Ein Interview mit dem ungarischen Innovationsminister Làszlo Palkovics über die internationale Kritik an seiner Amtsführung, die Reform der Akademie der Wissenschaften, den Streit um die Central European University und die Zusammenarbeit mit Fraunhofer.
Herr Minister Palkovics, Ende Februar haben Ihnen neun deutsche Forschungsorganisationen in einem Brief vorgeworfen, Sie wollten der ungarischen Akademie der Wissenschaft ihre finanzielle und organisatorische Autonomie nehmen und gefährdeten mit der geplanten Reform die Wissenschaftsfreiheit.
Ich bin selbst Wissenschaftler. Mir vorzuwerfen, ich wollte die Wissenschaftsfreiheit einschränken, ergibt einfach keinen Sinn.
Jetzt gibt es neue Vorwürfe: Drei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Laser-Forschungsanlage ELI-ALPS in Szeged sind zurückgetreten. Aus Protest: Sie hätten als Minister nach eigenem Gutdünken und ohne wissenschaftliche Begleitung mit 65 Millionen Euro zwei neue Forschungsprojekte am ELI-ALPS gestartet. Und dazu noch ein Ein-Mann-Komitee mit der Evaluation der gesamten Einrichtung beauftragt, was "internationalen Standards“ widerspreche.
Das ist ein unsinniger Vorwurf. Ich bin als zuständiger Minister politisch verantwortlich dafür, dass ELI-ALPS ein Erfolg wird, und die Zeit ist knapp. Bis 2020 muss ELI voll funktionsfähig sein, das verlangt die europäische Zusammenarbeit. Und genau das möchte ich durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.
Können Sie den Zeitdruck ein bisschen genauer erklären?
Wir hatten gerade einen Managementwechsel. Deshalb brauchen wir jetzt ein klares Bild: Wo steht ELI-ALPS technisch, wo steht das Projekt finanziell? Wie viel Geld ist noch erforderlich, dass die mit den europäischen Partnern vereinbaren Funktionen vorhanden sind? Das Ziel der Evaluation ist nicht, dass ich bestimmen möchte, was künftig wissenschaftlich gemacht wird, das zu entscheiden ist Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats. Aber als verantwortlicher Minister möchte ich schon genau wissen, wo wir stehen.
Und warum soll mit dem Physiker Ferenc Krausz ein einziger Mann die Evaluation übernehmen, noch dazu einer, der über einen sehr guten Draht zu Ihnen und der Regierung verfügt?
Ich habe mehrere Experten um ihre Beratung gebeten. Ferenc Krausz ist ein besonders wichtiger und als herausragender Wissenschaftler mit internationaler Reputation über alle Zweifel erhaben, aber er ist nicht der einzige. Im Übrigen bin ich absolut berechtigt, Krausz als Berater einzusetzen, denn ich bin als Minister für ELI-ALPS verantwortlich. Nicht der wissenschaftliche Beirat. Nicht eine Universität. Nicht die Europäische Union. Sondern ich als Vertreter der ungarischen Regierung.
Die Kritik der zurückgetretenen Beiratsmitglieder ist also völlig unberechtigt?
Es haben drei von 20 Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates gekündigt. Das sagt schon alles. Es handelte sich offenbar um ein Missverständnis. Eines, das Allen Weeks, der Direktor des ELI-Gesamtkonsortiums, noch dazu gerade in einer Erklärung aufgeklärt hat. Er hat darin ausdrücklich begrüßt, dass ich als Minister mich kümmere.
Aber die 65 Millionen Euro fließen doch, und es gibt keinen Beschluss des wissenschaftlichen Beirates dazu. Das wirft doch Fragen auf.
Es ist richtig, dass wir ELI-ALPS Geld zuschießen müssen, weil das internationale Konsortium noch nicht steht und die Anlage sonst den Betrieb nicht aufrechterhalten könnte. Wir könnten das direkt tun oder, was wir für besser hielten, indem wir zwei Forschungsprojekte finanzieren, die ohnehin gebraucht werden. Aus diesen zwei Forschungsprojekten fließt dann Geld an ELI sozusagen als Nutzungsgebühr.
