nach das meiste zahlen soll.
Wie berichtet war der Ärger besonders unter den SPD-regierten Wissenschaftsministern groß über das Abstimmungsergebnis in der sogenannten Exzellenzkommission. Bundesforschungsministerin Karliczek (CDU) hatte am 27. September alle Stimmen des Bundes eingesetzt, um die Zahl der geförderten Cluster hochzudrücken. Von einer "Kampfabstimmung" sprachen sozialdemokratische Bildungspolitiker im Anschluss, manche witterten gar eine unangemessene Politisierung des wissenschaftsgeleiteten Verfahrens.
Ganz so schwarz-weiß war es allerdings nicht: Auch viele Wissenschaftler stimmten in der Kommission dafür, 11 der 12 mit "gelb" bewerteten Cluster in die Förderung zu nehmen – so dass am Ende 57 Anträge in die Förderung rutschten statt der erwarteten 45 bis 50. Ohne die Stimmen der Forscher hätten Karliczek und die CDU-Wissenschaftsminister, die mit ihr stimmten, gar nicht die nötige Mehrheit erreicht. Und, wie Sitzungsteilnehmer berichten, als DFG-Präsident Peter Strohschneider die Clusterfrage zur Abstimmung stellen wollte, habe keiner widersprochen.
Weil sie überrumpelt worden seien, sagen wiederum SPD-Minister.
Worin sich alle einig sind: Die Stimmung unter den Wissenschaftspolitikern von Bund und Ländern ist seitdem ziemlich mies. Und dazu passt der heute gefasste einstimmige Beschluss der Ministerpräsidenten. Wie ein Sprecher von Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betont, ist die Forderung auf Müllers Betreiben zustande gekommen, fand aber auch Unterstützung seiner Kollegen von Union und Grünen. Was wiederum putzig ist, weil zumindest einige von denen ja den Beschluss der Cluster-Ausweitung mitgetragen und – wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, aber auch das rot-schwarz regierte Niedersachsen – massiv davon profitiert haben. Putzig – oder vielmehr im Falle der CDU-Ministerpräsidenten ein ziemlich unfreundlicher Akt der eigenen Bundesforschungsministerin gegenüber.
Die Regierungschefs wollen jetzt also Kompensation dafür, dass pro Cluster gut ein Viertel weniger Geld da ist als ursprünglich gedacht, und dieses Geld soll zu 75 Prozent vom Bund kommen. Denn auch das steht in ihrer heutigen Entschließung: Sie gingen davon aus, dass der für die ExStra vereinbarte Finanzierungsschlüssel auch bei der geforderten Nachfinanzierung eingehalten werde.
Karliczeks Einsatz für eine so große Menge geförderter Cluster hat auch deshalb viele Beobachter überrascht, weil es gerade ihr Ministerium gewesen war, das bei den Verhandlungen um die Neuauflage der Exzellenzinitiative vor zweieinhalb Jahren die Zahl der Förderfälle möglichst niedrig halten wollte. Schon die schließlich in der Bund-Länder-Vereinbarung festgehaltene Untergrenze von 45 erschien der ehemaligen (von Karliczek entlassenen) BMBF-Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen im Grunde als deutlich zu hoch. Einige Landeswissenschaftsminister witterten deshalb sogar einen Bruch der Vereinbarung. Das sagen die Ministerpräsidenten in ihrer heutigen Erklärung natürlich nicht, aber ihre Botschaft lautet so: Wenn Du (Bund) schon mehr Cluster wolltest als eigentlich vereinbart, dann musst Du jetzt auch dafür zahlen.
Es wird spannend, wie Anja Karliczek auf die Forderung reagieren wird. Würde sie ihr folgen, würden die Kosten für die Exzellenzcluster von 385 Millionen Euro pro Jahr auf über 500 Millionen steigen, wovon der Bund drei Viertel zu zahlen hätte – und das bei einem Haushalt ihres Ministeriums, der ohnehin nicht mehr in den Himmel wächst. Sollte sie das Verhalten ihrer Parteikollegen unter den Ministerpräsidenten für opportunistisch halten, wird Karliczek dies sicher so nicht sagen. Aber der Druck auf die Ministerin nimmt weiter zu – und das angesichts von Bund-Länder-Verhandlungen, die vor allem in Hinblick auf die versprochene Hochschulpakt-Nachfolge ohnehin bislang äußerst schleppend laufen.
