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Lange Linien statt kleiner Münze

Debatten um einen angeblich schrumpfenden BMBF-Haushalt lenken vom eigentlichen Problem ab: Die Länder müssen sich zur Priorität Bildung bekennen. Das Geld dafür haben sie. Ein Gastbeitrag vor der Frühjahrssitzung der Kultusminister. Von Ernst Dieter Rossmann.

Bild: Screenshot Duden-Wissensnetz.

MANCHMAL KANN MENSCH sich nur wundern, welche Legenden aufgebaut werden sollen, um einen kleinen Positionsvorteil in der parteipolitischen Auseinandersetzung zu erzielen. Eine solche Legende von den angeblichen Haushaltskürzungen im Zukunftsbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung wird jetzt von der Opposition, aber auch von manchen Büchsenspannern in der eigenen Regierungskoalition aufgebaut, um dem Finanzminister aus durchsichtigen Gründen am Zeug zu flicken. 

 

Ist denn schon vergessen, dass der Bund, nicht zuletzt in die konkrete Umsetzung gebracht durch den jetzigen Finanzminister, den Ländern und Kommunen fünf Milliarden Euro für die digitale Ertüchtigung an den Schulen zur Verfügung stellt? Das war ein Projekt, über das eine frühere Bildungsministerin und der frühere Finanzminister immer nur groß geredet haben, ohne wirklich etwas zu bewegen – weder in der verfassungsrechtlichen Absicherung noch in der Finanzierung. Jetzt geht es los. Und zwar über ein Sondervermögen mit einer ganz gezielten Zweckbindung.

 

Soll wirklich klein geredet werden, was in der Fortsetzung der Pakte für die Hochschulen, für die Förderung der Lehre und der Forschungseinrichtungen jetzt in eine dauerhafte Garantie überführt werden soll? Mit einer Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen, mit einer eigenen Organisation für Qualität und Innovation in der Hochschullehre und mit garantierten Zuwächsen für die Wissenschaftsorganisationen, von denen die Forschung in anderen Ländern nur träumen kann?

 

Nicht die eigenen Erfolge
kleinreden

 

Das Ganze ist eine dreistellige milliardenschwere echte Gemeinschaftsleistung von Fachpolitik und Finanzpolitik. Und sollte doch auch so gemeinsam vertreten werden können. Wie stellt sich die Wissenschafts- und Forschungspolitik eigentlich vor, dass sich über das Geld und die Strukturen hinaus Dynamik und Aufbruch im Inland und Aufmerksamkeit und Anerkennung im Ausland entwickeln sollen, wenn die eigenen Erfolge nicht auch als solche anerkannt und offensiv vertreten werden?

 


Ernst Dieter Rossmann ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.


Da machen Regierung und Parlament eine BAföG-Reform, die mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro noch 30 Prozent höher liegt als im Koalitionsvertrag ursprünglich veranschlagt. Diese BAföG-Reform wird im Bundestag in der Schlussabstimmung von keiner der vier Oppositionsfraktionen abgelehnt, sondern mit Enthaltung akzeptiert – und gleichzeitig mit harscher verbaler Kritik überzogen.


Das ist im Parlament noch leicht auszuhalten und die Quasi-Einstimmigkeit für die Reform können Parlamentarier auch mit stiller Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Was wir aber brauchen, ist eine breite öffentliche Unterstützung, Werbung und Aufklärung über die deutlich verbesserten Leistungen und neuen Fördermöglichkeiten, damit die Studierenden ihre Ansprüche kennen und das bereit gestellte Finanzvolumen auch wirklich bei ihnen und ihren Familien ankommt.

