In drei Wochen will die DFG-Führung ihre Mitglieder eigentlich über eine umfangreiche Satzungsänderung abstimmen lassen. Doch zuletzt regte sich Widerstand unter den Hochschulrektoren.
WENN ALLES SO wie immer gelaufen wäre, hätte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihre Jahresversammlung in München abgehalten. Es ist üblich, dass DFG-Präsidenten im letzten Jahr ihrer Amtszeit die Wissenschaftsszene an ihre Heimatuniversität einladen, was im Falle von Peter Strohschneider die Ludwig-Maximilians-Universität gewesen wäre.
Doch der 63 Jahre alte Mediävist hatte, aus welchen Gründen auch immer, keine Lust auf diese Tradition. Und so reisen die Rektoren der DFG-Mitgliedshochschulen, die Wissenschaftspolitiker und Chefs der Forschungsorganisationen Anfang Juli nach Rostock, dessen Universität in diesem Jahr ihren 600. Jahrestag feiert. Im Ballsaal der Yachthafenresidenz Hohe Düne im Ortsteil Warnemünde wird Strohschneider am 2. Juli abends ans Rednerpult treten und über "das Verhältnis von Wissen und Nicht-Wissen" sprechen. Nach ihm ergreift Bundeskanzlerin Angela Merkel das Wort. Am nächsten Tag ist es dann soweit: In der säulenbewehrten Uni-Aula wird über Strohschneiders Nachfolge entschieden.
So prunkvoll das Ambiente ist, es wird nicht über die Spannungen hinwegtäuschen können. Spätestens seit die ehemalige Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek im vergangenen November ihren Posten räumen musste, kommt Europas größte Forschungsförderorganisation nicht zur Ruhe. Die Kritik vieler Rektoren an "ihrer" DFG reißt nicht ab. Lange hinter vorgehaltener Hand geäußert, wurde sie zuletzt offen vorgebracht.
Die HRK lud ein,
die DFG protestierte
Ausgerechnet in Rostock war das, wo sich Mitte Mai bereits die Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) versammelt hatten. Der Konflikt mit der DFG entzündete sich schon im Vorfeld an der Frage, ob die Hochschulrektoren eigentlich eigenständig die Kandidaten für Strohschneiders Nachfolge zum Vorsprechen einladen dürfen. Klar, dachten die Rektoren, schließlich sind unsere Universitäten die Mitglieder der DFG, es ist unsere Organisation. Auf keinen Fall, intervenierte die DFG-Führung schriftlich, Tenor: Wir allein sind Herren des Verfahrens.
Am Ende einigte man sich Teilnehmern zufolge auf eine Doppelmoderation der Kandidatenvorstellung durch HRK-Vizepräsident Ulrich Radtke und DFG-Vizepräsident Wolfgang Schön. Einige Rektoren sprachen anschließend von einem "Akt der Gesichtswahrung". Immerhin konnten die Kandidaten so sich und ihre Vorstellungen einer modernen DFG vor den Hochschulchefs präsentieren: die Gießener Molekularbiologin Katja Becker, derzeit DFG-Vizepräsidentin; der Prozess-Techniker und Chef des Forschungszentrums Jülich, Wolfgang Marquardt; und die Karlsruher Informatikerin Dorothea Wagner, Mitglied im Wissenschaftsrat und bis 2014 ebenfalls schon einmal DFG-Vizepräsidentin.
Die Kandidaten konnten nichts dafür, dass die Atmosphäre bei der HRK-Tagung angespannt blieb. Denn die Deutsche Forschungsgemeinschaft wählt ja nicht nur eine neue Führung, das Präsidium will offenbar auch noch eine Satzungsreform durchziehen, deren Dimensionen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt umstritten sind.
Offizieller Anlass ist die seit Dzwonneks Weggang vakante Position der Generalsekretärin. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die derzeitige Machtverteilung zwischen Präsidium und Generalsekretärin nicht funktioniere, argumentieren die Befürworter der Reform. Sie wollen deshalb unter anderem die Amtszeit des oder der Dzwonnek-Nachfolgers begrenzen.
"Es gab Stunk auf
Deutsch gesagt"
Das allein wäre mit den meisten Rektoren wohl zu machen, doch umfassen die vor allem von Strohschneiders Vize Schön vorangetriebenen Reformpläne noch viel mehr: An die Seite des Präsidenten soll ein hauptamtlicher Vizepräsident treten, die operative Steuerung der DFG soll damit stärker auf die Präsidiumsmitglieder verlagert werden, offenbar inklusive der Entscheidung von Personalangelegenheiten der DFG-Geschäftsstelle. Bislang wurden die vorrangig durch die Generalsekretärin verantwortet. Es ist wäre eine Stärkung der Wissenschaft gegenüber den Verwaltungsfachleuten.
