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Verbaut euch nicht die Dauerstellen!

Die Initiative "Frist ist Frust" fordert, mit dem neuen Hochschulpakt Dauerstellen zu schaffen. Eine berechtigte Forderung – die das Bündnis allerdings mit seiner zweiten gleich wieder gefährdet.

Foto: PhotoMIX-Company / Pixabay - cco.

ICH KANN ES ja verstehen. Warum nicht, wenn man schon gegen den Befristungs-Irrsinn kämpft, auch gleich noch eine Obergrenze bei den Lehr-Deputaten verlangen?

 

Die GEW, die Dienstleister-Gewerkschaft ver.di und das (hauptsächlich, aber nicht nur) aus Mittelbau-Mitarbeitern bestehende "Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft" haben sich vergangene Woche zu einem kraftvollen Bündnis zusammengetan, um die Hochschulpolitik zum Umsteuern zu zwingen. Die Initiative hat den Schlachtruf "Frist ist Frust" gewählt, und ihre wichtigste Forderung lautet:

 

Die Bundesmilliarden aus dem Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm soll es nur geben, wenn die Länder sich im Gegenzug verpflichten, das Geld vollständig für neue Dauerstellen einzusetzen. Erfüllen sie ihr Versprechen nicht, bekommen sie das nächste Mal Geld abgezogen.

 

Die Qualität in den Mittelpunkt stellen

 

Bund und Länder wollen sich bis Anfang Mai auf ein neues Vertragswerk einigen, das neben dem Erhalt der Studienplätze die Qualität der Hochschullehre in den Mittelpunkt stellt. Das ist ein dezidierter Unterschied zum bisherigen, 2005 erstmals geschlossenen Hochschulpakt, der dazu dienen sollte, ein vermeintlich vorübergehendes Hoch bei den Studierendenzahlen abzufangen. Doch gehen die Zahlen nicht mehr runter, zumindest nicht in dem Maß, und so hat der Bund den Ländern im GroKo-Koalitionsvertrag angekündigt: Die Milliarden gibt es auf Dauer, aber anders als bisher.

 

Zu diesem "anders", da hat "Frist ist Frust" Recht, gehört zwangsläufig, mit der Prekarisierung der Hochschullehre aufzuhören. Denn gute Lehre fußt auch auf Dozenten, die Zeit hatten, in ihre Rolle hineinzuwachsen, und deren Aufmerksamkeit den Studierenden gilt und nicht den Sorgen um die nächste Vertragsverlängerung. Breite Unterstützung bis in die Hochschulleitungen hinein dürfte dem Bündnis insofern sicher sein. 


Screenshot der Kampagnen-Website "Frist ist Frust". Das Bündnis stellte sich vergangene Woche mit einem "Expert*innen-Hearing" an der Berliner  Humboldt-Universität vor. Und auf der Plattform openPetition haben die Initiatoren der "Frist ist Frust"-Kampagne eine Unterschriftensammlung gestartet. 


Allerdings gefährdet "Frist ist Frust" diese Unterstützung mit seiner zweiten Forderung gleich wieder: Maximal acht Semesterwochenstunden solle das Lehrdeputat an Universitäten betragen, egal ob Professur oder Mittelbau. Was zum Beispiel Fachhochschulprofessoren, die von jeher 18 Stunden die Woche lehren, von so einem Vorstoß halten werden, kann man sich vorstellen.

 

Richtig ist: Im internationalen Vergleich müssen deutsche Universitätsprofessoren ziemlich viel – zu viel – lehren, übrigens liegen die meisten bei neun, nicht acht SWS. Doch davon abgesehen: Wieso soll es daneben nicht auch Stellen geben dürfen für Wissenschaftler, die Lust haben, sich auf die Lehre zu konzentrieren? Könnten so die miesen Betreuungsrelationen nicht noch stärker verbessert werden? Nicht jeder kann, nicht jede will eine Karriere als Forscher machen. Muss er oder sie darum weg von der Uni?

 

Der Abwehrreflex gegen die Etablierung vermeintlicher "Lehrknechte" ist so alt wie der deswegen nie umgesetzte, deshalb aber nicht falsche Vorschlag des Wissenschaftsrates von 2007, Lehrprofessuren einzurichten. Dabei kann Lehre auch bei 12 oder 15 Wochenstunden noch "forschungsbasiert" sein, selbst bei 18 Stunden bleibt, wie Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, neulich vorgerechnet hat, noch einiges an Zeit für anderes.

