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Wann kommt das Geld?

Der Bildungsforscher Andreas Breiter sagt, was noch alles passieren muss, bis die Digitalpakt-Milliarden die Schulen erreichen. Ein Interview über große Aufgaben für die Bildungsminister, über Hersteller mit leuchtenden Augen und die Bundescloud.

Foto: StockSnap / pixabay - cco.

Herr Breiter, Bund und Länder zelebrieren heute den Abschluss des Digitalpakts Schule. Wie sicher können die Schulen sein, dass sie bald die ersten Euro sehen?

 

Auf die Bildungsminister kommen jetzt die großen Aufgaben zu: In jedem Bundesland muss eine Richtlinie zur Mittelvergabe an die Kommunen geschrieben werden, die dann durchs Justiz- und Finanzressort geht. Auch der zentrale Haushaltsausschuss jeder einzelnen Kommune wird sich damit befassen. Und dann sind wir überhaupt erst soweit, die nötigen Ausschreibungen zu starten, die angesichts ihrer Millionenvolumina europaweit sein müssen. Solche Ausschreibungen wiederum dauern ein halbes Jahr, so dass es ganz sicher längst 2020 ist, bevor die großen Gelder fließen. 

 

Muss man diese Langsamkeit kritisieren?

 

Ich finde nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat, die Mittel werden nach Recht und Ordnung vergeben, Compliance-Fragen müssen geklärt werden, und sowas dauert halt. Es ist nur wichtig, dass auch in aller Deutlichkeit so zu sagen. Ein paar Euro werden die Schulen vermutlich schon früher bekommen: Ich kann mir vorstellen, dass jede Schule schon im Herbst ein kleines Budget erhält, um über den zentralen Einkauf der Verwaltung erste Endgeräte zu kaufen, auch wenn das sicher nicht die nachhaltigste Strategie ist. 


Andreas Breiter ist Direktor des Instituts für Informationsmanagement an der Universität Bremen und erforscht den Umgang mit Informationen und neue Formen des Lernens im digitalen Zeitalter. Foto: privat.


Das ist doch schon was!

 

Ja, aber da reden wir von einem Bruchteil der Mittel. Schon bei der W-LAN-Ausleuchtung beginnt die Maschinerie der öffentlichen Ausschreibung, wenn nicht an laufende Prozesse angedockt werden kann. Sie brauchen dafür Fachleute, die die Router konfigurieren, und Handwerksbetriebe, die die Technik installieren. Und bis im großen Stil gebaut und gebuddelt werden kann, müssen die Schulen laut Digitalpakt eigene Medienkonzepte vorlegen. An vielen Schulen fehlen solche Konzepte bislang. Die Kommunen wiederum müssen beim Land einen Medienentwicklungsplan einreichen, auch das haben viele noch nicht. Im Bundesland mit nur zwei Kommunen, Bremen und Bremerhaven, haben wir es da vergleichsweise leicht. 


Und wenn alle bürokratischen Hürden genommen sind und auch die nötigen Konzepte vorliegen...

 

...geraten die Schulen und Kommunen in die gleiche Situation wie derzeit alle öffentlichen Auftraggeber. Die Handwerker und Baufirmen sind größtenteils auf Monate ausgebucht, und mit Do-It-Yourself läuft nichts in den Schulen. Schon wenn Sie Router anschrauben und Kabelkanäle legen, brauchen sie Fachpersonal. Einige Kommunen haben das ganz schlau gemacht, die haben sich jetzt schon für den Sommer die Handwerker reserviert. Aber was ist mit den Ingenieurbüros, die die Vorhaben planen? Und gibt es in der öffentlichen Verwaltung genug Experten, die Erfahrung mit der Schul-IT haben und die Schulnetze dann zusammenschalten können? Auch hier, so meine Prognose, brauchen die Kommunen Hilfe von extern. Und die ist rar. Einfacher ist es bei standardisierten Komponenten, das müsste so funktionieren. 

 

"Die Hersteller bekommen
leuchtende Augen"

 

Sie haben vorhin die Endgeräte erwähnt, für die die Schulen eine der fünf Digitalpakt-Milliarden ausgeben können. Wozu führt das eigentlich, wenn Schulen demnächst überall in Deutschland gleichzeitig Tablets kaufen?

 

Ich bin weder Volkswirt noch Jurist, aber ich sehe, wie die Hersteller leuchtende Augen kriegen. Und einer ganz besonders: Apple. Die haben die beste Lobbyarbeit gemacht, und es ist absehbar, dass "Tablets" vielerorts gleichbedeutend mit "iPads" sein werden. Ich finde diese Monokultur außerordentlich bedenklich: Apple, Apple, Apple. In den USA ist das interessanterweise anders, dort macht zum Beispiel das ChromeBook von Google dem iPad massiv Konkurrenz. 

 

Bekommen die Schulen wenigsten ordentlich Rabatte?

 

Die Logik scheint eine andere zu sein: Wenn die Nachfrage so gewaltig ist, gibt man doch keinen Nachlass. Wir haben neulich in Bremen versucht, 1000 iPads zu bestellen, der Zwischenhändler winkte ab bei der Frage nach einem ordentlichen Rabatt, er kriege dafür bei Apple ja auch kaum Prozente.  

 

Woher kommt eigentlich diese Apple-Fixierung? Alle reden von Schulclouds, und die müssen doch unabhängig von der Firma der benutzen Endgeräte funktionieren?

