· 

Kann weniger mehr sein?

Bund und Länder haben den Qualitätspakt für Lehre kleingekürzt. Wie aus einem falschen Signal vielleicht doch noch etwas Gutes werden könnte. Ein Gastbeitrag von Ansgar Wimmer.

Ansgar Wimmer. Foto: Kirsten Harmann/Alfred Toepfer Stiftung.

TATSÄCHLICH GING ES lautloser und schneller als gedacht. Für diejenigen, die mit wenig Hoffnung auf die Runde der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz geschaut hatten, hielt der 3. Mai eine Überraschung parat: Geradezu in Rekordzeit einigte sich die GWK nach einer Kaminrunde und unter Einbeziehung der Finanzminister über die Zukunft der zwischen Bund und Ländern zu vereinbarenden Wissenschaftsförderung. In das Augenreiben über die schnelle Einigung mischten sich bei Beobachtern erste vorsichtig positive bis – zumeist aus den Reihen der Beteiligten – euphorische Reaktionen.

 

Nicht nur die Tatsache der unerwarteten Einigung zu diesem Zeitpunkt an sich, auch die Resultate treffen auf Zustimmung, soll es doch mehr von allem für alle geben, insbesondere auf den außeruniversitären Forschungseinrichtungen ruht der Segen der schnellen Einigung.

 

Allein der Qualitätspakt Lehre, in der Vergangenheit warmer Regenguss für eine große Bandbreite von lehrbezogenen Vorhaben und Zielen, musste Federn lassen, dem Vernehmen nach, um Verhandlungs-, sprich: Erhöhungsmasse für die übrigen Einigungen zu bieten.

 

Vordergründig bedient der Kompromiss damit die schlimmsten Albträume derer, die sich für die Einheit von Forschung und Lehre, vor allem einen größeren und damit realitätsnaheren Stellenwert von wissenschaftlicher Lehre stark machen: Da ist er wieder, der bizarre Irrglaube, dass zunächst einmal die Begehrlichkeiten der forschenden Wissenschaften zu befriedigen seien, bevor die dran kämen, die als forschend und lehrende Wissenschaftler sich auch für gute Lehrkonzepte und eine qualitativ der Gegenwart angemessene Lehrpraxis stark machten.

 

Kaum zu verstehen, so mag der Betrachter denken, dass der Wissenschaftslandschaft in Deutschland noch immer ausgerechnet für einen den Hochschulalltag von Studierenden wie Lehrenden am meisten prägenden Bereich eine effektive Lobby zu fehlen scheint.

 

Also kein warmer Regen mehr, stattdessen eine deutliche Beschränkung auf 150 Millionen Euro pro Jahr, rund ein Viertel weniger als bisher. Und es stimmt ja auch: Betrachtet man den Vorgang allein unter finanziellen Gesichtspunkten, so ist das eine ziemliche Hungerkur. Entzugserscheinungen drohen für alle, die sich unter den wärmenden Möglichkeiten der Qualitätspaktmittel verdienstvolle und kreative Projekte ausdachten. Und setzt man die für die Weiterentwicklung der Lehre bis 2030 in Aussicht gestellten Mittel in Relation zur Größe des Gesamtpakets, so treibt einem dies erst recht die Tränen in die Augen, landet man doch gerade mal bei einem Prozent des Kuchens.

 

Und doch: Wer verstanden hat, dass finanzielle Zuweisungen und Stellen für strukturelle Entwicklungs- und Erneuerungsprozesse nicht alles sind, muss die Hoffnung nicht gänzlich fahren lassen. Erstmalig erkennen Bund und Länder mit der Einigung zu einer "Organisationseinheit", die Lehre gegenüber der allgegenwärtigen Forschungsgemeinschaft Stimme verleihen und den Einsatz der Mittel koordinieren soll, stärker die Bedeutung von Lehre als strategischer Faktor der Hochschulentwicklung an. Die Benennung dieses Zuwendungskanals "Innovation in der Lehre" knüpft zudem an eine Praxis an, die in den vergangenen Jahren  an Bedeutung gewonnen hat: die Kooperation außeruniversitärer, zivilgesellschaftlicher Akteure mit Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen zur nachhaltigen Stärkung der Lehre und ihrer Protagonisten. Ob der Stifterverband der deutschen Wissenschaften mit seinem namensgebenden Fellowship für Innovation in der Hochschullehre oder die Hamburger Toepfer Stiftung, die in einer breiten Partnerschaft mit vielen und der Unterstützung des Bundes das tatsächlich innovative Programm LehrehochN durchführt: Hier geht es selten um große Summen, sondern um Vernetzung, effektiven Erfahrungsaustausch zu guter Praxis und um Ermutigung. Etwas, dass Bund und Länder nun als Fokus im Blick behalten sollten, wenn sie versuchen, aus weniger mehr für die Lehre zu machen. 