 

Die Begeisterungsfähigkeit ist wichtiger als das Lehrdeputat

 

Günther hatte einen Grund für seine Rechenoperationen, die er in einen Brief an die Studierenden und Mitarbeiter gepackt hat. In Potsdam gibt es gerade viel Aufregung um einen Plan des Präsidiums, beim anstehenden Ausbau der Lehrerbildung neue (Dauer-)Stellen mit dem Schwerpunkt Lehre einzurichten. Mit – in der Tat happigen – 18 Semesterwochenstunden.

 

Die Philosophische Fakultät weigerte sich per offenem Brief an Uni-Leitung und Landesregierung: Die Umsetzung der Pläne würde das "Ende der Philosophischen Fakultät als im besten Sinne des Wortes universitären Lehrinstitution" bedeuten. Woraufhin eine Online-Petition gegen die 18 SWS startete, Günther zu rechnen anfing, und Solidaritätsadressen für die Philosophische Fakultät eingingen, unter anderem von, siehe oben, dem "Netzwerk für gute Arbeit".

 

Seien wir doch mal ehrlich: Stärker als an die Zahl der SWS hängt das Gelingen guter Lehre an der didaktischen Begeisterungsfähigkeit der Dozenten. Auch gibt es unter den Uniprofessoren viele, die nebenher hervorragende Forschung abliefern, und einige, von denen nichts kommt. Gar nichts. Trotz neun Stunden Lehrdeputat. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will’s wissen" im Tagesspiegel.

 

Korrekturhinweis: Hier im Blog stand fälschlicherweise, Günter habe errechnet, es bleibe noch einiges an Zeit fürs Forschen. Tatsächlich muss es wie im Tagesspiegel-Artikel heißen: "Zeit für anderes". Ich hatte hier eine Korrektur nicht in den Blog übernommen und dies jetzt nachgeholt. Ich bitte um Entschuldigung. (12.03.19).

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Kommentare: 3
  • #1

    Thomas Deufel (Montag, 11 März 2019 10:34)

    Nach wie vor bin ich der Meinung, dass ein deutlich höherer Anteil von #Professoren am wissenschaftlichen Personal und dafür ausreichend neue #Stellen und #Ausstattung - Deutschland ist hier in weitem Abstand angeschlagenes Schlusslicht - der richtige Weg zu mehr #Dauerbeschäftigung an den Hochschulen ist. Die Situation der abhängig Beschäftigten im #Mittelbau durch #Entfristung zu verdauern hilft der Wissenschaft und den Wissenschaftlern nicht.

  • #2

    Mascha Hansen (Montag, 11 März 2019 16:46)

    Wie der BuWiN 2017 darlegt, wendet der wissenschaftliche Nachwuchs bereits jetzt 2/3 der Arbeitszeit für lehrbezogene Tätigkeiten auf (aktualisierte Version vom 20,3,2017, S. 219) und das bei eigentlich geringer Lehrbelastung, denn dazu kommen eben immer auch Prüfungen und Betreuungsaufgaben. 18 Stunden Lehrdeputat plus Vorbereitung plus Prüfungen plus Betreuung plus Forschungsaufgaben (inclusive Konferenzbesuchen) plus Verwaltung/ Gremienarbeit? Wenn wir Stellen außerhalb der Universität attraktiver machen möchten ist das sicher der richtige Weg...

  • #3

    Florian Bernstorff (Mittwoch, 13 März 2019 17:05)

    Aus meiner Sicht liegt der Kern des Problems in den realen Betreuungsrelationen. Stellen mit hohem Deputat sind m. W. in erster Linie in den stark nachgefragten Fächern entstanden, mit denen Hochschulen versuchen, ihre Hochschulpaktverpflichtungen zu erfüllen. Da vielerorts Prüfungsleistungen nicht in die Berechnung der Lehrbelastung einfließen, treffen dort also viele Studierende auf eine vergleichsweise geringe Zahl an Dozentinnen und Dozenten. Folge: Wochenlang nur mündliche Prüfungen oder hunderte Hausarbeiten (Prüfungsformen, die spätestens in der letzten Reakkreditierung zur Auflage gemacht wurden, weil sonst nur noch MC-Klausuren geschrieben würden) und vor allem die Betreuung der Abschlussarbeiten, die sich auf den Schreibtischen stapeln.
    Solange die Forschungsleistung faktisch das einzige Kriterium akademischer Bewährung und Reputation bleibt, werden Stellen zumindest an Universitäten mit Schwerpunkt in der Lehre keine attraktive Option sein, zumindest wenn man mit seinem Studienabschluss gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt außerhalb der Uni hat. Und das ist derzeit in vielen Fächern der Fall.