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Eine Debatte, endlich!

Heute treffen sich wieder die Staatssekretäre in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, um die Zukunft der Wissenschaftspakte auszuhandeln. Und zum ersten Mal fiebert die Öffentlichkeit mit.

Hier wird es heute wieder spannend: das BMBF in Berlin-Mitte. Foto: Fridolin freudenfett: "Mitte Kapelle-Ufer BMBF.JPG", CC BY-SA 4.0.

ES IST FAST SO, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Eben noch verhandelten Bund und Länder im Stillen über die künftige Finanzarchitektur des Wissenschaftssystems. Doch wenn die Landes-Staatssekretäre sich heute erneut mit ihrem BMBF-Kollegen Georg Schütte zusammensetzen, stehen sie unter Beobachtung. 

 

Erstens im wörtlichen Sinne: Das Bündnis "Frist ist Frust", gegründet vor gerade mal vier Wochen, hat zur Protestaktion aufgerufen. Kreativ werde die ausfallen, versprechen die Organisatoren von ver.di, der GEW und dem Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft. Treffpunkt für "Frist ist Frust" ist um 13 Uhr vor dem Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin-Mitte, – da, wo auch die Staatssekretäre tagen. Die kommen zwar schon um neun und bleiben den ganzen Tag. Aber vielleicht stecken ja ein paar Mutige zwischendurch mal den Kopf heraus.

 

Die Vorsitzenden von 85 Hochschulräten, die gestern per Offenem Brief an die Mitglieder der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) appelliert haben, werden, wenn auch aus der Distanz, ebenfalls genau hinschauen. Ihr Schreiben ist beispiellos in der GWK-Geschichte, sowohl von seinem Inhalt als auch in seinem Zustandekommen. Federführend verfasst haben den Offenen Brief nämlich ausgerechnet ein ehemaliger GWK-Generalsekretär und eine ehemalige Finanzministerin. Beide wissen also, wovon sie schreiben, und ihr Brief lässt nicht an Deutlichkeit vermissen. "Wenn es nicht gelänge, den Hochschulpakt rechtzeitig verlängern, müssten demnächst befristete Verträge in erheblicher Zahl gekündigt werden", warnen Hans-Gerhard Husung, Annette Fugmann-Heesing und 83 weitere Unterzeichner.  

 

Genau das ist die Befürchtung, die derzeit viele an den Hochschulen beschleicht. Bund und Länder hatten sich zuletzt in den Verhandlungen so stark verharkt, dass unsicher schien, ob der 3. Mai, laut GWK-Zeitplan der Tag der Beschlussfassung, zu halten sein wird. Jetzt gibt es allerdings Signale aus dem BMBF, die von den Ländern als Entgegenkommen gewertet werden.

 

85 Hochschulratsvorsitzende
fordern "Mut zur Zukunft"

 

"Mut zur Zukunft" forderte denn auch Fugmann-Heesing von den GWK-Verantwortlichen in der Pressemitteilung zum Offenen Brief. Fugmann-Heesing war selbst Finanzministerin in Hessen und Berlin und sitzt seit vielen Jahren dem Hochschulrat der Universität Bielefeld vor. Hans-Gerhard Husung fungierte von 2010 bis 2016 als Generalsekretär der GWK, also zu der Zeit, als unter anderem die aktuelle Exzellenzstrategie ausgehandelt wurde. Jetzt leitet Husung den Hochschulrat der Universität Leipzig und warnt laut Pressemitteilung, die "Gestaltungschance", die der neue Hochschulpakt biete, dürfe "nicht durch Detailvorgaben und ausgefeilte Berichtssysteme zu Lasten der Hochschulen gefährdet werden". Auch fordern Husung, Fugmann-Heesing und ihre 83 Mitstreiter eine Dynamisierung der Hochschulpaktmittel, also eine jährliche Steigerung analog zu dem Plus, das die außeruniversitären Forschungsorganisationen über den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) seit vielen Jahren erhalten. 

 

Drittens nimmt auch der Druck aus dem Bundestag auf die Verhandelnden weiter zu. Diese Woche hatte das BMBF den Bundestagsausschüssen für Bildung und Haushalt einen sogenannten Sachstandsbericht "zu den Verhandlungen mit den Ländern über die Wissenschaftspakte" vorgelegt. Doch der umfasste gerade einmal eineinviertel Seiten und fiel damit vielen Abgeordneten zufolge reichlich schmal aus. Neben zahlreichen Gemeinplätzen und Referenzen zum GroKo-Koalitionsvertrag fanden sich in dem Bericht nur wenige gehaltvolle Informationen (siehe Kasten). 

