Baden-Württemberg berichtet gute Zahlen bei den internationalen Studienanfängern – trotz Studiengebühren. Zieht NRW jetzt nach?
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THERESIA BAUER GAB sich größte Mühe, nicht zu triumphierend rüberzukommen. Die Zahl der Studienanfänger aus Nicht-EU-/EWR-Ländern ist an Baden-Württembergs Hochschulen im Vergleich zum Vorjahr um fast neun Prozent gestiegen, was die grüne Wissenschaftsministerin in einer Pressemitteilung vergangene Woche entsprechend zurückhaltend kommentierte: "Diese Entwicklung übertrifft unsere eigenen Erwartungen."
So überraschend sind die Zahlen oberflächlich betrachtet freilich nicht. Im Wintersemester 2017/18 hatte es einen empfindlichen Einbruch um 19,1 Prozent gegeben, ausgelöst durch die damals neu eingeführten Studiengebühren für internationale Studierende. Dass der Knick vorübergehend sein würde, davon war angesichts ähnlicher Erfahrungen in Ländern wie Schweden und Dänemark auszugehen. Ist damit der Beweis erbracht, wie Bauer betont, dass "moderate Studiengebühren" der "weiteren Internationalisierung" nicht schaden?
Zumindest zeigen die Zahlen, dass viele ihre schon reflexartige Anti-Gebühren-Hysterie einmal überdenken sollten. Wie bei so vielen Dingen im Leben kommt es nicht nur auf das Ob an, sondern auf das Wie. Soll heißen: Studiengebühren können schaden, wenn sie zu hoch sind. Und wenn sie nicht zugleich von einem fairen Ausgleichssystem für die Schwächsten begleitet werden. In Baden-Württemberg gibt es Ausnahmeregelungen und Stipendien für Studierende aus besonders armen Herkunftsstaaten. Vielleicht noch nicht genug, aber es gibt sie.
Schaut man sich die Studierendenstatistik im Detail an, nimmt die Verblüffung dann doch zu. Am stärksten ist die Zunahme nicht unter den wohlhabenderen Chinesen oder Nord-Amerikanern, sondern bei den Studierenden aus Indien und den wirtschaftsschwächsten Entwicklungsländern. Rückgänge gibt es dagegen bei Studienanfängern aus Russland, Tunesien und Mexiko.
Bei den Steigerungen einen kausalen Zusammenhang zu den Gebühren herzustellen, wäre verfrüht. Aber verallgemeinernd lässt sich schon sagen: Ja, Studiengebühren sind sinnvoll – wenn das eingenommene Geld zur besseren Betreuung gerade jener dient, die sie besonders brauchen. Hier muss sich Bauer allerdings vorwerfen lassen, dass lediglich 300 von 1500 Euro der Semestergebühren direkt an die Hochschulen gehen, mit dem Rest werden Löcher im Haushalt des Wissenschaftsministeriums gestopft.
Will Bauer den positiven Trend verstetigen und die Akzeptanz der Gebühren im eigenen Land erhöhen, tut sie gut daran, den bei den Hochschulen verbleibenden Anteil bald hochzuschrauben. Auch wenn das schwierige Gespräche mit ihrer Finanzministerin werden dürften.
Apropos schwierige Gespräche: Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, ebenfalls „Studienbeiträge für Studierende aus Drittstaaten“ einführen zu wollen. NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) zeigt sich an der Stelle aber zögerlich. Bislang sagte sie stets, man beobachte die baden-württembergischen Erfahrungen und werde keine voreiligen Schlüsse ziehen. Angesichts der Zahlen aus Stuttgart kann man jetzt sagen: Nur Mut, Frau Pfeiffer-Poensgen.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.
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Hub Nijssen (Freitag, 22 Februar 2019 19:49)
Alle, die sich mit Hochschulmarketing professionell beschäftigen, wissen, dass Indien nach China die meisten Studenten liefert und nicht die USA. Überraschend ist das gar nicht. Der Bedarf an guter Bildung und das Fehlen guter Unis im eigenen Land sind die größten Push-Faktoren im HE-Marketing. China wird bald sehr hochgerankte Unis haben und demnach weniger Studenten rausschicken. Die Zahl von indischen Studenten wird sicher noch steigen.
Jakob Wassink (Freitag, 22 Februar 2019 21:53)
Lieber Herr Wiarda!
Ich vermag Ihre Euphorie hier nicht zu teilen.
Die Ministerin in NRW tut gut daran, die Hochschulen vorschnell mit einer nur auf den ersten Blick einträglichen neuen Geldquelle zu beglücken. Die Ausnahmebestimmungen in BW sind wegen des EU-weit zu beachtenden Diskriminierungsverbot bei gleichzeitiger Beachtung des gebührenrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes mit heißer Nadel gestrickt. Das rechtliche Risiko müssten die Hochschulen tragen. Die Umsetzung ist extrem bürokratisch. Von 3000 € pro Studierendem und Jahr lässt sich kein vernünftiges Programm zur Verbesserung der Studienbedingungen finanzieren. Mit den Gebühren wird bei den Studierenden aber eine entsprechende Erwartungshaltung geweckt. Das Land müsste also weitere eigene Mittel bereit stellen um die Sache "rund" zu machen.