 

So viel gemeinsames politisches Interesse muss doch jetzt möglich sein. Und es sollte sich genauso auf Ehrlichkeit in der Debatte über die kommenden Finanzen für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Bund erstrecken, vor allem aber auch auf das Verhältnis zu den Ländern. Aktuell wird verhandelt über die genaue Aufteilung der ersten Tranche von 500 Millionen der insgesamt versprochenen drei Milliarden Euro für die Forschung zur künstlichen Intelligenz. Das Geld steht gegenwärtig noch im Einzelplan 60, also der allgemeinen Finanzverwaltung in der Zuständigkeit des Finanzministers. Beraten wird außerdem ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur steuerlichen Förderung von Forschung und Innovation in den forschenden Unternehmen. Dieser wird nach seiner Verabschiedung noch einmal jährlich über eine Milliarde an öffentlichen Mitteln und hoffentlich noch deutlich mehr als Unternehmensinvestitionen mobilisieren.

 

Bitte keine

Legendenbildung

 

Bei einer solchen Gesamtschau ist es dann schon mehr als verwunderlich, wenn unverdrossen weiter an der Legende gestrickt wird, der Finanzminister würde den Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung dramatisch kürzen und die völlig falschen Akzente setzen. Als Anlass wird hierfür genommen, dass der Haushalt der Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBF) laut den vom Kabinett beschlossenen Eckwerten für das Jahr 2020 von 18, 269 Milliarden Euro auf 17, 735 Milliarden Euro sinken soll.

 

Vergessen wird dabei allerdings, dass der BMBF-Haushalt diese Absenkung nur deshalb verzeichnet, weil ein durchlaufender Posten, der seit 2014 drinstand und den Etat nach oben drückte, aus guten Gründen jetzt entfallen wird. Es handelt sich um die Kompensationsmittel für die früheren Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau (695 Millionen Euro) und für die Bildungsplanung (19 Millionen), zu deren Zahlung an die Länder sich der Bund von 2014 bis 2019 verpflichtet hatte. Und das sogar ohne jede Zweckbindung, so dass die Landesfinanzminister diese Mittel für alles und nicht zwingend für Bildung und Wissenschaft ausgeben konnten.

 

Rechnet man diese bisherigen durchlaufenden Posten heraus, ergibt sich ein Netto-Plus von 150 Millionen Euro für das BMBF. Was nicht so wichtig ist wie die Tatsache,  dass wir dringend eine wirklich verlässliche neue Allianz für Bildung, Wissenschaft und Forschung brauchen. Denn weshalb sind denn die Proteste der Länder gegen den Wegfall dieser Kompensationsmittel bisher aus guten Gründen vollkommen ausgeblieben? Weil die Länder natürlich wissen, dass sie bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen unter maßgeblicher Führung des jetzigen Bundesfinanzministers einen wirklich guten und unbedingt notwendigen Schnitt gemacht haben: indem sie ab 2020 mit zusätzlichen Einnahmen von rund 9,7 Milliarden Euro rechnen können – pro Jahr. Vor diesem Hintergrund wünscht sich natürlich kein Land die durchlaufenden Kompensationsmittel aus dem Bildungshaushalt zurück, müsste es doch im Gegenzug auf die milliardenschwere Finanztranche aus dem Finanzministerium verzichten.

 

Ja, wir brauchen eine Priorität für 

Bildung – aber bei den Ländern!

 

Für die gemeinsame Bildungs- und Wissenschaftspolitik von Bund und Ländern kommt es künftig darauf an, nicht das Engagement des Bundes schlechtzureden. Es kommt darauf an, den Ländern ihre deutlich gestiegenen finanziellen Möglichkeiten immer wieder vor Augen zu führen und entsprechend einen wesentlichen Teil davon für Bildung und Wissenschaft einzufordern.

 

Der Bund ist vorrangig für die Forschung verantwortlich und muss, wenn die Länder ihrer Pflicht nachkommen, seine Schwerpunkte wieder deutlicher auf diesen Bereich legen können.  Die Stärkung der Ländereinnahmen war und ist ein deutliches Zeichen für die Priorisierung der Bildung, denn die Länder sind die wichtigsten Träger und Finanziers von Bildung in Deutschland, nicht der Bund und nicht die Kommunen. Mit den Zusatzmitteln aus den neu geordneten Bund-Länder-Finanzbeziehungen haben die Länder daher jetzt die Chance und auch die Pflicht, Bildung und Wissenschaft entsprechend zu stärken und verlässlich auszubauen.