 

Das ist schon richtig, aber in den meisten Bundesländern sind die Cloudlösungen noch nicht so etabliert. Baden-Württemberg zum Beispiel musste die Entwicklung seiner "Ella" genannten Cloud stoppen, andere Länder berichten ähnliche Probleme, auch die vom Bundesbildungsministerium geförderte Cloud des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI) funktioniert längst nicht überall einwandfrei: Nur weil sie in zahlreichen MINT-Schulen läuft, bedeutet das nicht, dass sie auch auf tausend oder mehr Schulen skaliert. Hinzu kommen vergaberechtliche Probleme. Hier muss ich mal mein Heimatland Bremen ausdrücklich loben: Es hat schon vor Jahren in eine Lernplattform investiert, und die läuft einwandfrei an allen Schulen des Bundeslandes, die Lehrerinnen und Lehrer nutzen sie genauso wie die Schülerinnen und Schüler, und es wurde kein Bohai daraus gemacht.

 

Apropos Bohai: Finden Sie die Lautstärke, mit der das Bundesbildungsministerium für die HPI-Cloud trommelt, eigentlich angemessen?

 

Na ja, die Kollegen in Potsdam haben da schon eine Lücke entdeckt im Markt, die sich nicht so ohne Weiteres füllen lässt. Und das BMBF hat die Cloud-Entwicklung als Pilotprojekt gefördert. Ich kann mir aber schon aus vergaberechtlichen Gründen vorstellen, dass auch anderen Anbietern die Möglichkeit eingeräumt wird, ein mindestens gleichwertiges Produkt gegebenfalls günstiger anzubieten.

 

"Die Entwicklung zwischen den
Ländern wird auseinanderlaufen"

 

Wir haben noch gar nicht über die Folgekosten der anstehenden IT-Offensive gesprochen. In einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung haben sie vor anderthalb Jahren berechnet, dass allein die allgemein bildenden Schulen dauerhaft mindestens 2,8 Milliarden Euro pro Jahr bräuchten, einen Großteil davon für Support und Wartung. Und eine gestern veröffentlichte Umfrage der Telekom-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Die Schulen bräuchten "Kümmerer vor Ort", damit die Digitalisierung klappt.

 

Und für diese Kümmerer darf kein Digitalpakt-Geld ausgegeben werden. Ich kann ja politisch nachvollziehen, dass man die Bund-Länder-Vereinbarung nicht mehr antasten wollte, obwohl die heute beschlossene Grundgesetz-Änderung die Finanzierung von Wartung und Personal ermöglichen würde. Aber diese Entscheidung wird dazu führen, dass die Entwicklung zwischen den einzelnen Kommunen und Ländern extrem auseinanderlaufen wird. Weil die einen das Geld haben oder den Willen haben, die Folgekosten selbst zu finanzieren, und die anderen eben nicht. Vielerorts werden Lehrerinnen und Lehrer den Support machen müssen, in den meisten Fällen gegen Ermäßigungsstunden, was gleich zweifach unsinnig ist: Erstens sind die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer echte IT-Experten, müssen sie auch gar nicht sein. Zweitens ist es ein eklatanter Widerspruch, in Zeiten des Lehrermangels Pädagoginnen und Pädagogen für berufsfremde Aufgaben abzustellen. 

 

Der Bund wird abwinken und sagen: Das ist Sache der Länder. 

 

Womit er im Grunde Recht hat. Die Länder werden eine Antwort finden müssen auf die Schieflage, zusammen mit den Kommunen. Gerade hierfür ist ein Medienentwicklungsplan ein ideales Steuerungsinstrument. Der Ruf nach eigenen Technikern oder Technikerinnen für die Schulen wird absehbar lauter, denn klar ist auch: Je größer die Infrastrukturen und Cloudlösungen werden, desto anfälliger für Hacks und andere Störungen werden sie. Schon jetzt gibt es in den Schulen mehr Endgeräte als in der gesamten Kommunalverwaltung. Am Ende wird jede Kommune neben den behördlichen Datenschutzbeauftragten auch einen Beauftragten für die Informationssicherheit an ihren Schulen brauchen. Gleichzeitig müssen die Länder die Sorgen vieler Städte und Gemeinden zerstreuen, sie würden, abgesehen von ihrem expliziten Digitalpakt-Eigenanteil, ihre IT-Ausgaben reduzieren, wenn die Bundesgelder kommen. 

 

Bleibt die Herausforderung Fortbildung: Wenn die IT in den Schulen ankommt, ist es wichtig, dass die Lehrer sie pädagogisch sinnvoll einsetzen können. 

 

Ich lese den Digitalpakt so, dass auch Fortbildung finanziert werden kann, und das ist hervorragend. Ich höre auch, dass alle 16 Bundesländer mit ihren Instituten für die Lehrerfortbildung gemeinsame Maßnahmen planen. Das ist auch bitter nötig, denn wir reden nicht mehr davon, ein paar Multiplikatoren in jeder Schule zu ertüchtigen, sondern alle, hunderttausende von Lehrkräften. Aber hierfür gibt es schon Konzepte, wir fangen ja nicht bei Null an.

 

Wie wird das ablaufen? Auch das klingt nach einem Riesenakt.

 

Ja, wo sollen all die Medienpädagogen herkommen, die die Fortbildungen durchführen? Die sind selbst in etlichen Landesinstituten Mangelware. Insbesondere in Verbindung mit einer fachdidaktischen Expertise. Ein Problem ist auch der Datenschutz. Ich kenne Fälle, in denen der Personalrat Online-Fortbildungsangebote gestoppt hat, weil die Lehrkräfte auf ihren Privatgeräten arbeiten sollten. Hier brauchen wir neue, innovative Lösungen, die auch mit Hilfe digitaler Lernumgebungen eine größere Gruppe erreichen können, und die Länder brauchen professionelle Beratung. Am Ende geht es nicht um Technik, sondern um einen langwierigen Schulentwicklungsprozess. 


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