 

Und schließlich brachte die FDP-Fraktion pünktlich zum GWK-Treffen einen Antrag in den Bundestag ein, der eine Revolution für den PFI, aber auch für die Wissenschaftsfinanzierung insgesamt bedeuten würde. Kernforderung: Ein Teil der Paktgelder sollen Helmholtz, Max-Planck, Leibniz und Fraunhofer nur ausgezahlt werden, wenn sie die vorher vertraglich festgelegten Ziele und Kennzahlen nachweislich erreichen. Schafft das eine Organisation nicht, gehen abhängig von ihrer Performance bis zu 15 Prozent in einem "wettbewerblichen Verfahren" an die anderen Einrichtungen. Hinter dem FDP-Antrag steht der forschungspolitische Sprecher Thomas Sattelberger. 

 

So plakativ sein Antrag ausfällt: Der frühere Spitzenmanager (Lufthansa, Continental, Telekom) legt den Finger zielsicher in die Wunde. Es stelle sich die Frage, ob die stetig steigenden PFI-Mittel "immer sinnvoll allokiert würden". Der Antrag verweist auf eine Rüge des Bundesrechnungshofes in Richtung der Forschungseinrichtungen und die 25-Prozent-Betriebsmittel-Sperre für die Helmholtz-Gemeinschaft. Es entstehe der Eindruck, dass die Forschungsorganisationen "angesichts der dynamisch wachsenden Mittel mit ihren eigenen Planungsprozessen nicht hinterherkommen", kritisiert die FDP. So richtig und wichtig die finanzielle Planungssicherheit  durch den PFI sei, "so wichtig ist auch der transparente verantwortungsvolle Umgang mit diesen öffentlichen Geldern im Sinne der Vereinbarungen des PFI." 

 

Vier turbulente Wochen liegen

vor den Verhandlungsführern

 

Die 15-Prozent-Forderung ist zwar politisch chancenlos, aber eine größere Verbindlichkeit und ein schärferes PFI-Monitoring gelten für das Bundesforschungsministerium, siehe den Bericht an die Bundestagsausschüsse, bereits als gesetzt. 

 

Gesetzt ist auch, dass die Verhandlungsführer von Bund und Ländern vier turbulente Wochen vor sich haben. Inzwischen flattern täglich neue Positionspapiere und Appelle in die Redaktionen. So hatten vergangene Woche die Chefs der vier außeruniversitären Forschungsorganisationen die angekündigten Einschnitte im BMBF-Haushalt als "fatal" kritisiert und an die Politik appelliert, Investitionen in Bildung und Forschung weiter Priorität einzuräumen. Zuletzt forderte das "Netzwerk Wissenschaftspolitik von SozialdemokratInnen, verbindliche Ziele zum Thema "Gute Arbeit in der Wissenschaft" im PFI zu verankern.

 

Keine Frage: Die GWK-Verhandlungen haben endlich den Sprung in die öffentliche Debatte geschafft. Was der Wahrnehmung der Wissenschaftspolitik in Konkurrenz zu anderen, meist mehr beachteten Politikfeldern (zum Beispiel Sozial- oder Verteidigungspolitik) nur gut tun kann. Erst allmählich wird vielen Leuten klar, um wie viel Geld es am 3. Mai es geht: um mehr als 100 Milliarden Euro. Um eine Zahl mit elf Nullen. Und um die Frage, wie Deutschlands Wissenschaft möglichst viel aus so viel Geld machen kann. 


Was das BMBF dem Bundestag mitteile

In den zwei Absätzen, die der BMBF-Bericht an den Bundestag dem Hochschulpakt widmet, ist vor allem eines bemerkenswert: dass das Ministerium als einen Schwerpunkt nochmals den "Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen" herausstellte – umgekehrt allerdings betonte, dass es die Nachfolge des Hochschulpakts nicht als Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen betrachte. 

 

Was den Qualitätspakt Lehre angeht, nennt das Ministerium von Anja Karliczek in seinem Bericht an den Bundestag die "Stärkung der Erneuerungsfähigkeit der Hochschullehre" als zentrale Mission. Keine Erwähnung findet die von vielen Hochschulen geforderte mindestens teilweise Weiterfinanzierung bestehender QPL-Projekte. Dafür kündigt das BMBF an, für die "Umsetzung des Aufgabenportfolios" (Projektförderung, Vernetzung, Know-How-Transfer) sollten "dauerhafte Strukturen" geschaffen werden, womit immer deutlicher wird, dass tatsächlich eine neue Institution zur Förderung der Hochschullehre entstehen wird. 

