Wie sollen künftig die Bundesmilliarden aus dem Hochschulpakt verteilt werden? Die Länder ringen um eine gemeinsame Position für die heiße Phase der Verhandlungen mit dem Bund. Welche Modelle heute auf dem Tisch der Staatssekretäre liegen.
Marco Frech: "Bunte Perlen auf einem Abakus", CC BY 2.0.
DIE "KLEINEN WISSENSCHAFTSPAKTE" mögen offiziell noch gar nicht besiegelt sein: Nach der Einigung vergangene Woche läuft das Beschlussverfahren per Umlauf. Doch die Staatssekretäre der Länder sind bei ihrem Treffen heute Mittag in Bonn gedanklich schon ganz woanders. Namentlich: beim Hochschulpakt und dessen geplanter Fortsetzung nach 2020. Sie wollen sich an eine gemeinsame Länderposition herantasten, die es bislang nicht gibt, die aber bitter nötig ist, um in den Verhandlungen mit dem Bundesbildungsministerium von Anja Karliczek (CDU) voranzukommen.
Die "länderseitige Sondersitzung der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe" in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), so das amtliche Label des heutigen Termins, dürfte diese gemeinsame Position noch längst nicht bringen. Aber das auf fünf Stunden angesetzte, allein dem Hochschulpakt gewidmete Treffen zeigt, wie dringend die Länder zueinander finden wollen. Und müssen: Bereits im Frühjahr soll die Grundsatzeinigung mit dem BMBF stehen, wie die versprochenen "HSP"-Gelder künftig investiert werden sollen. 1,88 Milliarden Euro pro Jahr hat Karliczek versprochen, aus Sicht der Länder soll es natürlich noch mehr werden.
Einig sind sich Bund und Länder bislang nicht über vieles, aber über das folgende schon: Erstens soll der Hochschulpakt einen neuen Namen bekommen, um seine neue Ausrichtung zu betonen. Diese Ausrichtung muss allerdings noch gefunden werden, das schillernde Wort "Qualität" als Überschrift wird nicht reichen. Zweitens: Das Geld soll nicht nach dem Königsteiner Schlüssel vergeben werden, also nicht nach reinem Proporz. Aber natürlich am Ende doch so, dass alle Länder und der Bund damit leben können.
Worüber die Staatssekretäre der Länder heute konkret reden wollen: Verschiedene Verteilungsmodelle liegen auf dem Tisch, drei davon hat Thüringens Wissenschaftsministerium errechnet, weil es den Vorsitz der sogenannten Fach-AG "HSP-Nachfolge" führt.
Zum einen ein sogenanntes Basismodell, das die Bundesgelder zu 25 Prozent nach der Zahl der Studienanfänger im ersten Hochschulsemester zuweist, zu 50 Prozent nach den Studierenden in der Regelstudienzeit plus zwei Semester und zu 25 Prozent nach der Zahl der Absolventen. Grundlage der Berechnung soll jeweils der Mittelwert der Jahre 2014 bis 2016 sein, und es zählen nur die Studienplätze an den staatlichen Hochschulen (das war bislang anders).
Zu dem Basismodell hat Thüringen wie von den übrigen Ministerien gewünscht zwei Varianten vorgelegt: die erste nimmt als weiteren Parameter die Studierendenmobilität hinzu, genauer: die Zahl der Studierenden mit Hochschulzugangsberechtigung aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland. Die zweite Variante berücksichtigt zusätzlich zum Basismodell die Zahl der vorhandenen Professoren.
Als Topf legt Thüringen einmal 1,88 Milliarden Bundesgelder zugrunde, einmal 2,2 Milliarden. Und dann rechnet es die Varianten auch noch einmal ohne und einmal mit einer jährlichen Mittelsteigerung um drei Prozent durch. Das ist die sogenannte Dynamisierung des Hochschulpakts, die die Länder fordern, der Bund aber bislang ablehnt. Insgesamt kommen die Thüringer so auf 12 Rechenvarianten – und pro Rechenvariante auf 112 Kästchen, weil für jedes Bundesland die Mittelverteilung für die Jahre 2021 bis 2027 einzeln angegeben werden.
Es dürfte also reichlich zwischen den verschiedenen Tabellen hin- und hergeblättert werden heute Mittag und Nachmittag.
Doch die Thüringer Vorlage ist nicht die einzige, die heute für Diskussionen unter den Staatssekretären sorgen dürfte. Denn überraschend hat Berlin als einziges Bundesland einen eigenen Vorschlag "zur Ausgestaltung des Nachfolgeprogramms für den Hochschulpakt 2020" eingebracht. An dem wiederum sind nicht die Tabellen das Interessanteste, sondern die ausführlichen Erläuterungen, die Berlins Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach (SPD) auf drei Seiten voranschickt.
