Findet der Vermittlungsausschuss die Lösung im Streit um Bildungsföderalismus und Digitalpakt?
AM TAG DAVOR verschärften die Parlamentarischen Geschäftsführer den Ton. Stefan Müller von der CSU-Bundestagsfraktion sagte am Dienstag der WELT: Wenn die Länder bei ihrer Kompromisslosigkeit blieben, "die wir derzeit erleben, halte ich das Scheitern des Digitalpakts nicht für ausgeschlossen." Müllers Kollegen von den Grünen, Britta Haßelmann, und von der FDP, Marco Buschmann, schwangen in der FAZ die Moralkeule: Wenn der Vermittlungsausschuss zusammentrete, "sollten alle Beteiligten vor Augen haben, dass die Schülerinnen und Schüler und auch alle Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Politik zügig zu einer guten Lösung kommt, die real vor Ort zu besserer Bildung führt." Ganz so, als hätten die Länder anderes im Sinn.
Heute kontert Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Solche Einlassungen so kurz vor den Verhandlungen seien aus ihrer Sicht wenig hilfreich, sagte die CDU-Politikerin, die die Bildungspolitik der unionsregierten Länder koordiniert, hier im Blog. Für Stefan Müller, der früher einmal Staatssekretär im Bundesbildungsministerium war, hatte Eisenmann noch eine spezielle Botschaft bereit. "Der Kollege hat wohl die letzten sechs Wochen der Bund-Länder-Verhandlungen nicht mehr so richtig auf dem Schirm." Damit reagierte Eisenmann auf Müllers ebenfalls im WELT-Interview geäußerte Einschätzung, sie stehe mit ihrer grundsätzlichen Ablehnung einer Grundgesetz-Änderung "weitgehend allein". Sie wolle nur darin erinnern, sagte Eisenmann, dass neben Baden-Württemberg vier weitere Länder, darunter Müllers Heimat Bayern, seit Anfang Dezember darauf gedrängt hätten, den Digitalpakt von den Verhandlungen um die Verfassungsreform abzukoppeln.
Heute um 18 Uhr geht es also los, im Sitzungssaal 1.128 des Bundesratsgebäudes in Berlin-Mitte. Erstmals in dieser Legislaturperiode treffen sich die 32 Mitglieder des paritätisch von Bund und Ländern besetzten Vermittlungsausschusses. Auf Seiten des Bundestages werden Müller, Haßelmann und Buschmann mit am Tisch sitzen, während auf Länderseite offiziell die Ministerpräsidenten selbst das Wort führen. Es gibt zwei designierte Vorsitzende: für die Länder Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), für den Bundestag Hermann Gröhe (CDU), der frühere Bundesgesundheitsminister, der im vergangenen Jahr auch mal als heißer Kandidat für die Spitze des Bundesbildungsministeriums gehandelt wurde.
Vor dem Gremium liegt eine Mammutaufgabe: Die 32 Mitglieder sollen in dem auf der Zielgeraden eskalierten Streit um die Zukunft des Bildungsföderalismus innerhalb weniger Tage eine Lösung präsentieren, die die scheinbar gegensätzlichen Positionen überbrückt und noch dazu die Bahn freimacht für den mit fünf Milliarden Bundesgeld dotierten Digitalpakt Schule. Möglichst schon bis Mitte Februar müsse ein Ergebnis her, sagen die ganz Optimistischen. Als zurückhaltender gilt bereits, wer die Einigung erst bis Ende Februar anpeilt. Wie realistisch der eine oder der andere Zeitplan ist, das vermag kein Beobachter so richtig zu sagen, doch hinter den Kulissen wurde in den ersten Wochen des neuen Jahres bereits heftig sondiert.
So hoch das angestrebte Tempo ist, so gemächlich geht es heute Abend los. Erstmal werden die Vorsitzenden offiziell gewählt, dann müssen die Protokolle der 17. Legislaturperiode freigegeben werden. Was insofern putzig ist, weil dieser Tagesordnungspunkt 3 zeigt, wie lange der Vermittlungsausschuss nicht mehr getagt hat – mittlerweile läuft die 19. Legislaturperiode.
Man könnte deshalb sogar auf die Idee kommen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses durch Bundestag und Bundesrat sei eine Art Eingeständnis des eigenen Scheiterns. Tatsächlich verhält es sich aber genau umgekehrt: Dass der Vermittlungsausschuss so lange nicht mehr zusammenkam, war die eigentliche Ausnahme und den Eigenlogiken großer Koalition im Bund geschuldet. Nüchtern betrachtet bedeutet eine Sitzung des Vermittlungsausschusses also nicht eine Krise des Parlamentarismus, sondern sie ist ein Symbol für dessen Funktionieren.
Fünf Unionsländer wollen Grundgesetz-Änderung und Digitalpakt entkoppeln
Aber wie gesagt, heute Abend passiert – zumindest laut Tagesordnung – noch nicht besonders viel. Letzter TOP – er trägt die Nummer 4 – nach der Protokollfreigabe ist die Sichtung der Aktenlage, also vor allem des vom Bundestag beschlossenen Gesetzestextes und der Reaktion des Bundesrates, daraufhin ein Vermittlungsverfahren einzuleiten. Daraufhin soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, um schnell zu Ergebnissen zu kommen. Aus Verhandlungskreisen ist außerdem zu hören, dass die von Eisenmann angesprochenen fünf Länder, also Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen offiziell den Vorschlag einbringen wollen, die Verhandlungen um Grundgesetz-Änderung und Digitalpakt zu entkoppeln.
