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Macht endlich euren DEAL!

Das Gezerre zwischen der Wissenschaft und Verlag Elsevier um teure Fachjournale versteht allmählich keiner mehr. Beide Seiten müssen sich bewegen. Und zwar jetzt.

Foto: Gerd Altmann / Pixabay - cco

DER PROJEKTNAME FORMULIERT den Anspruch. Einen DEAL wollen die deutschen Wissenschaftsorganisationen mit den großen Wissenschaftsverlagen aushandeln, Nationallizenzen, die anstelle teurer Einzelabos treten sollen. Parallel wollen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch noch den Umstieg auf Open Access erreichen, was bedeutet, dass künftig nicht mehr die Leser einer wissenschaftlichen Publikation zahlen sollen, sondern die Institutionen, die hinter den Autoren stehen.

 

Je länger die Verhandlungen dauern, und sie dauern schon seit Jahren, desto mehr wird der Projektname aber auch zu einer Mahnung: Jetzt macht ihn endlich mal, euren DEAL. Doch ausgerechnet mit dem weltweit bedeutendsten Wissenschaftslag Elsevier stocken die Gespräche nicht nur, sie sind seit Juli 2018 komplett ausgesetzt, auf Initiative der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und unter Federführung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). 

 

Die HRK wollte mit dem drastischen Schritt den öffentlichen Druck auf Elsevier erhöhen, was an sich nicht so schwierig sein dürfte, normalerweise reicht schon der Hinweis auf dessen traumhafte Umsatzrendite von zuletzt 37 Prozent, um klar zu machen, wer hier wen ausnutzt. Doch allmählich muss auch die Wissenschaft aufpassen, dass sie nicht zu hoch pokert.

 

Über 200 Bibliotheken, Hochschulen und Forschungseinrichtungen befinden sich inzwischen in einem vertragslosen Zustand mit Elsevier, das heißt: Sie haben, ermutigt von den DEAL-Verhandlungsführern, ihre Abos gekündigt – um den Verlag weiter unter Zugzwang zu setzen und weil sie auf eine baldige Einigung setzten. Lange Zeit ließ Elsevier aus Angst, auch noch die letzten Sympathiepunkte bei Wissenschaftlern und Studenten zu verlieren, die Nutzung seiner Zeitschriften an den betroffenen Einrichtungen kostenfrei weiterlaufen. Bis zum vergangenen Juli: Nachdem die HRK die Verhandlungen abgebrochen hatte, machte Elsevier den Gratis-Zugang dicht.

 

Zugang nur noch "unter
großen Schwierigkeiten" möglich?

 

Seitdem wächst der Druck auch auf Allianz und HRK. Eine weitere Nutzung von Elsevier-Publikationen, „dieser für ihre Arbeit unabdingbaren Ressourcen“ sei für viele Forscher „nur unter großen Schwierigkeiten möglich“, klagten über 30 Journal-Herausgeber schon im Oktober einem offenen Brief. Besonders betroffen sei der wissenschaftliche Nachwuchs, der durch Zeitverträge und feste Abgabetermine unter einem "oft existentiellen Zeit- und Leistungsdruck" stehe. Die HRK hingegen spricht von einer Situation "ohne nennenswerte Probleme". Trotzdem muss die Frage erlaubt sein: Exzellente Forschung und Notbehelfe bei der Nutzung aktueller Artikel, verlässliche Rahmenbedingungen für die Wissenschaft und ein Vertragsvakuum beim Journalzugang – wie soll das auf Dauer zusammengehen?

 

Doch die beiden Seiten zocken munter weiter. Zuletzt ließ auch die Max-Planck-Gesellschaft ihr Abo auslaufen, Dutzende prominenter Wissenschaftler von ihren Positionen haben sich als Herausgeber oder Beiratsmitglieder von Elsevier-Zeitschriften zurückgezogen. Derweil spielt Elsevier wenig überzeugend die Rolle des verschmähten Wohltäters, der ja längst in zentralen Punkten auf die Forderungen der Wissenschaft eingegangen sei. Was die HRK vehement bestreitet. Sie betont die internationale Dimension des Konflikts mit Elsevier, der auch von den Wissenschaftseinrichtungen anderer Länder geführt wird.  

 

Sicher ist: So geht das nicht weiter. Dieses Gezerre versteht keiner mehr. Auch der Hinweis der DEAL-Leute, dass es mit den beiden andere Großverlagen, Springer und Wiley, besser laufe, zieht immer weniger. Zumal dort schon mehrfach Meldungen von einer bevorstehenden Einigung kolpotiert wurden, die dann doch weiter auf sich warten ließ. 