Thüringen rechnet, Berlin
legt Alternativvorschlag vor
Der "Zukunftspakt Hochschule“" so nennt das Papier das vorgeschlagene Programm, solle "bedarfsgerecht und nachhaltig die Bedingungen für ein hochwertiges Studium an den staatlichen und staatlich refinanzierten Hochschulen zu fördern". Es soll die Internationalisierung stärken und den Fachkräftebedarf sichern sowie – hier ist rhetorisch die größte Abweichung zu den bislang diskutierten Modellen zu erkennen – "die Ausgewogenheit zwischen den Bundesländern und Regionen" herstellen. Konkret fordert Krach, dass strukturschwache Länder bevorzugt vom Hochschulpakt profitieren sollen, von 2022 bis 2024 soll der Fokus dabei auf Ostdeutschland liegen – wobei der Berliner Vorschlag dabei die Hauptstadt selbst explizit ausnimmt.
Die Regionalförderung hat allerdings einen Haken: Sie setzt in der skizzierten Form eine (zurzeit wie gesagt sehr fragliche) Dynamisierung des Hochschulpakts voraus, denn die ostdeutschen Bundesländer sollen profitieren, indem sie überdurchschnittlich am Mittelzuwachs beteiligt werden. Dann würde es aber um richtig viel Geld gehen: Bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr sollen die übrigen Bundesländer abtreten.
Spannend ist, dass Krach die Strukturkomponente perspektivisch auch auf westdeutsche Bundesländer ausdehnen möchte – nach "noch zu definierenden Kriterien“. Offenbar geht es hier um eine Art Ausgleich für jene Länder, die bei der Exzellenzstrategie nicht oder nur mäßig erfolgreich waren – das gilt in besonderem Maß für Ostdeutschland, aber nicht nur. Der bisherige Hochschulpakt hatte neben den Stadtstaaten auch die neuen Bundesländer nach einem speziellen Schlüssel gefördert.
Die Zustimmung des Bundes, den Hochschulpakt doch zu dynamisieren, will Krach mit der Selbstverpflichtung der Länder erreichen, sämtliche Grundmittel der Hochschulen um jährlich drei Prozent zu steigern. Seinen diesbezüglichen Vorschlag hatte er schon im Sommer im Interview hier im Blog präsentiert. Wie realistisch er ist, sei weiter dahingestellt: Einige Länder gönnen ihren Hochschulen bereits heute drei, vier Prozent mehr pro Jahr – andere Länder sind davon weit entfernt. Wobei das Beispiel Hamburg (0,88 Prozent Plus pro Jahr) zeigt, dass das Armuts-Argument dabei nicht immer zieht. Und Krach bringt in seinem Papier ein weiteres Zugeständnis ins Gespräch: die vom BMBF gewünschten (und von den meisten Ländern abgelehnten) bilateralen Vereinbarungen zwischen dem Bund und jedem einzelnen Land, in denen zusätzlich zum Rahmenvertrag jeweils eigene inhaltliche Ziele vereinbart werden.
Die Indikatoren zur Mittelverteilung, die Berlin anführt, sind dabei fast schon nebensächlich, wobei sie durchaus innovativ daherkommen. Auch hier sind die Hochschulabsolventen mit dabei (25 Prozent) und die Studierenden mit Hochschulzugangsberechtigung aus einem anderen Bundesland (25 Prozent) sowie aus dem Ausland (nochmal 25 Prozent). Auffällig ist jedoch die hohe Bedeutung, die Krach damit insgesamt dem Prinzip "Geld folgt Studierenden" einräumen möchte. Das Thüringer Modell ist hier mit insgesamt 15 Prozent deutlich zurückhaltender.
Mit einem weiteren Viertel der Mittel will der Berliner Vorschlag die bisherige Aufbauleistung honorieren: Je mehr neue Studienplätze ein Land im Rahmen des bisherigen Hochschulpaktes geschaffen hat, desto mehr Geld soll es bekommen. Bleiben fünf Prozent, die das Engagement der Länder für den Studienzugang beruflich Qualifizierter belohnen sollen.
Als weitere mögliche, aber in seinen Berechnungen noch nicht eingepreiste Indikatoren benennt Krach "beispielsweise" den prozentualen Anteil von Professorinnen an der Gesamtprofessorenschaft. Und schließlich regt Berlins Wissenschaftsstaatssekretär an, den Wissenschaftsrat einzuschalten. Das Gremium solle damit beauftragt werden, bis 2027, also für die nächste Pakt-Phase, "mess- und vergleichbare Indikatoren für die Qualität an Hochschulen" vorzuschlagen. Der Wissenschaftsrat selbst hatte in seinem Positionspapier zum Hochschulpakt Ende April die Entwicklung eines "systematischen Bewertungsverfahrens" angeregt.
Ist jedes Bundesland nur auf
seinen eigenen Vorteil bedacht?
Insgesamt ist es ein kreatives Papier, das Brücken baut zwischen Bund und Ländern und das – noch wichtiger – die Zahlen mit einer inhaltlichen Vision verknüpft. Bislang sah es so aus, als könnte die Debatte über die Hochschulpakt-Neuauflage zu einem Gefeilsche werden, bei dem jedes Land nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und die bildungspolitische Perspektive abhanden kommt.