 

Die jüngsten Verabredungen zu der Kofinanzierung des Hochschulpakt-Nachfolgevertrags beinhalten nicht ohne Grund eine hohe Verbindlichkeit und Kontrollierbarkeit der Zweckbindung dieser Mittel. Das ist ein großer Erfolg für die Hochschulen, die damit durch den Bund und die Länder gleichermaßen zusätzlich abgesichert werden.

 

Für die freien, das heißt: nicht bereits zweckgebundenen, Mittel aus dem neuen Bund-Länder-Finanzausgleich muss es eine ebenso hohe politische Verbindlichkeit geben, die wir alle jetzt einfordern müssen. Die Aufwendungen für Bildung, Wissenschaft und Forschung in den Länderhaushalten müssen ab 2020 nachvollziehbar wachsen. Die Länder haben den Spielraum dazu. Wenn nicht jetzt, wann dann?

 

Genau aus diesem Grund ist jetzt auch nicht mehr die Zeit, im Interesse von Bildung an erster Stelle den Bund zu mehr finanziellem Engagement aufzufordern. In der Breite und der Nachhaltigkeit der Finanzierung liegt diese Aufgabe bei den Ländern. Der Bund ist vorrangig verantwortlich für qualitätsorientierte Impulse zur Innovation in Schule, beruflicher Bildung, Hochschule und Weiterbildung.

 

Solche Initiativen sind  schon konkret in der Beratung, etwa das Sonderprogramm für Schulen in benachteiligten sozialen Lagen. Andere müssen jetzt vorbereitet werden, zum Beispiel eines für die Förderung der Wissenschaftskommunikation. Wieder andere gilt es jetzt auszubauen,  sei es zur Stärkung der Grundbildung oder für die digitale Weiterbildung. 

 

Die großen Ziele und die langen

Linien gemeinsam angehen

 

An der Prioritätensetzung für Bildung und Wissenschaft in den Ländern, an der Nutzung der neu entstandenen Finanzspielräume – und an ihrer haushaltspolitischen Nachweisbarkeit – wird sich am Ende auch entscheiden, wie sich der Bund sich künftig verhält, wenn neue große Zukunftsaufgaben anstehen. 

 

Mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung und -bildung für alle Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter, inklusive eines Rechtsanspruches ab 2025, steht eine solche große Zukunftsaufgabe bereits im Raum. Niemand wird an ihr vorbeigehen können. 

 

Die Familien fordern diesen Ausbau des Schulwesens ein, die Schulen dringen mit Recht auf pädagogische Qualität und fordern geeignete Räumlichkeiten und ausreichendes Personal. Bildungsforscher prognostizieren Investitionsbedarfe von zu vier Milliarden Euro und geben die laufenden jährlichen Zusatzkosten mit bis zu 2,6 Milliarden an. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist vereinbart, dass konkrete rechtliche, finanzielle und zeitliche Umsetzungsschritte in einer Vereinbarung von Bund und Ländern festgelegt werden sollen, unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände. "Dabei wird der Bund sicherstellen, dass insbesondere der laufenden Kostenbelastung der Kommunen Rechnung getragen wird", so formuliert der Koalitionsvertrag.  

 

Dieser Rechtsanspruch ab 2025 ist ein großer Schritt nach vorn, der in gesamtstaatlicher Verantwortung für Bildung getan werden muss. Er folgt der langen Linie, die in Deutschland seit nun schon etlichen Jahren mit der Aufwertung der frühkindlichen Bildung von der Krippe über die Kita bis zur Grundschule und dann darüber hinaus verfolgt wird. Dieses bildungspolitische Ziel zu erreichen, wird nur mit der Kompetenz und den Finanzen des Bundes möglich sein. Abseitiger Streit um kleine Münze wird hier nicht helfen.

 

Für die langen Linien  in Bildung, Wissenschaft und Forschung  braucht es mehr, vor allen Dingen auch eine neue Gemeinsamkeit von Bund und Ländern.

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