 

Klar ist auch: Alles läuft auf einen Showdown mit Elsevier zu. Ja, der Verlag muss sich noch stärker bewegen. Aber auch die Wissenschaftsorganisationen müssen sich eingestehen, dass sie womöglich nicht alle ihre Forderungen erreichen können. Und am allerwenigsten, indem man sich nicht mal mehr zu Verhandlungen trifft. Der DEAL muss jetzt kommen. 

 

Dieser Kommentar erschien heute in gekürzter Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


NACHTRAG AM 14. JANUAR, 12.30

Gerade schrieb ich noch darüber, dass es bei Springer und Wiley offenbar besser laufe, dort aber auch schon mehrfach zu früh Meldungen von einer bevorstehenden Einigung kolportiert worden seien. Diesmal scheint das anders zu sein: Aus dem DEAL-Konsortium sickert durch, dass die Wissenschaft und Wiley offenbar eine Übereinkunft erzielt haben. Für morgen Mittag haben beide Seiten zu einer Pressekonferenz in Berlin eingeladen. Woraus sich drei Fragen ergeben: Erstens: Ist das wirklich der erste große Durchbruch in den DEAL-Verhandlungen? Zweitens: Was ist mit Springer? Dort sollte es doch angeblich auch schon länger fast soweit sein. Drittens: Welchen Druck erzeugt die Einigung auf den größten und schwierigsten Brocken Elsevier? Bekommen HRK & Co hier jetzt wieder die Oberhand, und endet die gegenseitige Blockade?

 

NACHTRAG AM 15. JANUAR:
Jetzt ist es offiziell. Hier nun die entsprechende Pressemitteilung von DEAL

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Kommentare: 2
  • #1

    Anja Lorenz (Montag, 14 Januar 2019 13:50)

    Ich korrigiere das Mal:

    "Parallel wollen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch noch den Umstieg auf Open Access erreichen, was bedeutet, dass künftig nicht mehr die Leser einer wissenschaftlichen Publikation[, sowie die Institutionen der Autor*innen, Herausgeber*innen und Reviewer*innen] zahlen sollen, sondern [nur noch] die Institutionen, die hinter den Autoren stehen. [Diese Steuerkassen werden nur einmal belastet]"

    Ich sehe derzeit auch keinen Druck auf die Hochschulen. Der aufgeführte Brief der Journal-Herausgebenden ist dafür sicher kein Nachweis (eher ein weiterer Erfolg der Vertragslobby). Wo bleibt denn der Aufschrei der (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen? Wie viele Publikationen oder Promotionen gab es seit dem weniger?

    Es wird Zeit, dass wir das Publikationssystem ins 21. Jhd. holen. Wenn die Verlage hierzu keine verlässlichen Dienstleistungen mehr erbringen können, werden sie dem Change-Prozess unterliegen müssen. Das Aufrechterhalten teurer Mehrfachfinanzierungen kann keine zufriedenstellende Lösung sein.

  • #2

    Lambert Heller (Dienstag, 15 Januar 2019 17:38)

    "Einen DEAL wollen die deutschen Wissenschaftsorganisationen mit den großen Wissenschaftsverlagen aushandeln, Nationallizenzen, die anstelle teurer Einzelabos treten sollen." - Teure Einzelabos spielen bei den großen Playern in diesem Geschäft schon lange keine Rolle mehr - es werden bereits seit Jahrzehnten Paket-Deals abgeschlossen. In diesen Paketen sind auch Ramsch-Journals versteckt, auf die Autor*innen verwiesen werden, deren Einreichungen bei als "höherwertig" wahrgenommenen Produkten abgelehnt worden sind. Dies ist das Ergebnis einer von fragwürdigen Anreizen geprägten Publikationskultur, die von Elsevier und Co in den letzten Jahrzehnten wesentlich mitgeprägt worden ist. Ich erwähne das hier nur, weil der Artikel-Anfang so wie er jetzt ist den Eindruck erweckt, DEAL mache die Publikationswelt schon allein aufgrund der Bündelung der Subskriptionen irgendwie besser. Keineswegs, das Bundling als Ausdruck einer problematischen Journal-Publikationskultur wird hier fortgeschrieben und zementiert. Einer der Gründe, warum deutsche Wissenschaftler*innen wie Björn Brembs den Verhandlungen kritisch gegenüber stehen, vgl. https://www.timeshighereducation.com/blog/open-access-germany-best-deal-no-deal