Doch hat Krachs Vorschlag eine Chance? Aus anderen Ländern schlug den Berlinern schon im Vorfeld Misstrauen entgegen. Krach wolle sich mit seinem Konzept doch nur produzieren, sagte ein Staatssekretärs-Kollege. Ein anderer vermutet, Berlin wolle sich mit dem gewählten Kriterienmix selbst in eine bessere Position bringen. Denn bei sämtlichen Thüringer Modellrechnungen liegt Berlin zum Teil empfindlich im Minus: In der Basisvariante verlöre der Stadtstaat über die gesamte Laufzeit mehr als 42 Millionen Euro im Jahr, weit über ein Viertel der bisherigen Zuweisungen. Nur Nordrhein-Westfalen müsste absolut mit noch größeren Einbußen (fast 81 Millionen Euro pro Jahr) rechnen. Also geht es auch hier wieder nur um den eigenen Vorteil?
Und was sagt Krach selbst auf meine Anfrage? Er bestätigt, dass es "einen Vorschlag aus Berlin" gebe. Dieser sei jedoch als Vorlage für eine vertrauliche Sitzung der Staatssekretäre gedacht. "Deswegen kommentiere ich ihn nicht."
Tatsächlich fällt jedoch auf, dass Berlin Krachs Vorschlag zufolge zwar immer noch, aber eben nur leichte Verluste erleiden würde – während etliche Länder deutlich günstiger dastünden. NRW hingegen bliebe auch bei Krach tief im Minus. Berlin und NRW hätten am meisten bei der Anrechnung der Studienplätze an privaten Hochschulen getrickst, kommentiert ein Staatssekretär. Darum müssten sie künftig auch am meisten bluten, wenn nur noch die Kapazitäten an staatlichen Hochschulen berücksichtigt werden. Viele Bundesländer hatten im bisherigen Hochschulpakt gegenüber dem Bund die privaten Studienplätze angegeben, doch das Geld dann nicht an die privaten Hochschulen weitergegeben.
Die Debatte wird durch Berlins Vorschlag jedenfalls angeheizt. Neben den künftigen Verteilungsschlüsseln wird es heute auch darum gehen, wie die bisherige Hochschulpakt-Logik in die neue überführt werden soll. Anders formuliert: Wie könnte eine Übergangsphase ausgestaltet sein, die nicht von einem Jahr aufs andere die Millionen neu verteilt, sondern zu allmählichen Verschiebungen führt? Und sollten die Gewinne und Verluste aufgrund der neuen Parameter Weise begrenzt ("gekappt") oder sonst in irgendeiner Weise ausgeglichen werden?
Vor dem Hintergrund all dessen, was die Staatssekretäre heute diskutieren wollen, sind die fünf Stunden zwischen 11 und 16 Uhr wahrlich nicht zu lang angesetzt. Der Bund wird von der Seitenlinie interessiert zuschauen. Denn klar ist: Sollten die Bundesländer in der Lage sein, trotz ihrer so unterschiedlichen Interessen eine gemeinsame Position zu finden, werden die Verhandlungen für das BMBF deutlich spannender.
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Klaus Hekking (Freitag, 23 November 2018 13:38)
Nicht erwähnt ist, dass die Privaten Hochschulen, die in einigen Bundesländern mehr Studienplätze geschaffen haben, als die Staatshochschulen, leistungsgerecht an der Bundesförderung beteiligt werden müssen
Mannheimer Studi (Montag, 26 November 2018)
"Nicht erwähnt ist, dass die Privaten Hochschulen, die in einigen Bundesländern mehr Studienplätze geschaffen haben, als die Staatshochschulen, leistungsgerecht an der Bundesförderung beteiligt werden müssen"
Die Forderung habe ich schon ein paar Mal gelesen. Aber sie erschließt sich mir nicht. Warum soll der Staat private Hochschulen fördern, wenn das Geld bei den eigenen Hochschulen schon nicht ausreicht?
Man müsste schon argumentieren, dass die Privaten mit dem Fördergeld eine höhere Wohlfahrt schaffen - und die (von mir unterstellten) Verteilungsaspekte einer solchen Politik akzeptieren.
Peter Thuy (Freitag, 18 Januar 2019 21:14)
Es ist eben so, dass eine ganze Reihe von Bundesländern Studienplätze zur Forderung angemeldet haben, die sie gar nicht selbst, sondern die privaten Hochschulen geschaffen haben. Das Geld wurde aber dann von den Bundesländern vereinnahmt, aber eben nicht an diejenigen weitergeleitet worden, die den Subventionstatbestand (also: die neuen Studienplätze) geschaffen haben. Das ist so, wie wenn Sie ein Haus bauen und das Bundesland, in dem Sie wohnen dafür Geld vom Bund erhält - absurd.