Erst wandert die Central European University (CEU) nach Wien ab, dann die angekündigte Reform der Akademie der Wissenschaften, jetzt die drastischen Maßnahmen bei ELI: Verstehen Sie, dass es Leute gibt, die sich um die Wissenschaft in Ungarn sorgen?
Ich verstehe, dass einige Leute aus innenpolitischen Gründen eine Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit konstruieren wollen, die es nicht gibt. Die Sache mit der CEU ist kompliziert, aber hier geht es um hochschulrechtliche Fragen, es geht um eine Hochschule, die keine eigene Rechtsperson in Ungarn hat – was nicht geht. Und was ELI-ALPS und den Umbau der ungarischen Akademie der Wissenschaften betrifft: Hier wird auf Teufel komm raus versucht, einen Zusammenhang herzustellen, der nicht existiert. Schon gar nicht in finanzieller Hinsicht. Die 65 Millionen Euro, die wir an ELI geben, stammen nicht, wie gelegentlich behauptet wird, aus dem Akademie-Budget und werden der Akademie auch nicht anderweitig abgezogen. Und noch eine persönliche Bemerkung von meiner Seite: Bislang hat die Akademie nie auch nur irgendein Interesse an ELI gezeigt; erst jetzt, wo Geld fließen soll, folgt der Protest.
Aber der Protest stammt doch nicht nur aus dem Inland, das zeigt doch der Brief der deutschen Allianzorganisationen, darunter auch die Max-Planck-Gesellschaft, zu der Ferenc Krausz gehört.
Und den deutschen Wissenschaftsorganisationen antworte ich: Beim Umbau der Akademie orientieren wir uns an der Max-Planck-Gesellschaft. Wir gehen so ähnlich vor, wie Deutschland nach der Wende bei der Überführung der ehemaligen Akademie-Institute in seine bestehenden Forschungsorganisationen vorgegangen ist. Insofern schaffen wir eine international anerkannte Struktur. Und wie bei Max Planck wird es eine Zwischenebene zwischen der Politik und der Wissenschaft geben, die diskutieren wir gerade. Auf keinen Fall wird es auf eine direkte finanzielle Einflussnahme durch die Politik hinauslaufen.
Wenn Sie sich nicht einmischen wollen, warum stellen Sie dann die Akademie derart grundsätzlich in Frage?
Der Grund für den geplanten Umbau liegt doch auf der Hand: Die bisherige Performance unseres Wissenschaftssystems ist schlecht, es gibt im internationalen Vergleich viel zu wenig Veröffentlichungen und Zitationen, und die Zahl der Ausgründungen aus der Akademie ist gleich null. Ich bin überzeugt, wir könnten mehr. Und dem dient die Reform. Es ist klar, dass der Umbau nicht allen gefällt, kann er auch nicht, denn er ist sehr grundlegend. Aber es geht allein um die wissenschaftliche Qualität und nicht um eine Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit.
Und das haben die deutschen Forschungsorganisationen allesamt nicht verstanden?
Sagen wir mal so: Die Berichterstattung in den Medien, auch in den deutschen, ist gelegentlich sehr einseitig. Sobald ich den Präsidenten der deutschen Wissenschaftseinrichtungen im persönlichen Gespräch unsere Motive erklären kann, sehen sie die Dinge plötzlich ganz anders. Übrigens haben wir uns gefreut, dass Fraunhofer als einzige Organisation den Brief Ende Februar nicht unterschrieben hat. Reimund Neugebauer kennt Ungarn seit langem, wir arbeiten hervorragend zusammen. Wir haben ein Joint Venture, und demnächst wird Fraunhofer eigene Institute in Ungarn eröffnen. Das zeigt doch das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird.
László Palkovics, Jahrgang 1965, ist Ingenieur und hat anderthalb Jahrzehnte in führenden Positionen für den deutschen Automobilzulieferer Knorr Bremse gearbeitet, den größten Teil davon in Deutschland. Er ist Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften und war zuletzt Professor an der Budapester Universität für Technologie und Wirtschaft. Seit 2018 ist er Minister für Innovation und Technologie in der Regierung von Viktor Orbán.
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