 

Der Pakt für Forschung und Innovation (PFI) soll dem BMBF zufolge im Wesentlichen in seiner bisherigen Form fortgesetzt werden, mit einer jährlichen Steigerung von "mindestens drei

Prozent". Allerdings solle die Verbindlichkeit der Paktziele durch Zielvereinbarungen mit den Forschungsorganisationen und ein "aussagekräftigeres Monitoring auf Basis der Zielmarken und internationaler Benchmarks" erhöht werden. Weiter beraten werde die Einrichtung eines sogenannten "Strategieenwicklungraums", eine reichlich schwammige Beschreibung für das aus dem BMBF geforderte, aber von den Ländern lange abgelehnte Vorhaben, einen Teil der Paktaufwüchse für gemeinsame Vorhaben mehrere Forschungsorganisationen zu reservieren.

 

Der entscheidende Knackpunkt der PFI-Verhandlungen scheint dem BMBF so wichtig zu sein, dass er auf den eineinviertel Seiten gleich zweimal Erwähnung findet: die Rückkehr zum "bewährten Bund-Länder-Schlüssel". Weil die Bundesländer in den vergangenen fünf Jahren das jährliche Drei-Prozent-Plus nicht mitgezahlt haben, sollen sie sich von 2021 an nicht nur an den Steigerungen beteiligen, sondern auch die Finanzierungslücke nachzahlen, die durch ihr Aussetzen entstanden ist. Eine Forderung, die die Länder dreistellige Millionenbeträge pro Jahr zusätzlich kosten würde. Ob und wie hier eine Einigung aussehen kann, ist offen.



Nachtrag am 05. April um 11.15 Uhr

Erstmals in den laufenden Hochschulpakt-Verhandlungen äußerte sich Bundesministerin Karliczek soeben per Pressemitteilung. "Wir sind uns unserer besonderen Verantwortung bewusst", betonte sie. "Bund und Länder stellen jetzt die Weichen für viele Generationen von Studierenden, Lehrenden und Forschenden." In der Nachfolge des Hochschulpaktes werde die Qualität von Studium und Lehre stärker im Zentrum stehen. "Genau deshalb ist der Bund bereit, dauerhaft Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir übernehmen Verantwortung, aber auch die Länder müssen Ihren Beitrag leisten." Mit den Mitteln sollten insbesondere unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen geschaffen werden, um Lehre und Studienbedingungen an allen Hochschulen nachhaltig zu verbessern.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    W.M.B (Samstag, 06 April 2019 00:59)

    In einer multilateralen Welt mit allgegenwärtigen
    Komplexitätszuwächsen gibt es dynamische Abhängigkeiten
    und vielschichtige Anforderungen an Forscher und Entwickler.

    EU-weit gibt es für das Forschen und Entwickeln nationale,
    regionale und institutionelle Ebenen. Es gibt Prozesse,
    die Forschungsaktivitäten unterstützen und stärken möchten.

    Nationale Forschung hat eine Historie, die auf gegangene Forschung weist.

    Leben lebt in Veränderungen. Zu den Bremsspuren bei Innovationen gehören
    erstarrte Organisationsprinzipien, die auf das "bequeme Gestern" deuten.

    Heute geht es um die Vergegenwärtigung von Vergangenheit,
    die Zukunft-tauglich und erneuernd wirken möchten.

    Zu einer agilen Forschung gehören freien Wissenschaften und offenen Kulturlandschaften und regionale, nationale, interkulturelle und multilaterale Wechselwirkungen und Einbindungen und eine Kreativkultur, die sich den ökonomischen/technologischen/gesellschaftlichen Anforderungen stellt.

    Mag sein, dass in jedem großen Forscher eine stete Zuversicht schlummert, die von Fehlversuch zu Fehlversuch dem Durchbruch und dem Nobelpreis näher kommt.

    Mag sein, dass ein Kleinkind einmal eine große Forscherin wird, indem es zuversichtlich die (noch) unbekannt Um- und Mitwelt staunend betastet, untersucht, begreift.

    Ein Forschungsbetrieb, der lediglich auf das Geld schielt, war gestern.

    Ein Politikbetrieb, der lediglich Schlagworte im Kopf hat, war gestern.

    Mag sein, dass die Freiheit und Erneuerungsfähigkeit des europäischen Hochschulraumes und Wissenschaftsraumes auch für Studierende aus Great Britain attraktiv ist. Ein kooperatives Miteinander ist mehr als die nostalgischen Erinnerungen an das erste Passagierschiff, das Great Britain heißt.

    Antoine de Saint-Exupéry ( aus Wikipedia ) sagt es so:
    Wenn Du ein Schiff bauen willst,
    so trommle nicht Männer zusammen,
    um Holz zu beschaffen,
    Werkzeuge vorzubereiten,
    Aufgaben zu vergeben,
    und die Arbeit einzuteilen,
    sondern lehre die Männer die Sehnsucht
    nach dem weiten endlosen Meer.