· 

100 Prozent super

Jetzt kommt heraus: Bei der ExStra-Entscheidung hat es eine zweite Auffälligkeit gegeben. Leidtragende sind die Forscher in den Clustern.

Foto: Pressekonferenz zur Bekanntgabe der ExStra-Ergebnisse in Bonn (Screenshot).
Foto: Pressekonferenz zur Bekanntgabe der ExStra-Ergebnisse in Bonn (Screenshot).

DIE VERHANDLUNGEN WAREN hart, aber am Ende war man sich einig. Und so präsentierten Bund und Länder am 16. Juni 2016 eine Verwaltungsvereinbarung zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative, die klare Vorgaben machte. Eine davon lautete: Es gibt 385 Millionen Euro für die Förderlinie "Exzellenzcluster". Davon werden "45 bis 50 Förderfälle Mittel" finanziert. Ende der Ansage.

 

Dass die für die Bewilligung zuständige Exzellenzkommission 21 Monate später 57 Cluster durchwinkte, hat deshalb für ziemlich viel Aufregung in der Szene gesorgt. Zumal jetzt die Fördermittel pro erfolgreichem Antrag logischerweise deutlich gekürzt werden müssen.

 

Dass das Gremium, bestehend aus den Wissenschaftsministern von Bund und Ländern und 39 Wissenschaftlern, offenbar noch an einer zweiten Stelle den Wortlaut der Vereinbarung missachtet hat, blieb dagegen bislang unbeachtet. Dabei ist diese Umdeutung eigentlich sogar die noch krassere. Und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sie bei der Bekanntgabe der Förderentscheidung Ende September noch nicht einmal mitgeteilt.

 

Dazu sei, "ohne irgendeine Absicht damit zu verbinden, tatsächlich nichts kommuniziert worden", räumt die DFG auf meine Anfrage hin ein, "aber es wurde auch noch nicht vorher nachgefragt."

 

Worum es geht: Die ExStra-Verwaltungsvereinbarung bestimmt in Paragraph 3 ("Exzellenzcluster"), vierter Absatz: Universitäten, die erfolgreich ein Cluster eingeworben haben, "können zudem eine Universitätspauschale als Strategiezuschlag zur Stärkung ihrer Governance und strategischen Ausrichtung durch die Universitätsleitung erhalten". Die Höhe: eine Million Euro pro Jahr für das ersten Cluster, 750.000 für das zweite, eine halbe Million für jeden weiteren erfolgreichen Antrag.

 

Dafür müsse die Universitätsleitung jedem Cluster-Antrag "eine schlanke Darstellung der universitären strategischen Ziele" beifügen, die dann von denselben Gutachtern, die auch den Cluster-Antrag bewerten, "auf ihre Plausibilität hin" überprüft wird. Und dann folgt in dem Bund-Länder-Vertrag der entscheidende Satz: "Ein inhaltlich erfolgreicher Exzellenzcluster erhält keine Universitätspauschale, wenn diese Bewertung negativ ausfällt."

 

Anders gesagt: Ein eigener Wettbewerb und kein Automatismus zwischen der Bewilligung des Clusters und der Universitätspauschale. Die übrigens – als eine der wenigen Neuerungen in der Exzellenzstrategie überhaupt – aus den von der Politik wenig geliebten Empfehlungen der internationalen Imboden-Kommission stammte, die die Exzellenzinitiative evaluiert hatte.

 

Es ging also um nochmal richtig viel Extra-ExStra-Geld. Und nun zum bislang unveröffentlichten Beschluss der Exzellenzkommission: Von den 57 erfolgreichen Cluster-Anträgen haben 57 die Universitätspauschale bewilligt bekommen. Eine Erfolgsquote von 100 Prozent, wie DFG-Sprecher Marco Finetti bestätigt.

 

Es kann natürlich sein, dass zufällig alle 57 Cluster-Anträge auch bestechend klare Strategiekonzepte enthalten haben. Dass die nicht überzeugenden, die nicht "plausiblen", sich allesamt auf die nicht erfolgreichen Cluster-Anträge konzentrierten. Aber wahrscheinlicher ist etwas anderes: Die Gutachter,  die Exzellenzkommission oder beide haben sich nicht um die Vorgaben der Verwaltungsvereinbarung geschert. Und die Politik aus Bund und Ländern hat, indem sie alle 57 Pauschalen absegnete, zum zweiten Mal ihre eigenen ExStra-Beschlüsse unterlaufen.

 

Wie kam es dazu? Wie ist die diesbezügliche Entscheidung in der Exzellenzkommission gefallen? Wer hat sie vorangetrieben? Wofür hatten im Vorfeld die Gutachter plädiert? Die Antwort der DFG fällt an der Stelle denkbar knapp aus: Der Ablauf der Sitzung des Gremiums unterliege "auch in diesem Punkt DFG-seits der Vertraulichkeit."

