Der Zukunftsvertrag müsse "ehrgeizig" umgesetzt werden, schreiben führende CDU/CSU-Politiker an die Wissenschaftsminister und verlangen die Konkretisierung der Pakt-Ziele.
ES IST EIN ungewöhnlicher Schritt. Führende Forschungspolitiker der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion haben in den vergangenen Wochen alle Landeswissenschaftsminister einzeln angeschrieben, um den Erwartungsdruck beim Zukunftsvertrag zu erhöhen.
In den sogenannten Verpflichtungserklärungen, die jedes Land einzeln erstellen muss, seien "die Schwerpunkte und Maßnahmen für die Umsetzung des Zukunftsvertrages konkret darzulegen", fordern die Abgeordneten Albert Rupprecht, Tankred Schipanski und Katrin Staffler in ihrem zweiseitigen Brief. Vor allem die Schaffung von mehr unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen an den Hochschulen sei ein wichtiger Bestandteil der Bund-Länder-Vereinbarung, darüber hinaus sei das Betreuungsverhältnis "für die Bildung- und Forschungspolitiker der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion der entscheidende Parameter, der eine praxistaugliche Messung von Lehrqualität zulässt".
Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken war von Bund und Ländern am 03. Mai in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) als Teil eines 160-Milliarden-Wissenschaftspakts beschlossen und am 06. Juni von den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin unterzeichnet worden. Er löst den 2020 auslaufenden Hochschulpakt aus und sieht eine dauerhafte Mitfinanzierung der Hochschulen durch den Bund vor. Von 2021 an zahlen Bund und Länder jeweils 1,88 Milliarden Euro, von 2024 an jeweils 2,05 Milliarden. Die Verpflichtungserklärungen laufen über sieben Jahre. Entsprechend soll 2027 über eine mögliche nächste Finanzierungsstufe und eine inhaltliche Weiterentwicklung des Zukunftsvertrags verhandelt werden.
"Verbindliche, konkrete und
quantitativ messbare Zielgrößen"
Als Initiator des Mahn-Briefes an die Landesminister gilt Albert Rupprecht (CSU), der die AG Bildung und Forschung der Unionsfraktion leitet und im Vorfeld der Pakt-Verhandlungen vor allem durch seine scharfe Kritik an den außeruniversitären Forschungsorganisationen aufgefallen war. Tankred Schipanski (CDU) ist Forschungs- und Haushaltspolitiker und Fraktionsberichterstatter für Hochschulpakt und Hochschulforschung. Katrin Staffler (CSU) wiederum verantwortet die Fraktions-Berichterstattung zur Hochschullehre.
Die Bundesländer, verlangen die drei Politiker, sollten die Umsetzung der genannten Vertrags-Schwerpunkte "ehrgeizig angehen und verbindliche, konkrete und quantitativ messbare Zielgrößen mit Blick auf das Betreuungsverhältnis sowie die Anzahl von Dauerstellen in ihren Verpflichtungserklärungen festlegen, damit die Verbesserung von Qualität in den Hochschulen gesichert und messbar wird." Darüber hinaus verlangen die Unions-Abgeordneten, dass die Umsetzung "dieser konkreten Zielgrößen" regelmäßig überprüft werden und "der Zielerreichungsgrad integraler Bestandteil der Berichterstattung sein" soll.
Der Zeitplan für die Verpflichtungserklärungen ist durch den Zukunftsvertrag vorgegeben. Die Wissenschaftsminister müssen ihren Entwurf bis zum 15. Januar 2020 vorlegen, woraufhin das Bundesforschungsministerium die Pläne prüft und Empfehlungen und Änderungsvorschläge formulieren kann. Bis März oder April 2020 sollen sich Bund und die einzelnen Länder einig geworden sein, im Mai werden alle 16 Verpflichtungserklärungen in der Gesamtschau in der Gemeinsame Wissenschaftskonferenz besprochen, zunächst von einer Facharbeitsgruppe. Nach eventuell nochmaligen Änderungen gehen die finalen Verpflichtungserklärungen im Sommer in die GWK-Ministerrunde und werden von dieser "zur Kenntnis" genommen und anschließend veröffentlicht.
So detailliert das Prozedere im Zukunftsvertrag beschrieben wird, es zeigt auch die entscheidende Schwachstelle aus Sicht der Bundestagsabgeordneten: Am Ende entscheiden doch die Länder selbst,
wozu und wie stark sie sich verpflichten wollen, die GWK als Ganzes hat hier kein Beschlussrecht.
Bekommen Max Planck & Co
jetzt auch bald Post?
Das Schreiben an die Landesminister ist bemerkenswert, offenbart im Umkehrschluss aber auch eine Leerstelle: Wie Albert Rupprecht auf Nachfrage bestätigt, werden außeruniversitären Forschungsorganisation kein Mahnschreiben von seiner Fraktion bekommen. Dabei erhalten Max Planck, Helmholtz & Co bis 2030 voraussichtlich 86 Milliarden Euro und damit den mit Abstand größten Anteil aus dem Wissenschaftspakt – konkret über den sogenannten Pakt für Forschung und Innovation, dessen Bestimmungen noch dazu deutlich vager formuliert sind als jene im Zukunftsvertrag.
Doch Rupprecht beteuert, es hätten im Vorfeld der Pakt-Beschlüsse schon so viele und so nachdrückliche Gespräche "mit jedem einzelnen Präsidenten" stattgefunden, dass diese nun ausreichend auf die Bedeutung von "Wissenschaftstransfer und Translation" eingeschworen seien. Einige Organisationen hätten da in den vergangenen Monaten eine steile Lernkurve hinlegen müssen. "Sie wissen, dass sie jetzt liefern müssen. Und sie wissen auch, dass wir nicht aufhören, ihnen genau auf die Finger zu schauen."
Apropos Präsidenten: In einem gemeinsamen Interview hatten sich Max-Planck-Präsident Martin Stratmann und sein Fraunhofer-Kollege Reimund Neugebauer vor zwei Wochen in der FAZ zu den Wissenschaftspakten und den Erwartungen der Politik geäußert. Neugebauer sagte wörtlich: "Wir hören von Bundestagsabgeordneten jetzt immer wieder, alle müssten Transfer machen. Das ist aber genauso unsinnig wie die Forderung, alle müssten erkenntnisorientierte Forschung machen."
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