Im internationalen Vergleich sind Deutschlands Studienplätze massiv unterfinanziert. Trotzdem sind die Studenten zufrieden wie nie. Eine Leistung der Hochschulen, die man auch mal würdigen sollte.
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DASS IN DEUTSCHLANDS Hörsälen beklagenswerte Zustände herrschen, ist fast schon ein Gemeinplatz. Insofern passte gut ins Bild, dass Times Higher Education in seinem 2018 erstmals erschienenen Europe Teaching Ranking 22 von 31 gerankten deutschen Hochschulen in die hintere Tabellenhälfte verbannte. Zu wenig Professoren, folglich miese Betreuungsrelationen, überlange Studienzeiten, Sie kennen die Klagen.
Man kann über die Methodik der Times-Ranglisten denken, wie man will: Sie verursachen regelmäßig eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Um die sie andere Rankingmacher beneiden. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) aus Gütersloh zum Beispiel, das neben seinem nationalen Fächervergleich auch das internationale U-Multirank federführend mitgestaltet. Weil das in seiner Ausgewogenheit normalerweise für deutlich weniger Furore sorgt, hatten die CHE-Leute offenbar eine Idee: Lasst uns eine Sonderauswertung machen und damit Times Higher Education mal so richtig Kontra geben.
Und so konnte man vor ein paar Tagen lesen: "Ohne jegliche Differenzierung" sei das THE-Produkt, es zeige "entscheidende Schwächen". Das "pauschal negative Bild" des britischen Rankings werde den Leistungen der deutschen Hochschulen nicht gerecht. Ja, die Betreuungsrelationen und der Anteil der Studenten, die ihren Abschluss in der Regelstudienzeit schaffen, seien im internationalen Vergleich schlecht. Doch gleichzeitig seien die deutschen Studenten laut U-Multirank mit der Lehre überdurchschnittlich zufrieden, auch den Austausch mit ihren Lehrenden erlebten sie positiver als viele ihrer Kommilitonen außerhalb Deutschlands.
Wie kann das sein? Trifft hier ein Marketinggag (THE: Die Hochschullehre in Deutschland ist "total daneben") auf einen anderen (CHE: Die Hochschullehre in Deutschland wird "total unterschätzt")?
Immer neue Rekordwerte
im Studierendensurvey
So einfach ist es nicht. Tatsächlich brachte auch das alle paar Jahre von der Konstanzer Arbeitsgemeinschaft Hochschulforschung durchgeführte bundesweite Studierendensurvey seit 2001 (und damit ausgerechnet parallel zur vielgescholtenen Bologna-Reform) immer neue Rekordwerte: Die deutschen Studenten bewerteten zum Beispiel den Aufbau, den Inhalt und die Durchführung ihrer Lehrveranstaltungen von Umfrage zu Umfrage besser, und zwar fast durchweg, genau wie die Qualität der Betreuung durch die Lehrenden. Das inzwischen erreichte Zufriedenheitsniveau ist beachtlich.
Die armen Studis kennen halt nichts Anderes, könnte man einwenden. Oder auf den Finanzier des Studierendensurveys verweisen: das Bundesbildungsministerium. Alternativ könnte man auch einfach mal festhalten: Die deutschen Hochschulen als Ganzes und die Hochschullehrer als einzelne machen aus dem, was die Gesellschaft ihnen an Ressourcen zugesteht, erstaunlich viel. Stiefkind ist die Lehre nur noch in Bezug auf ihre Finanzierung. Und dann stelle man sich noch vor, was drin wäre, wenn Bund und Länder bei ihren laufenden Verhandlungen um die Hochschulpakt-Nachfolge ernst machten.
Wenn sie wirklich Jahr für Jahr mehr in die Studienqualität investierten. Und in die Betreuungsrelationen. Dass die Hochschulen mit dem Geld gut umgehen würden, müssen sie eigentlich nicht mehr beweisen.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will’s wissen" im Tagesspiegel.
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