NACHTRAG:
Kurz nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten hat sich auch Bundesforschungsministerin Karliczek zu Wort gemeldet. Die Entscheidung, 57 Exzellenzcluster in die Förderung zu nehmen, sei "der in den vergangenen Jahren noch einmal gewachsenen Exzellenz der deutschen Wissenschaft angemessen." Sie trage "den unter großen Anstrengungen hart erarbeiteten Forschungsvorhaben Rechnung." Zudem verweist Karliczek darauf, dass auch die zurückliegende Exzellenzinitiative eine durchschnittliche Kürzungsquote von 26 Prozent bei den Cluster-Geldern gehabt und dabei ihre Erfolge hervorgebracht habe. "Ich bin sicher, dass wir auch bei den neuen Exzellenzclustern mit den jetzigen Mittelkürzungen herausragende Leistungen sehen werden."
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Bildungspolitiker Tankred Schipanski kommentierte per Twitter: Wenn die Länder ihrer "verfassungsmäßige Verantwortung für Wissenschaft und Bildung... richtig und ausreichend" nachkämen, "könnte der Bund bei der Exzellenzstrategie sicherlich nachjustieren. Unter den jetzigen Bedingungen jedoch nicht!"
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Carl Wechselberg (Freitag, 26 Oktober 2018 17:22)
Soll angesichts dieser Entscheidungen zu den Clustern nochmal jemand über wissenschaftliche Exzellenzkriterien und die Neuausrichtung der Initiative reden - als das Ergebnis der Begutachtung für die CDU-geführten Länder nicht passte, hat man umstandslos alle eigenen Maßstäbe in die Tonne getreten und machtpolitisch durchgestimmt. Auf die Eigeninteressen eines Teils der Wissenschaftsbank war Verlass. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Was hatte Frau Karliczek ansonsten nochmal mit Wissenschaft zu tun? Genau. Das kann ja heiter werden mit der Entscheidung zu den Exzellenzuniversitäten-/verbünden.
Edith Riedel (Samstag, 27 Oktober 2018 08:16)
Der Verweis von Frau Karliczek auf die Kürzungen der letzten Runde zieht nicht.
1) Diese Kürzungen wurden von den Fachgutachtergremien für jedes einzelne Cluster individuell beschlossen, nicht pauschal politisch verordnet. Insofern folgten die Kürzungen ganz stringent dem Förderkriterium der Angemessenheit der Mittelbeantragung und eben nicht dem politischen Wunsch, mehr Cluster in die Förderung zu nehmen.
2) Es wäre gewiss interessant und aufschlussreich zu überprüfen, inwiefern die Höhe der Kürzungen sich auf den Erfolg der einzelnen gekürzten Cluster aus der Exzellenzinitiative II in der Exzellenzstrategie ausgewirkt hat - sind vielleicht gerade die Cluster, die massive Kürzungen erfahren haben, in der aktuellen Runde nicht mehr erfolgreich gewesen? Pauschal lässt sich ganz gewiss nicht sagen, die Kürzungen hätten keine negativen Auswirkungen gehabt.
Dr. Pipa (Dienstag, 30 Oktober 2018)
"[...]Kompensation dafür, dass pro Cluster gut ein Viertel weniger Geld da ist als ursprünglich gedacht [...]"
Mathematisch kann ich das einfach nicht nachvollziehen ... es stehen 385 Mio € / Jahr zur Verfügung, d.h. durchschnittlich
- bei 45 Förderungen 8,56 Mio €
- bei 50 Förderungen 7,70 Mio €
- bei 57 Förderungen 6,75 Mio €
Wenn man 45 Förderungen als Basis nähme, wären es 21% weniger (also gerundet 20% bzw ein Fünftel), aber da man gemäß den Vorgaben sowieso von bis zu 50 Förderungen ausgehen müsste, wären es dann nur noch 12,5% und insofern ein Achtel weniger.
Natürlich immer noch eine Einschränkung, aber weitaus weniger dramatisch und durchaus im üblichen Spektrum.
Edith Riedel (Freitag, 02 November 2018 10:12)
Dr. Pipa: mathematisch nicht nachzuvollziehen, jedoch Realität. Die Förderung von mehr Clustern als geplant scheint nur der eine Grund für die Kürzungen zu sein. Den anderen kann ich mir nur so erklären, dass die festgesetzte Fördersumme zu niedrig angesetzt war. Zwischen 3 und 10 Millionen pro Jahr war die Spanne, mit der pro Cluster gerechnet wurde. Es scheint, dass von den zur Förderung ausgewählten Clustern dann doch erheblich mehr Richtung 10 Millionen gingen als kalkuliert.