 

Auffällig ist, dass selbst die SPD-Wissenschaftsminister, die sich so über das Hochtreiben der Cluster-Anzahl erregt haben, sich beim Thema Universitätspauschalen bislang ausschwiegen.

 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Man kann das ja so machen. So ist etwa in den Empfehlungen der Imboden-Kommission zwar von der Einführung der Universitätspauschalen die Rede, ganz bewusst aber nicht von einer von den Clustern getrennten Bewilligungsentscheidung. Was aber nicht geht: Dass die Politik erst Regeln formuliert und dann daran mitwirkt, dass sie ganz offenbar nicht eingehalten werden. Ein solches Verhalten führt zu Intransparenz und einem zunehmenden Misstrauen in die ExStra-Entscheidungsabläufe.

 

Die Folgen für die Cluster sind übrigens nicht unerheblich: Denn die Universitätspauschalen werden aus dem gleichen Budget wie das Forschungsgeld finanziert, aus den 385 Millionen nämlich. Woraus folgt: Je mehr Geld in die Pauschalen fließt, desto weniger Geld bleibt für die Forschung in den Clustern. 

 

Aber womöglich hält die Politik sich ja auch an der Stelle nicht an ihre Vorgaben.

 

An einer Stelle indes scheint es sehr prinzipiell zuzugehen. Während die Fördermittel für die Cluster aufgrund ihrer hohen Zahl durchweg um 26 Prozent gekürzt werden sollen, werden die Universitätspauschalen in ihrer vollen Höhe ausgezahlt. Sie sind von der Kürzung ausgenommen. Warum? Weil, erläutert die DFG, ihre Höhe "in der Verwaltungsvereinbarung genau beziffert" wurde.


Kritik von Imboden

Und was meint zu all dem der ehemalige Vorsitzender der internationalen Expertenkommission? Ehrlich gesagt habe er "diese zusätzliche Antragstellung für die Pauschale nie verstanden", sagt Dieter Imboden. "Entweder traut man jenen erfolgreichen Universitäten zu, etwas Vernünftiges mit dem Geld zu machen, oder man vergisst das Geschwätz um Exzellenz. Für den Overhead braucht man schließlich auch keine Anträge zu schreiben."

 

Insofern habe die DFG offenbar in einer Art von Pragmatismus einen früheren Fehler korrigiert, "dies sicher auch in der Hoffnung, man merke es nicht, ganz nach dem Motto: Wo kein Kläger ist, ist kein Richter". Das rechtfertige aber natürlich nicht das Zurechtbiegen der Vereinbarung.

 

"Sehr bedenklich" findet der Schweizer Physiker und Wissenschaftsmanager noch etwas Anderes: "dass einmal mehr der eigentliche Kern der Exzellenzinitiative, nämlich die Forschung, bei der Kürzung über die Klinge springen muss", sagt Imboden, "während das bürokratische Beilagengemüse ungeschoren davon kommen soll." 


Karliczeks Ministerium: Regeln wurden nicht unterlaufen

 Am Montagabend äußerte sich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und wies Vermutungen, in Bezug auf die Universitätspauschalen sei die Verwaltungsvereinbarung missachtet worden, "entschieden zurück". Für derartige Schlussfolgerungen gebe es keinerlei Anhaltspunkte, sagte ein Sprecher, "sieht man einmal davon ab, dass offenbar nicht für vorstellbar gehalten wird, dass alle Antragsteller plausible Strategien entwickeln." Außerdem gehe die Bewilligung einer großen Zahl von Universitätspauschalen nicht zur Lasten der Forschung, sondern stärke die Universitäten. 

 

In den sozialen Netzwerken entwickelte sich in Reaktion auf meinen Beitrag ebenfalls eine engagierte Debatte: Während einige Kommentatoren zum Teil heftige Kritik an der 100-Prozent-Erfolgsquote bei den Pauschalen übten, pflichteten andere Imboden bei: Man dürfe nicht jeden "nicht verhinderbaren Symbolsatz im Abkommen danach buchstabengetreu umsetzen wollen", hieß es zum Beispiel auf Facebook.


Sattelberger: "Aushebeln des Wettbewerbs"

Der FDP-Wissenschaftspolitiker Thomas Sattelberger kritisierte am Mittwoch Karliczeks Ministerium für dessen Handling der Exzellenzstrategie. Erst sei den Forschern "durch die undurchsichtige Erhöhung der geförderten Clusterzahl" das Geld für ihr eigenes Cluster massiv gekürzt worden, sagte Sattelberger, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Forschung und Innovation. Jetzt werde auch noch sämtlichen Universitätsleitungen die Uni-Pauschale für gute Strategiekonzepte gewährt. "Es lebe das Aushebeln des Wettbewerbs durch Gleichmacherei  – zu Lasten von Spitzenforschung."

Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Edith Riedel (Montag, 05 November 2018 07:58)

    Auch die Anzahl der zu fördernden Cluster hat in der Verwaltungsvereinbarung eine genaue Bezifferung ihrer Obergrenze erhalten, nämlich 50. Was ein Schmierentheater, auf allen Seiten.

  • #2

    Johannes Moes (Montag, 05 November 2018 09:15)

    Oh, wenn ich Debatten stoppen könnte, dann würde ich mir das für diese wünschen. Ich finde, es ist deutlich formuliert, dass "Plausibilität" das Kriterium ist, und nicht noch ein Wettbewerb im Wettbewerb. Es wurde also nicht "mit dem Geld der Steuerzahler Schindluder getrieben", ohne Hingucken bewilligt oder was auch immer hier durchs Dorf getrieben werden soll. Die Mittel müssen korrekt abgerechnet werden, bei logischerweise mindestens 20 Clustern wird das Geld sowieso mit dem Universitäts-Exzellenzkonzept verrechnet (jede im nächsten Herbst zu kürende Ex-Uni hat mind. 2 Cluster). Und worauf liefe eine erfolgreiche Kritik hinaus? Dass noch mehr Forscherzeit und Papier in wolkige Konzepte, deren Begutachtung und dann 'wettbewerbliche' Prämierung (die immer dazu führt, dass viel Arbeit für die Katz gewesen ist) führt? Bitte: kann die Community mal auch auf weniger Wettbewerb, weniger Begutachtung, weniger genaues Hingucken plädieren? Dann können Forscher*innen mehr forschen, Verwalter*innen mehr verwalten und Politiker*innen mehr Politik machen. Save our time! JM

  • #3

    Jan-Martin Wiarda (Montag, 05 November 2018 09:28)

    Lieber Johannes,

    es geht nicht um mehr oder weniger Wettbewerb oder was besser ist. Es geht auch nicht darum, dass die Pauschale auf die zweite Förderlinie angerechnet wird und deshalb die finanziellen Folgen irgendwie begrenzter sind. Es geht darum, dass Verabredungen, wenn man sie denn beschließt, auch eingehalten werden sollten. Alles andere beschädigt das Vertrauen in Abläufe und Verfahren. Darüber sollte man schon debattieren, finde ich.

    Viele Grüße,
    Jan-Martin

  • #4

    Laubeiter (Montag, 05 November 2018 09:40)

    Mir ist die Diskussion nicht durchsichtig. Wenn eine oder mehrere Universitätspauschalen abgelehnt worden wären, dann wäre das der Beweis gewesen, dass die Universitätspauschalen gründlich geprüft worden wären, und jetzt, wo alle bewilligt wurden, ist das ein Hinweis, dass die Universitätspauschalen nicht gründlich geprüft wurden? Geht jemand davon aus, dass es ein Ziel hätte geben müssen, einen bestimmten Prozentsatz abzulehnen?

  • #5

    Carl Wechselberg (Montag, 05 November 2018 12:43)

    „Vermeintliche Schiebung“, die die SPD-Wissenschaftsminster beklagen? Selten lag ein politisch motivierter Betrug an den selbsterklärten Grundsätzen exzellenter Wissenschaft so auf der Hand, wie in diesem Fall. Dieser „Wettbewerb“ ist endgültig zum machtpolitischen Rangierbahnhof für Fördermillionen degradiert. Eine Posse.

  • #6

    André Lottmann (Montag, 05 November 2018 14:19)

    Vielen Dank für diese kritische Bewertung und in der Tat wichtige Diskussion. Zwar wäre hier kein Wettbewerb im Wettbewerb notwendig gewesen. Aber der "Strategieaufschlag" hätte kein Automatismus, kein reiner Overhead sein dürfen, wie es nun offenbar geschehen ist. Es liegt der Verdacht nahe, dass sowohl der Strategie als auch der Organisation der Universitäten keine besondere Beachtung geschenkt geworden ist. Es galt offenbar das Prinzip: „Wo exzellente Forschung stattfindet, müssen auch die Strukturen, das Management und die Organisationskultur exzellent sein.“ Diese Losung passt nicht in eine Gegenwart, in der die Rufe nach einer Verbesserung der Governance von Hochschulen immer lauter werden – zwar von unterschiedlichen Personengruppen und mit unterschiedlichen Vorstellungen, aber insgesamt eben doch deutlich hörbar. Dass diese Rufe nun in dem vermutlich wichtigsten Förderprogramm des deutschen Wissenschaftssystems im wahrsten Sinne des Wortes pauschal unberücksichtigt geblieben sind, ist ein befremdliches Signal.