Im Kern kommt diese Initiative nicht überraschend, doch wird es spannend, was die fünf Länder sich konkret vorstellen. Dem Vernehmen nach wollen sie einen einmaligen, auf fünf Milliarden Euro begrenzten Transfer von Steuermitteln über die Umsatzsteuer zugunsten der Länder, und im Gegenzug gehen die Kultusministerien eine Berichtspflicht gegenüber dem Bund ein. Sie sollen nachweisen, dass sie die Gelder auch entlang der ausgehandelten Digitalpakt-Ziele einsetzen. Diese Ziele hatten Kultusministerien und Bundesbildungsministerium im November in eine – allerdings nicht mehr formell unterzeichnete – Verwaltungsvereinbarung gegossen.
Wenn der Digitalpakt erstmal abgekoppelt sei, könnten die Bundesgelder fließen, unabhängig davon, wie lange sich die Verhandlungen um die Grundgesetzänderung noch hinzögen, sagt Susanne Eisenmann. "Andernfalls glaube ich nicht, dass der Vermittlungsausschuss wie von einigen erwartet in ein paar Wochen durch ist, beileibe nicht." Am Montag hatte auch Hessens CDU-Kultusminister Alexander Lorz bei seiner Einführung als Präsident der Kultusministerkonferenz gesagt, die Grundgesetzänderung sei ein ziemlich großer Hammer für eine ziemlich kleine Nuss namens Digitalpakt.
Grundgesetz-Änderung und Digitalpakt voneinander getrennt zu behandeln, würde allerdings wiederum dem Vertrag der Großen Koalition diametral widersprechen, worauf unter anderem Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) immer wieder hinweist. Auch der Haushaltsausschuss des Bundestages will eine solche Lösung unbedingt vermeiden – wäre dann doch ein entscheidendes Druckmittel für die Grundgesetz-Änderung in der von ihm gewünschten Form weg. Insofern gilt als ausgemacht, dass der Verstoß der fünf Unionsländer so nicht durchkommen wird.
Wo versteckt er sich, der Kompromiss,
den sich alle wünschen?
Aber wo versteckt er sich denn dann, der Kompromiss, der es Bund und Ländern, Großer Koalition und FDP und Grünen ermöglichen wird, zuzustimmen? Das weiß derzeit noch keiner so genau. Womöglich, sagen einige, gehe ja etwas beim umstrittenen Finanzierungsschlüssel künftiger Bund-Länder-Programme, wie der Bund ihn in den Grundgesetz-Artikel 104b schreiben wollte. Hier soll nach Votum des Bundestages und auf Drängen des Haushaltsausschusses künftig eine 50-50-Regel gelten, was etliche Länder besonders verärgert hat und bei ärmeren Ländern die Sorge auslöste, finanziell überfordert zu werden. Vielleicht lasse sich der Bund ja hier noch im Interesse der Sache herunterhandeln. "Klar ist", sagt sagt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek: "Die Mittel des Bundes müssen zusätzlich sein und dürfen bestehende Investitionen der Länder nicht ersetzen. Ganz ohne einen eigenen Finanzierungsanteil der Länder wird es nicht gehen."
Hinzu kommt, dass sich besagte fünf unionsregierten Länder vor allem auch an den durch FDP und Bundesgrünen hineinverhandelten Formulierungen im Artikel 104c störten. Dass der Bund demzufolge sogar Personalkosten finanzieren können sollte, ärgerte die fünf Ministerpräsidenten, allen voran ausgerechnet der Grüne Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg. Und dass darüber hinaus die "Sicherstellung und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" als Ziel der Finanzhilfen genannt wurde, schränke ihre Kultushoheit ein, mahnten sie.
So sei das gar nicht gemeint, kontern demgegenüber FDP und Grüne und auch (große) Teile der SPD und der CDU. "Es geht allein um die Möglichkeit mitzufinanzieren und sich darüber zu verständigen, was mit dem Geld passiert", schrieben auch die Grünen-Politikerin Haßelmann und ihr FDP-Kollege Buschmann in ihrem FAZ-Beitrag.
Derweil sitzen die meisten Bildungspolitiker von Bund und Ländern an der Seitenlinie und drücken den Parteikollegen in Vermittlungsausschuss und Arbeitsgruppe die Daumen. Wenn alles gut läuft, müssen sie es nicht allzu lange tun.
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Thomas Stein (Mittwoch, 30 Januar 2019 17:41)
Schön und irgendwie folgerichtig, dass Sie Baden-Württemberg als Unionsland bezeichnen ("der Verstoß der fünf Unionsländer"). Seltsam, wie sich ein grüne Bundestagsfraktion freuen kann, eine weitergehende Änderung des Grundgesetzes ausgehandelt zu haben, wenn sie noch nicht einmal ihren eigenen Landesfürsten auf diese Linie bringen kann. Was ich nicht verstehe, ist, dass in der öffentlichen Diskussion die Lockerung des Kooperationsverbots und die hälftige Finanzierung zusammengeworfen wird. Eigentlich ist die paritätische Finanzierung doch eine sehr wirksame Verhinderung von allzuviel Bundeseinfluss – wenn Länderparlamente und Landesregierungen ein Bundes-Vorhaben nicht unterstützen möchten, kann es nicht stattfinden. Den fünf Unionsländern sollte das doch entgegen kommen.