Wolfgang Schön präsentierte die Pläne vor den Hochschulrektoren in Rostock, und der Unmut, berichten Teilnehmer, sei groß gewesen – nicht so sehr wegen der möglichen Inhalte der Reform, sondern wegen der Vorgehensweise. "Es gab Stunk auf Deutsch gesagt", sagt ein Rektor. Warum die Eile, fragten einige und argumentierten, es sei ungeschickt, wenn im letzten Amtsjahr eines alten Präsidenten dessen Nachfolger eine große Satzungsreform vor die Nase gesetzt werde.
Andere wollten wissen, warum man es zum jetzigen Zeitpunkt nicht bei der Amtszeitbegrenzung für den oder die neue Generalsekretärin belasse, damit die Stelle ausgeschrieben werden könne. Den Rest könne das Präsidium dann unter Strohschneiders Nachfolgerin bzw. Nachfolger in Ruhe mit den Mitgliedshochschulen diskutieren. Wieder andere erregten sich über die aus ihrer Sicht mangelnde Bereitschaft der DFG-Führung, auf ihre Argumente einzugehen. Wenn alle seine Dekane eine andere Meinung verträten als er selbst, würde er sich doch auch fragen, ob er auf dem richtigen Weg sei, wird ein Rektor zitiert.
Schon die letzte Reform wurde
von der DFG gerühmt
Die letzte große Satzungsreform bei der DFG liegt dabei noch gar nicht so lange zurück, sie wurde 2014 beschlossen und damals in einer Pressemitteilung der Organisation als "systematischer, transparenter, praxisnäher" gerühmt.
Die wachsende Distanz zwischen der DFG und ihrer Mitglieder hat, sagen Experten, auch einen systemischen Grund: Ihr enormes Budgetwachstum in den vergangenen Jahren, ermöglicht durch den Pakt für Forschung und Innovation, hat den strategischen Schwerpunkt der DFG gen (Bundes-) Politik verschoben. Der Austausch mit den Wissenschaftspolitikern hat an Bedeutung gewonnen, immer öfter scheinen DFG-Repräsentanten eher eine bundespolitische Perspektive in Debatten einzunehmen als die vorrangig landespolitische ihrer Mitgliedsuniversitäten.
Die entscheidenden Fragen lauten deshalb: Wie kommt die DFG wieder näher an ihre Mitglieder? Kann eine Satzungsänderung dabei helfen? Wie geht die DFG mit der Kritik um, sie begegne ihren Mitgliedsuniversitäten zurzeit nicht auf Augenhöhe? Wird die DFG-Führung im Juli in Rostock die gesamte Satzungsänderung in der vorliegenden Form zur Abstimmung stellen, oder erhalten die Rektoren mehrere gestufte Versionen zur Auswahl – inklusive einer Minimalversion, die sich nur auf die Amtszeitbegrenzung des/der Generalsekretärin bezieht? Und schließlich: Wie reagiert die DFG auf Bedenken, im letzten Amtsjahr eines Präsidenten sollte nicht so eine grundlegende Satzungsänderung beschlossen werden?
Wichtigste Aufgabe:
Neue Brücken bauen
DFG-Sprecher Marco Finetti beantwortete die ihm gestellten Fragen zusammenfassend wie folgt: "In die Diskussion um die geplanten Änderungen in der Satzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind die DFG-Mitgliedshochschulen und auch die Hochschulrektorenkonferenz von Beginn an eingebunden. Die solchermaßen breit angelegte Diskussion ist drei Wochen vor der Mitgliederversammlung der DFG Anfang Juli in Rostock weiter in einem intensiven Stadium. Über die Ergebnisse dieser Diskussion wird die DFG im Anschluss an die Entscheidungen der Mitgliederversammlung öffentlich berichten."
Zwei Wochen, nachdem die DFG sich in Rostock trifft, werden übrigens in der Exzellenzstrategie (ExStra) die künftigen Exzellenzuniversitäten gekürt. Die Entscheidung fällt ein Gremium von Wissenschaftlern und Politikern, administriert vom Wissenschaftsrat. Die DFG ist hier nicht zuständig. Trotzdem berichten viele Rektoren und Minister, dass sie bis dahin immer und überall mit angezogener Handbremse kommunizieren. Nur nicht anecken. Nur nicht zu viel Lärm machen, wenn doch alles irgendwie potenziell ExStra-entscheidend sein kann. Genau diese Phase nutze die DFG-Führung aus, meinen einige.
Was objektiv betrachtet wenig Sinn ergibt, findet die DFG-Jahresversammlung doch immer Ende Juni/Anfang Juli statt. Doch zeigt der Verdacht eines genau: Das Misstrauen gegenüber der DFG ist groß mittlerweile. Hier wieder Brücken zu den Mitgliedern zu bauen, ist womöglich die wichtigste Herausforderung für den nächsten oder die nächste DFG-Präsidentin.