 

Nicht die Vielfalt flächendeckender und alle Disziplinen bedienender Projektmittel, sondern strategische Einsichten und Handlungskompetenzen zum Thema Lehre gilt es auf Leitungs- und Verantwortungsebene zu befördern, eine Selbstverständlichkeit, die im Übrigen jenseits traditioneller Reflexe in Wissenschaftsförderung jüngeren Verantwortlichen geläufiger und selbstverständlicher zu sein scheint.

 

Nach der Einigung ist vor der Einigung: Und so bleibt zu hoffen, dass – soll das Viertelopfer für das Große und Ganze nicht umsonst gewesen sein –  Bund und Länder die außeruniversitären Partner bei der Umsetzung der geplanten Organisationseinheit breit einbeziehen, damit etwas Gutes daraus werden möge.

 

Ansgar Wimmer ist Vorsitzender des Vorstands der Alfred Toepfer Stiftung.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Marco Winzker (Dienstag, 07 Mai 2019 09:40)

    Im ZEIT CHANCEN Brief stand gestern, der "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken", zielt "nicht auf den Aufbau neuer Studienplätze, die Milliarden sollen die Qualität von Studium und Lehre an Hochschulen verbessern." Wenn das so umgesetzt wird, dann wäre das eine gute Aufteilung: "Innovation in der Hochschullehre", vormals Qualitätspakt Lehre, bringt Innovationen und der Zukunftsvertrag ermöglicht die Verstetigung.

    LehrehochN hat den besonderen Ansatz, Lehrende, Hochschuldidaktiker und Hochschulleitungen zu vernetzen und Studierende aktiv einzubeziehen. Gerade das Zusammenwirken dieser Gruppen hilft beim Transfer von der Lehrinnovation zur Verstetigung einer Lehridee.

    Offenlegung: Ich bin LehrehochN-Teilnehmer

  • #2

    RK (Dienstag, 07 Mai 2019 12:29)

    Wie es geschehen soll, dass "die Milliarden [sollen] die Qualität von Studium und Lehre an Hochschulen verbessern", bleibt leider das Geheimnis derjenigen, die dies formulierten.
    Ich halte es angesichts der (wie sie hier im Wiarda-Blog an mehreren Stellen sehr gut erklärt wurden) geplanten Finanzierungsgegebenheiten der QPL-Nachfolge für schwer vorstellbar, dass bei gleichbleibender Summe im Vergleich zu den letzten Jahren (und einer Art Inflationsausgleich einmalig 2024) die Qualität von Studium und Lehre an den Hochschulen grundlegend verbessern lässt, da sich die von verschiedenen Seiten (u.a. Wissenschaftsrat) kritisierten Betreuungsrelationen nicht verändern werden. Bestenfalls kann unter den gegebenen Bedingungen die Qualität gehalten bzw. gesichert werden - und dabei sind in meine Überlegungen die o.g. und natürlich auch mit weniger Geld im Rahmen der QPL-Nachfolge weiter anstrebenswerten Innovationen schon eingerechnet.

  • #3

    Th. Klein (Mittwoch, 08 Mai 2019 06:52)

    Ich kann RK nur zustimmen. In Bayern werden die Mittel m.W. an die Hochschulen durchgereicht, soweit die gute Nachricht. Aber das Geld ist für den Mehraufwand für die zusätzlichen Studierenden (Personal, Mietmittel) verplant. Daran ändert auch die neue Formulierung nichts. Freilich kann man unter dem Halten des zusätzlichen Personals - ansonsten kw - auch eine Investititon in die Lehre sehen, aber das hat mit innovativen Lehrformaten sehr wenig zu tun.